Es dürfte der letzte Besuch ihrer Amtszeit sein: Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Donnerstag gegen 11 Uhr in die Bundespressekonferenz kommen und sich den Fragen der Hauptstadt-Journalisten stellen.
Die Bundeskanzlerin geht traditionell zum Beginn oder am Ende der Sommerpause in die Bundespressekonferenz und steht dort ausführlich Rede und Antwort. Im vergangenen Jahr kam sie nach ihrem Urlaub Ende August.
Wie bei den Besuchen der Kanzlerin üblich wird es in der Pressekonferenz wohl zu Fragen bezüglich der Innen- und Außenpolitik des Bundes kommen. Heute dürften die Situation in den Hochwassergebieten, die Corona-Pandemie und die soeben erzielte Einigung mit den USA zur umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 zentrale Themen werden.
Zum Ende der Pressekonferenz wird Merkel nochmal nach einer kleinen Bilanzierung ihrer Arbeit gefragt. Die Kanzlerin merkte abermals die sogenannte "Osterruhe" als ihren größten Fehler an. Für ihren größten Verdienst hält Merkel die gesunkene Arbeitslosigkeit.
Mit diesen letzten Worten endet die 29. und wahrscheinlich letzte Bundespressekonferenz der Kanzlerin. "Es war mir eine Freude", so Merkel.
Gefragt auf die deutsch-russischen Beziehungen will die Kanzlerin grundsätzlich zu Gesprächen bereit sein. Allerdings immer "mit den Werten, die wir in Deutschland haben."
Man habe oft unterschiedliche Meinungen, allerdings bleibe man immer im Gespräch.
Eine Frage, die bei der Kanzlerin für Schmunzeln sorgt. Wer hat die schwereren Fragen gestellt: Politiker oder Journalisten?
"Ich habe mich immer entsprechend vorbereitet" sagt Merkel. "Es bleibt ja spannend, weil ich nie weiß, was sie fragen werden", so die Bundeskanzlerin.
Kritik an Armin Laschet, der laut Frage die AfD gelobt sowie falsche Angaben mache, lässt Merkel an sich abprallen. In der Wissenschaft seien die Ergebnisse nicht immer gleich, so die Kanzlerin. Vor allen Dingen dann nicht, wenn es "unterschiedliche Überlegungen" gebe. Es sei wichtig, unterschiedliche Meinungen zuzulassen. "Die Methodik muss immer im Vordergrund stehen."
"40 Prozent erneuerbare Energien sind nicht ausreichend, aber besser als zehn": Das sagte Kanzlerin Merkel auf watson-Frage zu Klimapolitik. Für die Aktivisten von "Fridays for Future" hat die Kanzlerin wohlwollende Worte über, mahnte jedoch vor einer zu einseitigen Debatte. "Ich halte das Einfordern der Jugend für sehr wichtig."
Sie halte das Engagement der Klimaschutz-Aktivisten zwar für wichtig. "Wenn Luise Neubauer zu mir sagt `wir müssen uns mehr anstrengen` sage ich: `Ich bemühe mich`." Allerdings sei es nicht so leicht, parlamentarische Mehrheiten zu finden. "Das ist nunmal meine Aufgabe."
Auf watson-Nachfrage, was die Kanzlerin denn in Bezug auf die Klimapolitik bereue, sagte sie nach langem Schweigen und Nachdenken: "Ich habe sehr lange am Kyoto-Protokoll festgehalten, das war ein Fehler."
Auch die Menschen im ländlichen Raum für den Klimaschutz zu begeistern ist für die Kanzlerin ein Thema. Es gebe noch keine Lösungen, erneuerbare Energien in Leitungen zu bekommen und die Windenergie im ländlichen Raum auszubauen.
Über ihre Haltung zum Thema Feminismus sagt Merkel: "Es sind nicht alle gleich, auch unter den Frauen und Männern nicht. Es ist sehr schwer, da Charakteristika auszumachen."
Angesprochen auf ihre Migrationspolitik sagte Merkel, das Länder wie Deutschland oder Frankreich einen höhen Beitrag leisten würden. Es gebe jedoch auch Situationen, die sie als "kritisch" bezeichnen würde. Das gelte für die Untersuchungen zum europäischen Grenzschutz Frontex.
Ihre Hoffnung setzt die scheidende Kanzlerin auf legale Migration. Weiterhin sei oberste Devise, dass denen geholfen werde, denen wirklich geholfen werden muss.
Es sei aber nicht gelungen, eine gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik auf den Weg zu bringen.
Bundeskanzlerin könne man nicht werden, wenn man nicht weiß, wie es in der alten Bundesrepublik gelaufen sei, so die Bundeskanzlerin. "Ich wünsche mir, dass es weiterhin ein großes Verständnis für Biografien aus der ehemaligen DDR geben wird."
Auf die Krisen in ihrer Amtszeit gefragt, sagte die Kanzlerin, dass viele Krisen nicht in Deutschland oder Europa entstanden. So habe die Weltfinanzkrise ihren Ausgang in den USA gehabt.
Die Kanzlerin setzte sich abermals für internationale Zusammenarbeit ein: "Krisen wie der Klimawandel oder auch die Corona-Pandemie lassen sich nicht von Deutschland alleine bewältigen."
Auf ihre Arbeit blickt Merkel selbstbewusst zurück: "Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen." Als Beispiel nannte sie die gesunkenen Arbeitslosenzahlen.
Man sei ein "kraftvolles Land." Man müsse aber viel tun, um diesen Status aufrechtzuerhalten.
Bezogen auf ihre ostdeutsche Herkunft gefragt sagt Merkel: "Ohne Herkunft keine Zukunft, ich bin sehr im Reinen mit mir und mit meiner Biografie.“
Sie habe sehr viel Kraft eingesetzt, um den Weg des Klimaschutzes zu gehen. Auf Nachfrage zum CDU-Programm, in dem Klima-Maßnahmen fehlen würden und das Experten als unzureichend betrachten, wiegelte Merkel ab. Sie sehe die Kritik als unberechtigt an. Bei Maßnahmen außerhalb der EU sei sie aber kritisch
Auf einer Frage zum Klimaschutz sagte die Bundeskanzlerin, dass diese seit 1994 schon ihr politisches Handeln geprägt habe.
"Es ist einiges passiert, wir sollten nicht so tun, dass nichts passiert ist. Gemessen an dem Ziel, unter zwei Grad Klimaerwärmung zu bleiben, ist nicht genug passiert", sagt die Kanzlerin.
Das Tempo müsse angezogen werden. "Das wird vielleicht mit den wohl tiefergehenden Änderungen einhergehen, die wir kennen."
Auf Nachfrage, was die Kanzlerin gehindert habe, schon früher gegen den Klimawandel vorzugehen sagte Merkel: „Ich habe sehr, sehr viel Kraft in meinem politischen Leben eingesetzt, dass wir zumindest diesen Weg gehen konnten“, erwidert Merkel mit Blick auf das Pariser Abkommen und die CO2-Budgets der EU-Staaten. Die internationalen Klimaverhandlungen in Kopenhagen seien aber eine Enttäuschung gewesen.
Im Anschluss kommt Merkel auf die Corona-Pandemie zu sprechen. Diese habe wieder eine "erschreckende Dynamik" entwickelt. Die Kanzlerin mahnte erneut, sich an Vorsichtsregeln zu halten und sich testen zu lassen. "Je mehr geimpft sind, desto freier werden wir sein", warb die Kanzlerin für Impfungen.
In einem kurzen Statement ging die Bundeskanzlerin zu Beginn der Pressekonferenz auf eine wichtige Themenschwerpunkte ein. In den vergangenen Tagen habe Deutschland schreckliche Verwüstungen erlebt, man trauere um viele Tote. Der Schaden könne noch nicht genau genannt werden, sei aber immens. "Allein die Bahn hat 600 Kilometer beschädigte Gleise."
In Kürze wird die Pressekonferenz mit Angela Merkel starten. Die Bundeskanzlerin befindet sich auf dem Weg zu ihrem Platz, die Journalisten sind bereits vor Ort.
(fgr)