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Maaßen im Bundestag: Berliner Attentat hätte verhindert werden können – aber nicht von uns

08.10.2020, Berlin: Hans-Georg Maa
War bis November 2018 Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Hans-Georg Maaßen.Bild: dpa / Kay Nietfeld
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Maaßen im Bundestag: Berliner Attentat hätte verhindert werden können – aber nicht von uns

Der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident weist jede Schuld für den islamistischen Weihnachtsmarkt-Anschlag von sich. Die meisten Abgeordneten kaufen ihm das nicht ab.
08.10.2020, 18:0008.10.2020, 18:54
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Das islamistische Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz hätte verhindert werden können. Hans-Georg Maaßen sagt das. Er war damals, im Dezember 2016, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und somit einer der mächtigsten Geheimdienstler Deutschlands. Er sagt aber auch: Er selbst und sein Amt hätten keine Fehler gemacht.

Maaßen sagt am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss (U-Ausschuss) des Bundestags zum Attentat aus. Und er erzählt dabei vor allem, warum seine Behörde aus seiner Sicht nichts falsch gemacht hat. Warum sie nicht mehr hätte tun können, um zu verhindern, dass der Islamist Anis Amri mit einem mit Stahl beladenen Lkw in den Weihnachtsmarkt fährt, 12 Menschen tötet und 55 verletzt.

Seinen Auftritt vor dem U-Ausschuss beginnt Maaßen mit einem langen Statement, über die Sicherheitslage in Deutschland vor dem Anschlag. Über die islamistischen Attentate von Paris, Nizza, Ansbach. Über die damalige Gefahr verheerender Anschläge in Deutschland. Er spricht über die Arbeit seiner Behörde, über den Tag, an dem er erstmals den Namen Amri gehört habe, im Januar 2016, bei der Unterschrift eines Behördenzeugnisses. Maaßen liest seine Aussagen, erst ruhig und bestimmt, manchmal verhaspelt er sich sogar etwas.

Dann, zum Ende, wird er schneller und lauter: Zum Attentat sagt Maaßen: "Da stellen sich mir Fragen, die mich bis heute fassungslos machen." Neun nennt er, die sich darum drehen, warum der 2015 eingereiste Anis Amri nicht aus Deutschland nach Italien zurückgeführt wurde, warum er trotz mehrfacher Straftaten weiterhin sein Smartphone benutzen durfte, warum er nicht in Haft war. Dann schließt Maaßen: "Für mich ist es völlig unverständlich, dass ein Amri mit dieser Biografie sich am 19.12.2016 in Deutschland aufgehalten hat." Und: "Der Anschlag war vermeidbar, er hätte nicht stattfinden müssen." Harte Worte.

"Wir hatten nichts zu verschleiern."
Hans-Georg Maaßen

Das Problem, sagt Maaßen, liege aber nicht bei ihm und dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sondern vor allem bei Ausländer- und Asylbehörden, bei den Kriminalämtern, bei der deutschen Asylpolitik. "Wir hatten nichts zu verschleiern", sagt Maaßen über seine Behörde.

Harte Worte gegen viele – außer den Verfassungsschutz

Anis Amri sei ein reiner "Polizeifall" gewesen, ein Straftäter, gegen den Polizei und Kriminalämter ermittelten. Das ist die These, die Maaßen seit Jahren vertritt, auch hier im Bundestag hält er daran fest. Mehrere Abgeordnete im U-Ausschuss kaufen Maaßen das nicht ab.

Ihr wichtigster Punkt: Das Bundesamt für Verfassungsschutz könne sich nicht zurückziehen von einem Fall wie Amri. Denn über ihn hatten mehrere Sicherheitsbehörden Informationen dazu, dass er ein gewaltbereiter Islamist war.

Die Abgeordneten haken bei Maaßen vor allem zu den Momenten nach, an denen Amri vor dem Anschlag ins Visier der Behörden geraten war. Etwa zu dem Behördenzeugnis zu Anis Amri, das Maaßen Anfang 2016 unterschrieben hatte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), sagt Maaßen, habe das Gutachten nur ausgefüllt, weil das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen darum gebeten hatte – um die Quelle der Informationen über Amri zu schützen. Wie alarmierend denn gewesen sei, was in dem Gutachten stand, will der CSU-Abgeordnete Volker Ullrich wissen. "Es passte in die damalige Gefährdungslage", sagt Maaßen.

Immer wieder fragen ihn Ullrich und andere Abgeordnete danach, ob der Verfassungsschutz denn nicht mehr hätte tun können, um Amri zu beschatten, um Informationen zu beschaffen, mit denen Polizei und Staatsanwaltschaft ihn vor dem Anschlag dingfest hätten machen können.

Die wichtigste Frage: Hätte der Geheimdienst mehr tun können?

Der seit Jahren umstrittene Maaßen, der seit seiner Versetzung in den Ruhestand mit rechtslastigen Äußerungen auffällt, antwortet auf solche Fragen mit einem seiner Lieblingsausdrücke. "Den Hut aufgehabt" habe bei Amri nicht das Bundesamt für Verfassungsschutz, sagt Maaßen. Sondern die Landeskriminalämter in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Polizeifall, Maaßens alte These.

Immer wieder klopfen Abgeordnete diese These ab.

Unter ihnen ist der Grüne Konstantin von Notz. Er spricht Maaßen auf eine Sitzung des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums (GTAZ) an. Bei dem habe das BfV versprochen, Hinweisen aus Marokko zur Gefährlichkeit Amris nachzugehen. Von Notz fragt nach, wie Amri dann noch ein "reiner Polizeifall" gewesen sein könne. Das sei so üblich, dass in solchen Fällen ein Geheimdienst auf die Bitte der Sicherheitsbehörden bei ausländischen Geheimdiensten nachfrage.

Maaßen sagt auch etwas zur Kontaktperson des Bundesamtes für Verfassungsschutz in der Fussilet-Moschee in Berlin-Moabit, dem Gotteshaus, das Amri in den Monaten vor dem Anschlag regelmäßig besucht hatte. Man habe keine Quelle "an Amri" gehabt. Sondern nur in derselben Moschee, die Amri besuchte. Die Kontaktperson sei wegen anderer Verdachtsfälle dort gewesen. Und sie hätte keine Informationen beschaffen können, die helfen hätten können, den Anschlag zu verhindern.

Ein anderer Vorwurf, den Abgeordnete Maaßen immer wieder vorhalten: Dass das BfV sich an einem "Blame Game" nach dem Attentat beteiligt habe – also daran, sich gegenseitig die Verantwortung für den Anschlag zuzuschieben.

Wie sich ein Dienst über den anderen beschwerte

Benjamin Strasser von der FDP legt Maaßen eine E-Mail aus dem Sommer 2017 vor, in dem aus dem Bundesnachrichtendienst (BND) der Vorwurf an den BfV genannt wird, man habe zu wenig Informationen zu Anis Amri bekommen. Strasser fragt Maaßen: "Um was ging es den Behörden: Hintermänner zu finden – oder Verantwortung aufeinander abzuschieben?" Und: "Gab es von anderen Behörden Beschwerden?" Maaßen sagt dazu, das Ziel des BfV sei es gewesen, den Anschlag aufzuklären. Es ging nicht um Vertuschung, oder darum, Verantwortung abzutun.

Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic sagt am Rande des Ausschusses, Maaßen habe sinngemäß vor allem eines gesagt: "Schuld waren alle anderen, aber der Verfassungsschutz hat alles richtig gemacht." Die bisherigen Befragungen im U-Ausschuss und die Akten sagten etwas anderes.

Maaßen sagt dann noch, zum Attentat von Berlin, zu den 12 Menschen, die Anis Amri getötet hat: "Die Opfer könnten heute noch leben, wenn man damals anders gehandelt hätte." Aber er meint damit die Behörden und die Politik. Nicht den Verfassungsschutz oder sich selbst.

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