Comedian Oliver Pocher (l) und der Koch Attila Hildmann (r) im Gespräch vor dem Reichstag.Bild: dpa / Jörg Carstensen
Vor Ort
In vielen Städten kam es am Samstag wieder zu Protesten gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung. In Berlin trafen dabei der Vegan-Koch Attila Hildmann und Komiker Oliver Pocher aufeinander – die Polizei schritt ein. Watson war live dabei.
18.05.2020, 07:0201.09.2020, 16:58
Deutschlandweit haben am Samstag wieder tausende selbsternannte Querdenker gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung demonstriert. In München etwa kamen 1000 Menschen auf der Theresienwiese zusammen. Der Andrang war so groß, dass die genehmigte Teilnehmerzahl bereits kurz vor Veranstaltungsbeginn erreicht war.
Die Polizei ließ am Samstagnachmittag keine Menschen mehr auf das abgesperrte Gelände. Über Lautsprecher wurden die nicht zugelassenen Demonstranten aufgefordert, nach Hause zu gehen. Einige hundert Menschen säumten daraufhin die Bürgersteige entlang der Fläche. Die Polizei begann später, Demonstranten jenseits des Demogeländes wegzutragen. Es blieb zunächst friedlich.
Eine Rednerin kündigte an, "nächste Woche hier mit 10.000 Menschen stehen" zu wollen. Die Stadt hatte maximal 1000 Menschen unter Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern und zeitlicher Begrenzung auf zwei Stunden zugelassen. Die Veranstalter hatten 10.000 Teilnehmer angemeldet. Die Polizei ist mit zahlreichen Beamten und deutlich sichtbar auf dem Gelände unterwegs.
Blick auf die Theresienwiese in München am 16. Mai. 1000 Menschen durften das Gelände betreten, mehr nicht. Bild: Felix Hörhager/dpa
Pocher trifft auf Hildmann
Vor dem Reichstagsgebäude in Berlin hatten sich am Samstagnachmittag mehrere Hundert Menschen versammelt, um an einer Kundgebung des Fernsehkochs Attila Hildmann teilzunehmen. Hildmann hatte um 16.30 Uhr zu einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen aufgerufen. Der für seine veganen Rezepte bekannte Koch war zuletzt mit der Verbreitung von Verschwörungstheorien aufgefallen.
Die Polizei sperrte für die Kundgebung einen Bereich ab und wies Hildmann darauf hin, dass nicht mehr als 50 Teilnehmer erlaubt seien. Auch Komiker Oliver Pocher zeigte sich am Nachmittag am Reichstag. Watson-Reporter Lukas Weyell war vor Ort und sah, wie Oliver Pocher mit einem Pulk im Schlepptau zur Demo kam. Neben einem RTL-Kamerateam seien auch private Sicherheitskräfte dabei gewesen, die Pocher offenbar schützen sollten.
"Hildmann wartete schon auf Pocher"
"Zunächst unterhielt sich Pocher mit einem anderen Demo-Teilnehmer, um anschließend auf Attila Hildmann zuzugehen, der bereits auf Pocher wartete", beobachetete unser Reporter. Vor laufenden Kameras diskutierte der Comedian dann mit dem TV-Koch. Der Clinch wird in Pochers neuer Show "Pocher – Gefährlich ehrlich" am kommenden Donnerstag erneut thematisiert werden, wie er schon selbst ankündigte. Denn schon am Freitagabend sagte der Komiker, dass er heute Hildmann zur Rede stellen wollte. Und postete das als "Heute Corona-Party am Reichstag" in seiner Instagram-Story.
Die Szene wurde dann jedoch abrupt abgebrochen. Nach einer kurzen Diskussion wurde Oliver Pocher dann von mehreren Polizisten abgeführt. Laut Angaben der Polizei, um Pocher zu schützen. "Auf einmal kam die Polizei herein und trieb die Leute auseinander", so unser Reporter weiter.
Screenshot Instagram/ oliverpocher
Oliver Pocher: "Relativ großes Chaos"
Ein paar Informationen zu seinem Aufeinandertreffen mit Hildmann gab Pocher in seiner Insta-Story preis:
"Ja, Leute, wir sind auf dem Rückweg aus Berlin. Das war schon ein kleines Erlebnis, muss ich sagen.. Joa, also alles in Ordnung. Am Alexanderplatz waren tendenziell die Hooligans und die Nazis, am Rosa-Luxemburg-Platz haben die Linken demonstriert und die Verschwörungskollegen waren am Reichstag. Wir haben uns das alles ein bisschen angeguckt, aber das ist schon eine schwer angespannte Atmosphäre muss man sagen. Hut ab vor den Polizisten, dass die das so ruhig bleiben und da versuchen für Ordnung zu sorgen."
Der Comedian machte noch weitere Beobachtungen: "Jeder hat da ein Handy rausgeholt, sofort drei Kamera-Teams, keine Sicherheitsabstände mehr, wirklich auch ein relativ großes Chaos." Es sei auch wirklich mal interessant gewesen, das zu sehen. "Gefährlich ehrlich, da ist der Sendungstitel auch durchaus Programm gewesen. Hochinteressant. Hochinteressant, was da gewesen ist: eine Reise für Fortgeschrittene." Am Ende verwies Pocher auf seine Show.
Demos auch am Alexanderplatz
Auch an anderen Orten in Berlin kam es am Samstag zu Demonstrationen. Allein auf dem Alexanderplatz fanden zeitgleich vier Kundgebungen statt, die von Polizeikräften und rot-weißem Flatterband umringt waren. Die Beamten achteten darauf, dass jeweils nicht mehr als 50 Demonstranten zusammenstanden. Innerhalb der Flatterbänder wurde der Abstand von 1,5 Metern eingehalten.
Mehr als 40 Demonstranten protestierten inmitten des Platzes mit Transparenten und einem Lautsprecherwagen gegen Verschwörungstheorien und für die Rechte von Flüchtlingen. Einige Meter weiter demonstrierten Dutzende mit lauter Musik gegen die Corona-Regeln und Impfpflicht. Auch an den Absperrungen rund um den Rosa-Luxemburg-Platz versammelten sich viele Menschen zum Protest gegen die Hygienevorschriften. Für den Nachmittag war auf dem Alexanderplatz, vor der Volksbühne und dem Reichstagsgebäude von verschiedenen politischen Lagern zu Protesten aufgerufen worden – erlaubt waren nicht alle.
Ärger in Stuttgart und Frankfurt
In Stuttgart hatten die Behörden die Teilnehmerzahl auf 5000 Menschen begrenzt. Wie auch in München, war die Teilnehmerzahl schnell erreicht worden – kurz nach Beginn der Veranstaltung um 15.30 Uhr. Der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg lehnte am Samstag eine dagegen gerichtete Beschwerde der Veranstalter ab. Die Beschränkung sei kein rechtswidriger Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters, teilte das Gericht in Mannheim mit. Die Veranstalter hatten ursprünglich eine halbe Million Teilnehmer angemeldet.
In der Nacht von Freitag auf Samstag hatten zudem bislang Unbekannte drei Lastwagen einer Spedition in Brand gesteckt, die Veranstaltungstechnik der Demonstration transportieren sollten. Die Fahrzeuge waren jedoch noch unbeladen, die Spedition musste Ersatz besorgen.
Auch in Frankfurt kam es am Samstag zu Protesten. In der Innenstadt stießen Gegner der Auflagen und Befürworter aufeinander. Neben einer angemeldeten Kundgebung mit dem Titel "Hände weg vom Grundgesetz" auf dem Goetheplatz/Rossmarkt trafen sich Menschen auch ohne formelle Anmeldung auf dem rund 500 Meter entfernten Opernplatz. Zu mehr als verbalen Auseinandersetzungen kam es zunächst nicht, wie die Polizei berichtete. Vereinzelt seien die Menschen per Lautsprecher aufgefordert worden, den notwendigen Abstand einzuhalten, sagte ein Sprecher.
Die Demonstrationen sorgen vor allem wegen ihrer Zusammensetzung für Kritik. Unter den Protestierenden finden sich neben Reichsbürgern, Impfgegnern und Radikalen vom linken Rand auch eine Menge Menschen, die Verschwörungstheorien verfallen sind. Zudem fallen Teilnehmer auch mit antisemitischen Äußerungen und Symbolen auf.
In Frankfurt trug ein Mann diesen Sticker, der dem Davidstern nachempfunden ist. Bild: dpa / Boris Roessler
Politiker legen Bekenntnis zu Recht auf Demonstrieren ab
Ausdrücklich stellte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Samstag klar, dass die Demonstrationen in einer Demokratie dazugehörten. "Es ist absolut legitim und eigentlich auch nicht ungewöhnlich, dass Menschen demonstrieren, wenn es zu den gravierendsten Grundrechtseinschränkungen seit dem Bestehen der Bundesrepublik kommt", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Man müsse nur aufpassen, welche Gruppierungen das politisch missbrauche.
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sieht das ähnlich. Er sagte zu watson, man dürfe "in einer Demokratie selbstverständlich gegen Politik und Regierende demonstrieren". Er pochte allerdings auf die Einhaltung der geltenden Regeln, etwa die Achtung des Mindestabstandes und das Tragen von Schutzmasken im ÖPNV. Wenn die Teilnehmer der Demonstration mit der S-Bahn anreisten, dann müssten sie eine Maske tragen. "Ansonsten gefährden sie ihre Mitmenschen und ich bestehe darauf, dass diese Leute ein saftiges Bußgeld erhalten", sagte Özdemir.
(pcl/mit Material von dpa)
Anmerkung der Redaktion inklusive Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir behauptet, der hier formulierte Urteilsspruch würde eine Frau betreffen, die sich gegenüber Medien als Betroffene zum MeToo-Skandal bei der Linken geäußert hatte. Das war inhaltlich falsch. Wir bedauern den Fehler und haben die entsprechenden Passagen korrigiert bzw. entfernt. Richtig ist: Verurteilt wurde eine Frau, die sich als Reaktion auf die damaligen Medienberichte auf Social Media zu dem Fall äußerte.