Die Wasserwerfer kühlen die Stimmung auf der Querdenker-Demo nicht ab – im Gegenteil.bild: leonard laurig/watson
Vor Ort
18.11.2020, 18:1719.11.2020, 11:24
Schon am frühen Mittwochmorgen kreisen Hubschrauber über dem Regierungsviertel, Absperrungen werden errichtet. Das Reichstagsgebäude ist mit Gittern umzäunt, die Polizei mit 2.200 Beamten im Einsatz. Mehrere Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen wurden für diesen Tag vor dem Bundestag angekündigt, aus Sicherheitsgründen jedoch nicht genehmigt. Doch die Demonstranten sind trotzdem gekommen.
"Seit Mitternacht sind wir hier vor Ort, damit wir heute demonstrieren können", ruft ein Mann auf der Marshallbrücke in ein Mikrofon. Vor dem ARD-Hauptstadtstudio haben die Demonstranten eine kleine Bühne errichtet, etwa 200 Menschen haben sich davor versammelt. Sie fordern ein Ende der Maskenpflicht für Schüler und zählen die angeblich gesundheitsschädlichen Folgen des Maskentragens auf. Eine Rednerin sagt, sie sei selbst Mutter von Kindern und fürchte sich um deren Gesundheit, wenn sie gezwungen werden, Masken zu tragen. Den geplanten Gesetzesentwurf der Bundesregierung vergleicht sie mit "Hitlers Ermächtigungsgesetz". So geschmacklos und falsch der Vergleich ist, er fällt oft an diesem Tag.
Vor dem Brandenburger Tor haben sich zur gleichen Zeit bereits mehrere hundert Menschen versammelt. Auf Schildern warnen sie vor einer Diktatur und berufen sich auf das Grundgesetz. "Freiheit und Liebe" ist ihr Botschaft. Luftballonherzen und Regenbogenfahnen schweben über den Köpfen. Es wird getrommelt und gesungen. Einige sitzen auf Isomatten und haben eine brennende Kerze vor sich abgestellt. Sie wollen zeigen, dass sie friedlich sind.
Etwas abseits der Menge steht Heike, sie beobachtet die Situation genau und fürchtet, am Ende wieder als Rechtsradikale verunglimpft zu werden. "Schau dich doch mal um", sagt sie, "siehst du hier irgendwo Rechtsradikale? Hier sind Familien mit ihren Kindern. Wir kämpfen für Freiheit." Auch sie ist heute hier, weil sie die Corona-Politik der Regierung für unverhältnismäßig hält. Sie glaubt, dass eine Bekämpfung der Pandemie auch ohne Verbote möglich ist.
Kein Abstand, kaum Masken
Gegen Mittag ist die Menschenmenge dann auf mehrere tausend Menschen angewachsen. Nun sind nicht mehr ausschließlich Familien mit Kindern zu sehen. Einige Demonstranten geben sich als Anhänger der verschwörungsideologischen QAnon-Bewegung zu erkennen. Vereinzelte Reichsflaggen tauchen auf und Menschen, die dem rechtsradikalen Spektrum zuzuordnen sind. Die Abstandsregel wird zu diesem Zeitpunkt konsequent ignoriert, Masken tragen die wenigsten.
Für die Polizei ist es nun Zeit für die erste Durchsage mit der Aufforderung, sich an die Hygienevorschriften zu halten. Am Rande der Veranstaltung kommt es vereinzelt zu Provokationen gegen die Polizei, dann geht alles relativ schnell. Nach mehrfachen Durchsagen, die zum Teil im Lärm der Menge untergehen, löst die Polizei die Versammlung um 11.52 Uhr auf.
Als die Wasserwerfer kommen, legen die Demonstranten richtig los
Gleichzeitig bringen sich Wasserwerfer in Position. Die grölende Menge scheint das nicht abzuschrecken – im Gegenteil: Sie fühlt sich in ihrem Widerstand bestärkt. "Wir sind das Volk" und "Friede, Freiheit, keine Diktatur" schallt es über den Platz des 18. März.
Bild: X90145 / FABRIZIO BENSCH
"Wir sind friedlich, was macht ihr mit uns?"
Als die ersten Wasserstrahlen auf die Köpfe der Demonstranten hinabregnen, haben viele bereits Schirm und Regenjacke ausgepackt. Die Stimmung ist jetzt aufgeheizt. "Wir sind friedlich, was macht ihr mit uns?", ruft eine ältere Frau am Absperrgitter den Beamten entgegen.
Dass die Kundgebung ohne Einhaltung der Hygienevorschriften nicht stattfinden kann, scheinen einige nicht zu verstehen oder bewusst zu ignorieren. Als die Menschen sich nur allmählich zurückdrängen lassen, beginnt die Polizei mit einzelnen Festnahmen, "um mehr Bewegung in die Menge zu bekommen", wie Polizeisprecher Thilo Cablitz gegenüber watson erklärt.
Flaschenwürfe und tanzende Gegendemonstranten
Gleichzeitig rücken die Wasserwerfer Stück für Stück weiter vor, der Platz vor dem Brandenburger Tor verwandelt sich allmählich in eine große Pfütze. Mittendrin: Beharrliche Querdenker, die im Regen der Wasserwerfer tanzen und aggressive Demonstranten, die ihre Wut an der Polizei auslassen. An einigen Stellen kommt es zu Flaschenwürfen und körperlichen Auseinandersetzungen mit den Beamten.
Während sich am Nachmittag die Menschenmenge unter dem Einfluss der Wasserwerfer langsam ausdünnt, dröhnt auf der anderen Seite des Brandenburger Tors elektronische Musik aus einer Box. Ein Mischpult ist aufgebaut, ein Mann in Trainingsjacke und Kopfhörern dreht an den Knöpfen, ein anderer spielt Saxofon. Etwa 100 Menschen haben sich hier, auf dem Platz neben dem Hotel Adlon, versammelt. Ganz vorne steht Adi. "Wir sind die Gegendemo zu der faschistischen Demo auf der anderen Seite", erklärt er. Mit zwei Freunden hält er ein Plakat hoch auf dem "Gerade Denken" steht.
Sie seien zwar in erster Linie hier, um ein Gegengewicht zu den Querdenkern zu liefern, aber hätten auch ein eigenes Anliegen. "In Berlin sind leider immer mehr Faschisten unterwegs, die Leute beleidigen oder anspucken, nur weil sie anders sind. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen", sagt Adi.
Ein Zeichen hat an diesem Mittwoch vor allem die Polizei gesetzt. Am späten Nachmittag zeigt ihr Eingreifen Wirkung und die Versammlung löst sich weitestgehend auf. Doch das Problem, dass sich einige Menschen trotz der Pandemie nicht an die Corona-Maßnahmen halten und dass auch Verschwörungsideologen und Rechtsradikale davon profitieren, hat sich dadurch nicht gelöst.
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