Angespannte Situation in Bolivien: Nach dem Rücktritt von Präsident Evo Morales steht das südamerikanische Land ohne Regierung da.
Neben dem Staatschef reichten auch der Vizepräsident, die Präsidentin des Senats und der Präsident der Abgeordnetenkammer ihre Rücktritte ein, die nach der Verfassung eigentlich die Amtsgeschäfte übernehmen müssten.
Dort wurde der Betrieb der Seilbahn zwischen den Schwesterstädten eingestellt, zahlreiche Busse und Geschäfte in Brand gesteckt. In einigen Vierteln organisierten sich die Bewohner und errichteten Barrikaden, um sich vor Plünderern zu schützen, wie die Zeitung "La Razón" berichtete.
Der Sozialist Morales war am Sonntag nur drei Wochen nach seiner umstrittenen Wiederwahl zurückgetreten. Bei der Abstimmung am 20. Oktober hatte er sich zum Sieger in der ersten Runde erklärt, obwohl die Opposition und internationale Beobachter erhebliche Zweifel anmeldeten.
Morales' Gegner warfen ihm Wahlbetrug vor. Seitdem kommt es bei Straßenprotesten fast täglich zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern. Mindestens drei Menschen kamen bisher ums Leben.
Der Bolivianer war der erste indigene Präsident des Landes, das auch als Armenhaus Südamerikas gilt. Für eine lange Zeit bescherte Morales Bolivien politischen Stabilität und eine ordentliche wirtschaftliche Entwicklung. So sorgte er etwa dafür, dass die satten Gewinne aus der Gas- und Lithium-Förderung größtenteils im Land blieben und auch der indigenen Bevölkerungsmehrheit zugutekamen.
Um sich seinen Traum zu erfüllen und bis zur 200-Jahr-Feier der Unabhängigkeit 2025 im Amt zu bleiben, überspannte er den Bogen allerdings – und ließ wohl die Wahl im Oktober manipulieren.
Morales regierte Bolivien seit 2006. Er hatte sich zum dritten Mal zur Wiederwahl gestellt, obwohl die Verfassung höchstens eine Wiederwahl vorsieht. Morales überwand diese Hürde mithilfe der Justiz, die die Begrenzung der Amtszeiten als Verletzung seiner Menschenrechte bezeichnete.
Weil viele an der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses zweifeln. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte in einem vorläufigen Bericht Manipulationen bei der Präsidentenwahl festgestellt und eine Annullierung empfohlen. Daraufhin hatte Morales zunächst eine Neuwahl angekündigt, am Ende aber dem wachsenden Druck von Militär und Polizei nachgegeben.
Sein stärkster Gegenkandidat bei der Wahl, der Ex-Präsident Carlos Mesa, twitterte, der Rücktritt des Präsidenten bedeute ein "Ende der Tyrannei".
Die Lage bleibt angespannt: Oppositionsführer Luis Fernando Camacho aus der wirtschaftsstarken Region Santa Cruz im Osten des Landes rief seine Anhänger dazu auf, den Druck auf der Straße aufrechtzuerhalten.
Morales und seine Verbündeten in der Region sprachen von einem Putsch. "Mesa und Camacho, Unterdrücker und Verschwörer, werden als Rassisten und Putschisten in die Geschichte eingehen. Sie sollten ihre Verantwortung wahrnehmen und das Land befrieden sowie die politische Stabilität und das friedliche Zusammenleben unseres Volkes garantieren", schrieb Morales am Montag auf Twitter. "Die Welt und die patriotischen Bolivianer verurteilen den Putsch."
Morales selbst soll in Mexiko politisches Asyl erhalten. Die mexikanische Regierung bestätigte, dass sich Morales an Bord einer Sondermaschine befand. "Evo Morales ist in dem Flugzeug der mexikanischen Regierung, das geschickt wurde, um seinen sicheren Transport in unser Land gewährleisten", schrieb Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard auf Twitter.
Das Leben des Ex-Präsidenten sei in Bolivien in Gefahr, sagte Ebrard.
Die Europäische Union rief die politischen Lager in Bolivien zur Mäßigung auf und forderte Neuwahlen. "Wir hoffen, dass die Parteien Zurückhaltung und Verantwortung walten lassen und das Land zu glaubwürdigen Wahlen führen, damit das bolivianische Volk seinen Willen äußern kann", sagte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montag.
US-Präsident Donald Trump lobte den Rücktritt. Er nannte Morales' Schritt einen bedeutenden Moment für die Demokratie in der westlichen Hemisphäre hervorgehoben.
Morales habe versucht, sich über den Willen des Volkes hinwegzusetzen, sein Abgang erlaube es den Bolivianern, sich Gehör zu verschaffen, sagte Trump laut einer Mitteilung des Weißen Hauses vom Montag.
Der südamerikanische Kontinent kommt nicht zur Ruhe – in mehreren Ländern Südamerikas gibt es Unruhen.
Seit Anfang des Jahres kämpfen in Venezuela Staatschef Maduro und der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó um die Macht. Wegen der katastrophalen humanitären Lage in dem einst reichen Land mit den größten Erdölreserven der Welt haben bereits 4,5 der gut 30 Millionen Venezolaner das Land verlassen.
In Chile sind bei wochenlangen Krawallen gegen soziale Ungerechtigkeit und Einkommensunterschiede schon rund 20 Menschen getötet worden. Auch in Ecuador kamen jüngst bei Protesten der indigenen Bevölkerung gegen die Streichung von Benzinsubventionen mehrere Menschen ums Leben.
(pb/mit dpa)