Jeden Tag gibt es wieder neue Angriffe. Jeden Tag spricht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj davon, dass Russland das ukrainische Volk zermürben will. In der jüngsten Zeit kommt es auch immer wieder vor, dass die Hauptstadt Kiew wieder in den Fokus der Angriffe rutscht.
Wie in der Nacht zum Mittwoch.
Doch jetzt sollen offenbar die Karten neu gemischt werden. Zumindest, wenn man den US-Medienberichten glaubt.
Sie wollen herausgefunden haben, dass die US-Regierung das sogenannte Patriot-System in die Ukraine liefern will. Ein Waffensystem, das möglicherweise der Joker sein könnte. Das Ass im Ärmel. Zumindest in Teilen.
Und schon gehen auch in Deutschland wieder die Diskussionen los: Sollten die Bundesrepublik auch Patriots liefern? Haben wir überhaupt welche? Was bedeutet das alles? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Der Name des Flugabwehrraketensystems Patriot ist ein Akronym, das sich zusammensetzt aus den Begriffen "Phased Array Tracking Radar to Intercept on Target". Das bedeutet so viel wie: Verfolgungsradar zum Abfangen des Ziels.
Dieses System soll Flugzeuge, taktische ballistische Raketen und Marschflugkörper abwehren. Die Waffe funktioniert mit einem automatischen Radarsystem, wird aber auf der anderen Seite von mindestens zwei Personen überprüft und könnte sofort gestoppt werden, heißt es auf der Website der Deutschen Bundeswehr.
Erkennt das Radarsystem ein Flugobjekt, sendet es diese Information an die mit zwei Arbeitsplätzen besetzte Feuereinheit. Ob es sich um einen Freund oder Feind handelt, wird dann computergestützt und von Soldat:innen überprüft. Bei einer feindlichen Rakete oder Drohne leiten die Soldat:innen die Bekämpfung ein.
Abgeschossen werden die Abwehrraketen dann aus der mobilen Startstation. Die Reichweite beträgt 68 Kilometer. Mit diesem System können zur gleichen Zeit 50 Ziele beobachtet und kontrolliert werden. Fünf Ziele kann das System gleichzeitig bekämpfen.
Damit wäre das Patriot das modernste Boden-Luft-Raketensystem, das der Westen der Ukraine für den Abwehrkampf gegen russische Luftangriffe bisher bereitstellen würde.
Zunächst einmal würde die Lieferung dieses Systems bedeuten, dass sich die Ukraine gezielter verteidigen könnte. Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur gehören seit einigen Monaten zum Hauptziel der russischen Armee. Das hatte der russische Präsident Wladimir Putin auch bereits so geäußert.
Vor allem jetzt im Winter kann das zum Kältetod zahlreicher Ukrainer:innen führen, da viele zurzeit immer wieder mit Ausfällen von Strom und Heizung konfrontiert sind.
Auf diesem Video sieht man etwa Menschen in der ostukrainischen Stadt Bachmut. Sie wärmen sich mit Holzfeuer auf.
Demnach würde ein solch präzises und weitreichendes Abwehrsystem den Menschen vor Ort explizit helfen.
Vor allem nach neuen russischen Drohnenangriffen auf Kiew setzt Selenskyj auf modernere und effektivere Flugabwehrsysteme aus dem Westen. In einer Ansprache am Mittwochabend deutete er auch an, dass bald Patriots geliefert werden könnten. Zwar nannte er keine Details, aber er sagte: "Diese Woche haben wir einen bedeutenden Fortschritt in der Frage der Flugabwehr gemacht."
Selenskyj berichtete, dass am Mittwochmorgen 13 russische Drohnen abgeschossen worden seien. "Das bedeutet 13 verschonte Infrastruktur-Objekte, das sind gerettete Leben", sagte er. Die Ukraine baue ihre Luftverteidigung immer weiter aus. "Und wir tun alles, um mehr moderne und effektivere Systeme für die Ukraine zu bekommen." An Vereinbarungen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des Landes werde bereits gearbeitet.
Allerdings bedeutet eine solche Lieferung auch, dass Russland diese – zumindest in der Kommunikation nach Außen – als Provokation verstehen würde. Die russische Botschaft in Washington hat die USA bereits davor gewarnt, Patriot-Waffensysteme bereitzustellen.
Sollten sich die Berichte über die Lieferung bewahrheiten, hieß es aus der Botschaft, zeuge dies von einem neuen provokativen Schritt des US-Präsidenten Joe Biden. Dieser könne "zu unvorhersehbaren Folgen führen".
Dadurch würden nicht nur die russisch-amerikanischen Beziehungen kolossalen Schaden nehmen, sondern auch zusätzliche globale Sicherheitsrisiken geschaffen werden. Außerdem drohte der Kreml damit, die Waffensysteme als explizites Ziel anzusehen. Sollten die USA die Lieferung genehmigen, würde das System "definitiv" ein legitimes Ziel für russische Angriffe auf die Ukraine sein, erklärte Kremlsprecher Dmitrij Peskow.
Deutschland ist seit 1989 im Besitz des Waffensystems Patriot.
Tatsächlich will Deutschland ein solches System auch bereitstellen, das soll dann allerdings nach Polen gehen. Im Rahmen der Nato-Bündnisverteidigung stellt die Bundeswehr bereits der Slowakei dieses System zur Verfügung.
Nun stellt sich innerhalb Deutschlands wieder die Frage: Sollten wir unsere Patriot-Systeme nicht lieber gleich in die Ukraine bringen?
Im Bundestag und in der Bundesregierung ist man sich uneins darüber. Grundsätzlich offen ist man erst einmal nicht dafür. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) machte erneut deutlich, dass Deutschland ja bereits Gepard-Panzer und das System Iris-T liefere – und damit schon seinen Beitrag zur Luftabwehr leiste.
Von der CDU gibt es bezüglich der Waffenlieferungen naturgemäß große Kritik. CDU-Chef Friedrich Merz wirft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, sich hinter den Nato-Bündnispartnern zu verstecken und der Ukraine damit weniger Hilfe zukommen zu lassen, als möglich wäre. "Je mehr wir helfen, umso schneller ist dieser Krieg vorüber", hatte Merz in seiner Rede am Mittwoch im Bundestag gesagt.
Die Liste an militärischer Unterstützung, die Deutschland bisher geleistet hat, ist lang - auch wenn es in der Diskussion erst einmal nicht so wirkt, als würde Deutschland viel liefern.
Waffen wurden bisher folgende bereitgestellt:
Militärische Unterstützung bedeutet allerdings nicht nur, dass Waffen geliefert werden. Auch Lieferungen wie Schlafsäcke, Feldbetten oder Munition gehören dazu.
Zudem sind weitere Lieferungen geplant.
Angaben des Verteidigungsministeriums zufolge liegt der Gesamtwert von der Bundesregierung erteilten Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern bisher bei knapp 2,2 Milliarden Euro.
Dabei handelt es sich laut Regierung um aus Mitteln der sogenannten Ertüchtigungsinitiative finanzierte Lieferungen der Industrie.