Die Präsidentschaftswahlen in Russland stehen unmittelbar bevor, am Wochenende werden die Menschen im Land an die Wahlurnen zitiert. Wladimir Putin tritt erneut als Präsidentschaftskandidat an.
Doch die Wahlen gelten als bloße Inszenierung, der Sieg des amtierenden Präsidenten Putin ist gesichert. Kritische Stimmen werden massiv unterdrückt. Doch die Opposition hält nicht still und plant eine groß angelegte Aktion für die Wahlen am 17. März. Watson beleuchtet die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Scheinwahlen in Russland.
Erstmals in der Geschichte des Landes finden die Präsidentschaftswahlen in Russland über drei Tage statt: vom 15. bis 17. März. An diesem Wochenende beschäftigt die Menschen im Land also vor allem eine große Inszenierung der Scheinwahl: Denn der Sieg des Präsidenten Wladimir Putin gilt als gesichert. Auch bei seiner fünften Teilnahme wurden keine ernsthaften Gegenkandidat:innen zugelassen.
Dass Putin überhaupt weiterregieren darf, ist nur möglich, weil er eigens dafür die Verfassung ändern lassen hatte. Nach der aktuellen Version kann der Kreml-Machthaber 2030 das letzte Mal zu den Präsidentschaftswahlen antreten. Demnach könnte er bis 2036 an der Spitze bleiben.
Die Präsidentschaftswahlen in Russland gelten international als sorgfältig manipuliert und völlig undemokratisch. Auch dieses Mal finden die Präsidentschaftswahlen ohne OSZE-Wahlbeobachtung statt. Das ist eine Gruppe unabhängiger internationaler Beobachter:innen, die den Wahlprozess begleiten, um ihn unter Berücksichtigung internationaler Standards sowie der Gesetzgebung des Gastlandes kritisch zu bewerten. Das erste Mal hatte die OSZE die Russland-Wahlen 1996 begleitet. Damit ist jedoch bereits seit 2021 Schluss, auch bei den Präsidentschaftswahlen am Wochenende sind die Wahlbeobachter:innen nicht erwünscht.
Erstmals wird in diesem Jahr in 29 Gebieten elektronisch abgestimmt. Dies öffnet Tür und Tor für Wahlfälschungen. Zusätzlich werden nicht nur die 110 Millionen wahlberechtigten Bürger:innen Russlands zur Teilnahme gezwungen, sondern auch Bewohner:innen der vier von Russland teil-okkupierten Gebiete in der Ukraine: Luhansk, Donetsk, Saporishja und Cherson. Der Wahlprozess in diesen Gebieten begann bereits drei Wochen vor den eigentlichen Wahlen, um Druck auszuüben und sicherzustellen, dass alle teilnehmen.
Zudem gibt es massive Einschränkungen in der Meinungs- und Informationsfreiheit in Russland. Unabhängige Medien warnen vor erheblichen Internet-Einschränkungen während und möglicherweise auch nach der Wahl.
Alle ernsthaften Gegenkandidaten und -kandidatinnen wurden unter vorgeschobenen Gründen vorab von der Zentralen Wahlkommission abgelehnt. Die Behörden schlossen etwa den Oppositionspolitiker und Kritiker des Krieges, Boris Nadeschdin, aufgrund angeblich fehlerhafter Unterlagen von der Wahl aus. Nadeschdins Unterstützer, darunter der liberale Putin-Gegner Boris Nemzow, der 2015 in der Nähe des Kremls ermordet wurde, erlitten einen schweren Rückschlag.
Alexej Nawalny verstarb im Februar während seiner Inhaftierung in Sibirien. Der Söldnerführer Jewgeni Prigoschin, dessen Aufstand im Juni Umsturzerwartungen schürte, kam im August bei einem Flugzeugabsturz zusammen mit mehreren Anhängern ums Leben. Der ehemalige Milizenführer Igor Girkin, auch bekannt als Strelkow, verbüßt derzeit eine Haftstrafe.
Die drei verbliebenen Mitbewerber unterstützen entweder offen Putin oder sind klar auf der Linie des Kremls. Doch sie haben kaum eine realistische Chance auf Erfolg. Als Präsidentschaftskandidaten registriert sind Wladimir Putin für die Regierungspartei "Einiges Russland", Nikolai Charitonow für die Kommunistische Partei, Leonid Sluzki von der rechtsextremen LDPR und Wladislaw Dawenkow von der konservativen Partei "Neue Leute".
Die Wahlen sind für Russland und den Präsidenten Wladimir Putin von großer Bedeutung. Allerdings aus ganz anderen Gründen als in einer echten Demokratie, wie die Politologin Jekaterina Schulmann erklärt. Sie hat Russland verlassen und forscht nun am Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin.
Ihr zufolge spielen Wahlen eine entscheidende Rolle als formale Legitimation politischer Macht, wie sie das Vorgehen dem MDR schildert. In autoritären Regimen dienten Wahlen nicht der demokratischen Partizipation, stattdessen seien sie das einzige formale Verfahren, das die politische Macht legitimiere.
Der unabhängige Politologe Alexander Kynew teilt die gleiche Auffassung und betont beim MDR, dass Wladimir Putin als sogenannter "Legalist" gilt. Dies bedeutet, dass er großen Wert auf die Einhaltung formaler Rechtsvorschriften lege. Kynew erklärt, dass der Kreml nach dem Prinzip handelt: "Alles für meine Freunde, das Gesetz für meine Feinde".
Selbst wenn Putin den Wunsch hätte, die Wahlen abzusagen, wäre dies laut Kynew nicht möglich. Er argumentiert, dass eine solche Erklärung seitens des Kremls im Gegenzug Gewaltakte gegen die Machthaber rechtfertigen würde. Daher sei es unerlässlich, dass scheinbar legale Verfahren eingehalten werden.
Jekaterina Schulmann erläutert, dass die Präsidentschaftswahlen in Russland sowohl die Bürger im Inland als auch Beobachter aus dem Ausland überzeugen sollen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung hinter Putin steht. Die Wahlergebnisse werden als Ausdruck des Volkswillens präsentiert.
Jekaterina Schulmann beschreibt, dass Wahlen als eine Art "volkstümliches Fest, ein Festival der Gaben" inszeniert werden müssen. Anschließend müsse die Gesellschaft dazu gebracht werden, das Ergebnis der Wahlen zu akzeptieren. Schulmann erklärt: "Es geht darum, dass die Gesellschaft sagt: 'Vielleicht hat Putin nicht 80 Prozent, aber sicherlich mehr als die Hälfte der Stimmen erhalten."
In der Regel versucht der Kreml, unangenehme und beunruhigende Nachrichten während der Vorwahlzeit zu vermeiden. Dennoch ist es mitten im Wahlkampf zu einem pikanten Vorfall gekommen: Der bekannteste Oppositionspolitiker des Landes, Alexej Nawalny, ist mutmaßlich im Gefängnis getötet worden.
Schulmann erklärt das damit, dass Nawalny lebend als größere Gefahr für das Regime betrachtet wurde. Nach Meinung von Wolfgang Mueller, Professor für Russische Geschichte an der Universität Wien, hat sich Putin jedoch einen anderen Effekt durch Nawalnys Tod erhofft: Demnach wurde erwartet, dass dieser dessen Anhängerschaft demoralisieren würde.
Hinzu kamen massive Überwachungs- und Einschüchterungsmaßnahmen der Behörden. "Trotzdem kamen Tausende zum Grab, das von einem wahren Blumenberg überschüttet ist. Der Amtsinhaber mag davon profitieren, dass für ihr das Kapitel Nawalny abgeschlossen ist. Eine Demoralisierung von dessen Anhängerschaft ist aber derzeit nicht erkennbar", sagt er im Wissenschaftsmagazin der Universität Wien.
Julija Nawalnaja, die Witwe Nawalnys, hat für den Wahltag am 17. März zu einer groß angelegten Aktion gegen den Machthaber Wladimir Putin aufgerufen. "Wir müssen den Wahltag nutzen, um zu zeigen, dass wir hier sind und dass wir viele sind", sagte sie in einem kürzlich auf Youtube veröffentlichten Video. Die Protestaktion soll eine Überlastung der Wahllokale herbeiführen.
Konkret sagt sie in dem Video: "Wir müssen am selben Tag zur selben Zeit zum Wahllokal gehen: 17. März um 12.00 Uhr." Die Wähler:innen könnten dann "für jeden Kandidaten außer Putin" abstimmen. Oder: "Sie können ihren Wahlzettel ungültig machen. Sie können in großen Buchstaben 'Nawalny' schreiben", sagt Nawalnaja.
(Mit Material von dpa und afp)