"Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluss genommen", sagte Scholz zu Beginn der Anhörung des Untersuchungsausschusses. "Es hat keine Beeinflussung des Steuerverfahrens durch die Politik gegeben." Scholz kritisiert, dass die Vorwürfe gegen ihn falsche Mutmaßungen seien. Er habe kein Detailwissen zu dem fraglichen Steuerverfahren in der Finanzverwaltung, damals in seiner Zeit als Bürgermeister und Finanzminister.
Scholz muss sich bereits zum zweiten Mal den Fragen der Hamburger Ausschussmitglieder zum Cum-Ex-Skandal stellen. Sie untersuchen, ob er oder andere führende SPD-Politiker Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank genommen haben. Die Bank hatte Steuern in Millionenhöhe wegen Cum-Ex-Geschäften nicht zurückzahlen müssen.
Seit Jahren spricht ganz Deutschland über diese Cum-Ex-Geschäfte. Aber was ist das eigentlich und warum gelten sie als der größte Steuerraub in der deutschen Geschichte?
Cum und Ex stehen bei Börsengeschäften für Aktien mit (cum) und für Aktien ohne (ex) Dividende. Aktien-Unternehmen, die Gewinne erwirtschaften, zahlen ihren Aktionär:innen einen Teil des Erfolgs als Dividende aus. Zu einem Stichtag (Dividendenstichtag) werden dafür Steuern erhoben.
Am Cum-Ex-Skandal beteiligte Unternehmen, Banken und Personen haben Steuern zurückerstattet bekommen, die sie nie bezahlt haben – beziehungsweise haben sie Steuern mehrfach zurückgezahlt bekommen. Aber wie ist das möglich?
Zum Dividendenstichtag werden auf Aktien-Geschäfte Kapitalertragsteuer erhoben. Die können teilweise zurückerstattet werden. Beim Cum-Ex-Geschäftsmodell haben die Akteur:innen Aktien untereinander hin und her geschoben – ein Akteur zahlte Steuern, ließ sich diese zurückerstatten, die anderen Akteur:innen haben ebenfalls Steuern zurückerstattet bekommen, obwohl sie gar keine Steuern gezahlt hatten. So ist dem Staat ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden.
Die Cum-Ex-Praxis ist illegal, da die handelnden Personen Steuern hinterziehen. Das hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom Juli 2021 bestätigt. Im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafverfahren wurde ein Angeklagter im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.
Der Verein Finanzwende e.V. bezeichnet den Cum-Ex-Skandal als größten Steuerraub der deutschen Geschichte. Dabei sollen mindestens zehn Milliarden Euro Steuern hinterzogen worden seien. Teilweise konnten Finanzbeamt:innen das Geld zurückholen. Allerdings stehen diese unter zeitlichem Druck, bevor die Vergehen verjähren.
Hamburg verzichtet gar auf die Rückzahlung von 47 Millionen Euro. Unter anderem deshalb verhandelt der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft, vor dem Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag aussagen musste.
Auf Anfrage von watson sagt Gerhard Schick, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen und Vorsitzender des Vereins Finanzwende, dazu: "Ohne Transparenz wird es immer wieder neue Veröffentlichungen geben, die wohl auch Olaf Scholz in Zugzwang bringen werden." Schick fügt an, dass weitere Zeugen auspacken könnten, wenn es an ihren eigenen Kragen geht.
Schick sagt:
Eine genaue Zahl der beteiligten Institute kann der Finanzexperte Schick auf watson-Anfrage nicht nennen: "Es gab viele Akteure, die in unterschiedlichen Rollen an Cum-Ex beteiligt waren. Eine genaue Zahl der beteiligten Institute gibt es nicht, aber es ist ein großer Teil der Bankenlandschaft." Mittlerweile werde gegen mehr als 1400 Personen ermittelt. Sein Verein fordert über eine Unterschriftenaktion Kanzler Scholz dazu auf, Transparenz zu schaffen.
(Mit Material von afp)