Vier Tage und vier Nächte haben die EU-Staats- und Regierungschefs über ein beispielloses Finanzpaket von 1,8 Billionen Euro verhandelt. Besonders der Aufbau-Fonds gegen den Wirtschaftseinbruch wegen der Corona-Krise sorgte für Streit. Aber auch beim nächsten Sieben-Jahres-Finanzrahmen der EU mussten Konflikte gelöst und viele Wünsche erfüllt werden.
Wir erklären dir, was der Brüsseler EU-Gipfel beschlossen hat.
Wegen der Corona-Krise und dem dramatischen Wirtschaftseinbruch beschloss der EU-Gipfel einen Sonderfonds von 750 Milliarden Euro für besonders notleidende Staaten.
70 Prozent davon sollen 2021 und 2022 ausgegeben werden, 30 Prozent sind für 2023 reserviert. Die Verteilung richtet sich vor allem danach, wie stark die Wirtschaft in den Jahren 2020 und 2021 einbricht. 2022 werden die Zahlungen für 2023 noch einmal überprüft.
Daneben beschloss die EU den normalen Haushaltsrahmen der Union von 2021 bis 2027. Dieser soll ein Volumen von 1,074 Billionen Euro haben. Weil Großbritannien aus der EU ausgeschieden ist, muss die Lücke der britischen Beitragszahlungen ausgeglichen werden. Deshalb steigen die Zahlungen vor allem der Nettozahler wie Deutschland in den kommenden Jahren stark an. Nach dem Wegfall des britischen Rabatts musste das komplette Rabattsystem in der EU neu ausverhandelt werden. Die EU hält am Rabattsystem fest – allerdings steigen die für Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark sehr viel stärker als für Deutschland – das damit weniger entlastet wird.
Die betroffenen Staaten sollen selbst Pläne für die Verwendung vorlegen, die die EU-Kommission dann innerhalb von zwei Monaten prüft.
Der Klimaschutz spielt eine ziemlich große Rolle in dem Billionen-Paket aus Wiederaufbaufonds und EU-Haushalt, auf das sich die 27 Staats- und Regierungschefs geeinigt haben. Man merkt das schon beim Drüberlesen: Auf den 67 Seiten des englischen Abschlussdokuments kommt das Wort "climate" 29-mal vor.
Vor allem aber ist viel Geld für Klimaschutz vorgesehen – und zwar mehr als die 25 Prozent der Gesamtsumme, die die Europäische Kommission ursprünglich vorgeschlagen hatte. Kurz gesagt: Mindestens 30 Prozent der EU-Gesamtausgaben – sowohl des Sonderfonds als auch des EU-Haushaltsrahmens der Jahre 2021 bis 2027 – sollen für Klimaschutz ausgegeben werden. Von allen Maßnahmen der EU sollen also 30 Prozent in Investitionen in den Klimaschutz gehen – etwa in Gebäudeisolation, in öffentlichen Verkehr, in die Elektrifizierung von Fahrzeugen und in erneuerbare Energien. Im Agrarbereich des EU-Haushaltsrahmens sollen sogar 40 Prozent der Ausgaben in Klimaschutz fließen
Das Ziel des Ganzen: bis 2050 soll die EU klimaneutral werden, es soll nicht mehr Treibhausgas in die Atmosphäre geblasen werden, als aus ihr herausgeholt wird. In dem Abschlussdokument steht auch: Bis Ende 2020 soll sich die EU auf neue Klimaschutzziele für die Jahre bis 2030 einigen. Und: "grundsätzlich sollen alle Ausgaben der EU vereinbar mit den Zielen des globalen Pariser Klimaschutzabkommens sein".
Das Climate Action Network Europe (CAN Europe), ein Netzwerk aus über 1.500 Klimaschutz-NGOs in Europa, bewertet das Billionen-Paket der EU grundsätzlich sehr positiv: In einer Erklärung des CAN Europe wird vor allem gelobt, dass der Klimaschutzanteil bei den Ausgaben auf 30 Prozent gestiegen ist. Das sei eine "Win-win-Situation" für alle EU-Mitgliedsstaaten, heißt es. Was CAN Europe kritisiert: Subventionen für fossile Energieträger sind nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Markus Trilling, Koordinator für Finanzpolitik bei CAN Europe, appelliert deshalb an die nationalen Regierungen in der EU: "Die Staats- und Regierungschefs müssen jetzt das volle Potenzial des EU-Gelds für eine deutlich ambitioniertere Klimaschutzpolitik nutzen und die Förderung fossiler Brennstoffe ausschließen."
Die Verknüpfung der EU-Zahlungen an die Rechtsstaatlichkeit war eines der Streitthemen – das nun teilweise vertagt wird. Der Beschluss beschränkt sich jetzt auf zwei Elemente: Zum einen wird betont, dass die finanziellen Interessen der EU gewahrt werden müssen und rechtsstaatliche Regeln wichtig sind. Zum anderen wird die Kommission beauftragt, ein Konzept vorzulegen, wie ein "Regime an Konditionen für den Schutz des Budgets" eingeführt werden kann.
Der EU-Rat soll Maßnahmen bei einem Bruch dieser Regeln dann mit einer qualifizierten Mehrheit beschließen – dies dürfte erneut heftige Debatte auslösen. Da aber keine Einstimmigkeit bei dieser Entscheidung nötig ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Rechtsstaatsverstöße dann auch sanktioniert werden können.
(se/om/mit Material von afp und reuters)