So sehen Wahlsieger aus: Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden.Bild: imago images / UPI Photo
watson antwortet
US-Präsident Trump hat internationale Verträge gekündigt, Verbündete verprellt und den Vorteil des eigenen Landes zur Maxime gemacht. Unter seinem Nachfolger Joe Biden wird ein radikaler Kurswechsel erwartet. Alles wird der Demokrat aber nicht anders machen.
Vier Jahre lang hat US-Präsident Donald Trump
mit seinem "America first" die Weltordnung durcheinandergewirbelt.
Nun wird er im Januar von Joe Biden abgelöst. Viele
Verbündete erhoffen sich von dem 77-Jährigen einen radikalen
Kurswechsel: eine US-Außenpolitik, die wieder auf internationale
Verträge setzt und auf Zusammenarbeit statt Twitter-Tiraden,
wirtschaftlichen Druck und Sanktionen.
Biden sagte noch vor der Wahl: "Das Erste, was ich tun muss, und ich
scherze nicht: Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs
telefonieren und sagen, dass Amerika zurück ist, Sie können auf uns
zählen." Allerdings wird er wohl auch nicht alles anders machen als
sein Vorgänger.
Bild: watson
Das würde ein Machtwechsel im Weißen Haus bedeuten für...
Deutschland
Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist auf einen Tiefpunkt
abgesackt. Trump hat den Nato-Verbündeten und wichtigen
Wirtschaftspartner Deutschland in erster Linie als Kontrahenten
betrachtet. Die Bundesregierung wartet nun sehnsüchtig auf einen
Neuanfang. Außenminister Heiko Maas spricht schon von einem "New
Deal". Dass mit einem Wechsel im Weißen Haus wieder alles gut wird,
glaubt aber kaum jemand in Berlin.
Auch Biden wird auf eine Erhöhung der deutschen
Verteidigungsausgaben dringen und wahrscheinlich auch weiter
versuchen, die Ostseepipeline Nord Stream 2 zwischen Deutschland und
Russland auszuhebeln. Der von Trump angekündigte Abzug von einem
Drittel der 36.000 stationierten US-Soldaten wird wohl ebenfalls nicht wieder
ganz rückgängig gemacht.
Eins wird sich aber auf jeden Fall ändern: der Umgang miteinander.
Gut möglich, dass Biden sehr bald nach einer Vereidigung im Januar
Europa – und dann auch Deutschland – besucht. Trump war kein
einziges Mal in Berlin.
Europa
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hielt sich vor der Wahl
vornehm zurück mit Sympathiebekundungen für den Kandidaten Biden.
Aber sie beschrieb vorige Woche ziemlich exakt, was sie sich von
einem US-Präsidenten in den nächsten vier Jahren wünscht: mehr
Engagement für das regelbasierte multilaterale System, mehr
Zusammenarbeit beim Klimaschutz und "zur Verteidigung unserer Werte".
Also alles, wo Trump nicht mitzog. Stattdessen klagte er, die EU sei
nur gegründet worden, um die USA auszunutzen.
Biden will eine "respektierte Führungsrolle auf der Weltbühne"
einnehmen. Er bekennt sich zu enger Abstimmung mit Bündnispartnern,
wie es im "Biden-Plan zur Führung der demokratischen Welt" heißt.
Enttäuscht werden jene sein, die voll auf Trump setzten wie der
Ungar Viktor Orban und der britische Premier Boris Johnson. Im
Biden-Plan heißt es: "Zusammen können und müssen sich Demokratien
gegen den Aufschwung von Populisten, Nationalisten und Demagogen
stellen."
Welthandel
Der schwierigste Punkt mit Trump war für die EU der ständige
Handelsstreit. Die USA verhängten Strafzölle, die EU reagierte mit
ähnlichen Maßnahmen. Trumps Drohung mit Autozöllen marterte
insbesondere die deutschen Hersteller. Dass der Konflikt ganz
verfliegt, ist unwahrscheinlich. So rechnet niemand damit, dass Biden
die US-Sonderzölle auf Importe aus Europa einfach aufhebt – weder die
gegen Airbus wegen regelwidriger Subventionen noch die Zölle auf
Stahl- und Aluminiumimporte. Auch Biden will, dass Amerikaner mehr
amerikanische Waren konsumieren.
"Als Präsident werde ich erst dann neue Handelsabkommen schließen,
wenn wir in die amerikanischen Bürger investiert und sie für den
Erfolg in der Weltwirtschaft gerüstet haben", versprach er im
Wahlkampf. Die Aussichten für die dringend notwendige Reform der
Welthandelsorganisation WTO sind ebenfalls trübe – weil dafür zuerst
die Streitigkeiten mit der EU und China beigelegt werden müssten.
NATO
Es kann nur besser werden: Mit diesem Satz lässt sich zusammenfassen,
was der Machtwechsel für die Nato bedeutet. Für das
Verteidigungsbündnis waren die Trump-Jahre eine Schreckenszeit. Ohne
Rücksicht auf die Folgen hatte er mehrfach Zweifel daran geweckt, ob
die USA im Ernstfall ihrer Verpflichtung zum militärischen Beistand
nachkommen würden. Hinzu kamen die nicht abgesprochene Ankündigung
eines Rückzugs von US-Truppen aus Deutschland und andere Alleingänge.
Zum Entsetzen der Alliierten drohte Trump sogar mit dem Austritt.
Mit Biden sind die Existenzsorgen vorbei. Der Demokrat gilt als
überzeugter Transatlantiker. Die Nato bezeichnet er als "wichtigstes
Bündnis in der Geschichte der Vereinigten Staaten". Trotzdem gilt als
wahrscheinlich, dass er an der Forderung nach höheren
Verteidigungsausgaben der Verbündeten festhält.
Weltordnung
Biden will ausdrücklich weg von Trumps erratischen Alleingängen und
zurück an den Konferenztisch. Er hat zum Beispiel einen "Globalen
Gipfel für Demokratie" angekündigt. Vor allem aber will er in
wichtige internationale Abkommen zurück. Zu allererst ins Pariser
Klimaabkommen, das die USA an diesem Mittwoch auf Trumps Wunsch
verließen. Biden will eine klimaneutrale USA bis 2050. Damit ist er
auf einer Wellenlänge mit der EU.
Auch das von Trump verworfene Abkommen zur Verhinderung einer
iranischen Atombombe soll gerettet werden. Wenn sich der Iran an alle
Klauseln hält, will Biden wieder beitreten und es mit "hartnäckiger
Diplomatie und Unterstützung der Partner stärken und ausweiten".
China und Russland
Auf den erbitterten wirtschaftlichen Konkurrenzkampf mit China und
die schwierigen Beziehungen zu Russland wird ein neuer US-Präsident
keine großen Auswirkungen haben. "Ich denke, die größte Bedrohung für
Amerika ist aktuell Russland, was Angriffe auf unsere Sicherheit und
die Spaltung unserer Allianzen angeht", sagt Biden. "Zweitens denke
ich, dass China unser größter Wettbewerber ist."
Wie Trump hat Biden China immer wieder unfaire Subventionen, den
Diebstahl geistigen Eigentums und Cyber-Angriffe vorgeworfen. Zur
Politik Moskaus sagte er: "Wir müssen Russland für seine Verstöße
gegen internationale Normen echte Kosten auferlegen und uns an die
Seite der russischen Zivilgesellschaft stellen, die sich immer wieder
mutig gegen das kleptokratische autoritäre System von Präsident
Wladimir Putin erhoben hat." Doch will er das letzte große
Abrüstungsabkommen mit Russland erhalten: den New-Start-Vertrag, der
ohne Einigung mit Moskau nächstes Jahr ausläuft.
(vdv/dpa)
Am Ende haben nicht Abtreibungen, der Klimawandel oder die Außenpolitik die US-Präsidentschaftswahl entschieden. Wichtigstes Thema waren die Inflation und die Preise. Für 34 Prozent der republikanischen Wähler:innen war es laut einer Umfrage von YouGov ausschlaggebend für die Wahlentscheidung.