
Laut eigenen Angaben mit dem Coronavirus infiziert: Donald und Melania Trump.Bild: imago images / ZUMA Wire
watson antwortet
02.10.2020, 12:4502.10.2020, 12:48
Ein ohnehin dramatischer US-Wahlkampf wird
nochmal unübersichtlicher – nur einen Monat vor dem Urnengang der
gespaltenen Supermacht. US-Präsident Donald Trump ist mit dem
Coronavirus infiziert. Je nachdem, wie der Gesundheitszustand des
Präsidenten sich in den kommenden Tagen entwickelt, sind gravierende
Szenarien denkbar. Aber schon jetzt ist klar, dass die Infektion
Folgen haben wird.
Trumps Leibarzt Sean Conley erklärte, am Donnerstagabend habe er
das positive Testergebnis erhalten. Donald und Melania Trump gehe es
gut – ob das bedeutet, dass sie keinerlei Symptome einer
Covid-19-Erkrankung haben, blieb offen. Auf Twitter schrieben
US-Journalisten, dass sie während seines Interviews am Abend schon
etwas Verändertes an seiner Stimme haben hören wollen. "Seien Sie
versichert, dass ich erwarte, dass der Präsident während der Genesung
weiterhin ohne Unterbrechung seinen Pflichten nachkommen wird",
schrieb Conley. Der Präsident und die First Lady wollen demnach im
Weißen Haus bleiben. Trump äußerte sich optimistisch: "Wir werden das
GEMEINSAM durchstehen", schrieb er auf Twitter.

Bild: watson
Was ist über Trumps Gesundheitszustand bekannt?
Trump ist 74 Jahre alt. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts
(RKI) steigt bei Coronavirus-Infektionen das Risiko einer schweren
Erkrankung ab 50 bis 60 Jahren stetig mit dem Alter an. Als weitere
Risikofaktoren gelten Vorerkrankungen wie etwa
Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Zu Trumps generellem
Zustand wird einmal im Jahr ein Gesundheitscheck veröffentlicht – dies ist bei US-Präsidenten üblich. Trump-Arzt Conley schrieb in
seinem jüngsten Bericht Anfang Juni, der Präsident sei weiterhin
gesund. Trump wog damals gut 110 Kilogramm. Mit seiner Körpergröße
von etwa 1,90 Metern lag Trump bei der Berechnung des Body-Mass-Index
damit weiter ganz knapp oberhalb der Schwelle von 30, ab der man in
der Statistik als fettleibig gilt.
Was passiert, wenn ein Präsident ausfällt?
Die Vertretungsregelung für einen vorübergehend nicht
geschäftsfähigen US-Präsidenten wurde erst in den 1960er Jahren
formalisiert. Im 25. Zusatz zur US-Verfassung, 1967 von Präsident
Lyndon B. Johnson unterzeichnet, ist unter anderem festgehalten, dass
die Geschäfte vom Amtsinhaber dem Vize-Präsidenten übergeben werden
können – für einen bestimmten Zeitraum, oder bis auf Widerruf.
Sollte
ein Präsident nicht willens oder in der Lage sein, seinen Ausfall
selbst zu regeln, können der Vize-Präsident und eine Mehrheit der
Kabinettsmitglieder dem Kongress anzeigen, dass der Vize die
Amtsgeschäfte übernimmt. Dies ist allerdings seit Inkrafttreten des
Amendments noch nicht vorgekommen.
Der Verfassungszusatz regelt auch die Nachfolge für den Fall des
Todes, Rücktritts oder einer Amtsenthebung: Dann hätte der bisherige
Vize-Präsident alle Vollmachten – in Trumps Fall also Mike Pence.
Falls auch Pence ausfiele, wäre die Sprecherin des
Repräsentantenhauses am Zug, die Demokratin Nancy Pelosi.
Was bedeutet Trumps Infektion für den Wahlkampf?
Der Präsident und die First Lady sind im Weißen Haus in
Quarantäne. Vorerst gibt es also keine öffentlichen Termine mehr. Das
wirft 32 Tage vor der Wahl und 13 Tage vor der nächsten TV-Debatte
die gesamte Dynamik um. Wie es mit dem Wahlkampf weitergeht: offen.
Ganz zu schweigen davon, was wäre, falls Trump tatsächlich ernsthaft
erkranken sollte.
Aber auch falls Trump die Infektion ohne gesundheitliche
Beeinträchtigungen übersteht, dürfte dies Auswirkungen haben.
Womöglich richtet sich nun – mehr noch als sonst – alle
Aufmerksamkeit auf den Republikaner, während dieser nicht öffentlich
Rede und Antwort stehen muss. Für die Demokraten eine unerwartete
Situation, die zum Umplanen zwingt.
Andererseits dürften Kritiker sich bestätigt fühlen, die Trump
vorwerfen, das Virus stets heruntergespielt zu haben. Ein
Wahlkampf-Trumpf des Trump-Lagers ist die vom Präsidenten angestrebte
schnelle Nachbesetzung eines Richterposten am höchsten US-Gericht,
dem mächtigen Supreme Court – Trumps Infektion könnte nun dafür
sorgen, dass diese brisante Personalie nicht ganz so stark die
Schlagzeilen bestimmt wie erwartet.
Kurz: Es ist noch unklar, ob die Infektion Trump letztlich
schadet oder er womöglich sogar profitiert. Auf Twitter wurde
umgehend und wild über ein Wahlkampfmanöver spekuliert, ohne dass es
dafür den geringsten Beweis gibt - auch ein Symptom für die gereizte
Stimmungslage.
Könnte der Wahltermin verschoben werden?
Die Hürden für eine Verschiebung sind extrem hoch, weil der
Termin seit 1845 gesetzlich festgeschrieben ist. Nötig wäre eine
Änderung durch den Kongress, die noch dazu vor Gerichten angefochten
werden könnte. Im Kongress wird das Repräsentantenhaus von den
Demokraten kontrolliert. Zudem wären auf diesem Weg nur einige Wochen
zu gewinnen, denn der weitere Zeitplan ist in der Verfassung
festgeschrieben und damit noch starrer. Der Starttermin für den neuen
Kongress ist demnach der 3. Januar, der Amtsantritt des neuen
Präsidenten am 20. Januar. Die Frage hatte in diesem Jahr schon eine
Rolle gespielt: Der Präsident hatte im Juli eine Verschiebung ins
Gespräch gebracht, bevor er sich wieder von der Idee distanzierte.
Wie hat Trump sich bislang in der Corona-Krise verhalten?
Trump trägt in der Öffentlichkeit meistens keine Maske und hat
sich mehrfach abfällig über das Masken-Tragen seinen Herausforderer
Joe Biden geäußert – zuletzt am Dienstag. Trump und das Weiße Haus
führten als Begründung stets an, der Präsident und sein Umfeld würden
regelmäßig auf das Coronavirus getestet.
Der politische Kurs des Präsidenten in der Krise steht scharf in
der Kritik. Die Pandemie wütet in den USA besonders heftig, mehr als
200.000 Menschen in dem Land sind bereits im Zusammenhang mit
Sars-CoV-2 gestorben. Doch der Präsident fiel vor allem damit auf,
China, die Weltgesundheitsorganisation oder demokratische
US-Gouverneure Verantwortung zuzuschieben - und schnell das
Wiederöffnen der Wirtschaft in den Vordergrund zu rücken.
In einem Interview des Investigativreporters Bob Woodward räumte
er ein, die Gefahr durch das Virus heruntergespielt zu haben. Der
Präsident führte zu seiner Verteidigung an, keine Panik in der
Bevölkerung auslösen zu wollen. Trump selbst betonte aber jüngst,
ohne das Krisenmanagement seiner Regierung hätten die USA "zwei
Millionen, zweieinhalb Millionen und drei Millionen" Tote zu
beklagen.
Wie geht es Joe Biden?
Biden (77), tritt als Gegenentwurf zu Trump an. Der einstige Vize
von Trump-Vorgänger Barack Obama hatte sich wegen der Corona-Krise
mit Vor-Ort-Auftritten demonstrativ zurückgehalten und trägt in der
Öffentlichkeit auch stets eine Maske. Trump hat ihn dafür schon
verspottet und dies als Zeichen von Schwäche dargestellt. "Wenn ich
ein Psychiater wäre, würde ich sagen, der Junge hat eine Menge
Probleme", sagte Trump.
Allerdings haben mehrere Umfragen gezeigt, dass die meisten
US-Wähler dem früheren Vizepräsidenten Biden eher als Trump zutrauen,
die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Es wird interessant zu
sehen, wie Biden nun auf die Infektion Trumps reagiert. Ob Biden in
den jüngsten Tagen auf das Coronavirus getestet wurde, war zunächst
nicht bekannt. Am Dienstag war er bei der ersten TV-Debatte auf
Präsident Trump getroffen.
Welche Spitzenpolitiker hatten schon Corona?
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson (56) war bereits zu
Beginn der Pandemie im Frühjahr an Covid-19 erkrankt und musste
zeitweise sogar auf der Intensivstation behandelt werden. Ähnlich wie
Trump nahm es Johnson zu Beginn mit der Corona-Disziplin nicht so
genau: "Ich schüttle weiterhin die Hand", ließ er im Frühjahr
verlauten. Doch seine schwere Erkrankung läuterte den Briten: "Ich
kann ihnen nicht genug danken", sagte er kurz nach seiner Entlassung
von der Intensivstation über seine Ärzte und Pfleger. "Ich verdanke
ihnen mein Leben."
Und dann gab es noch die Situation in Brasilien, die gewisse
Parallelen zu der in den USA aufweist: Schlechtes Krisenmanagement,
Zehntausende Tote und dann der Präsident selbst infiziert. Der rechte
Präsident Jair Bolsonaro hat innenpolitischen Spannungen angeheizt,
war dann selbst infiziert und hatte Corona verharmlost ("kleine
Grippe"). Seine Umfragewerte waren danach so gut wie lange
nicht.
(vdv/dpa)
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