Vor knapp 77 Jahren warfen die USA über den japanischen Großstädten Hiroshima und Nagasaki zwei Atombomben ab. Am 6. (Hiroshima) und am 9. August (Nagasaki) 1945. Knapp 200.000 Menschen starben. Hunderttausende Überlebende hatten mit Spätfolgen zu kämpfen: Krebs zum Beispiel, ausgelöst durch die Strahlung.
Es blieben bis heute die einzigen Einsätze von Nuklearsprengkörpern im Kampf.
Doch auch heute noch gibt es rund 13.000 Nuklearwaffen, von denen geschätzt bis zu 4000 einsatzbereit sind. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung sind rund 90 Prozent der Atomsprengköpfe im Besitz der beiden Großmächte Russland und USA. In der aktuellen Situation ist die Wahrscheinlichkeit der Abrüstung weiter gesunken. Schon zu Kriegsbeginn stieg die Sorge, der russische Präsident Wladimir Putin könne den sogenannten roten Knopf drücken und eine Atombombe auf die Ukraine werfen.
Anfang August startet in den USA die Atomwaffenkonferenz. Dort wird über die weltweite Abrüstung gesprochen – und der Atomwaffensperrvertrag überprüft. Alle fünf Jahre ist eine Überprüfung der Vertragsziele vorgesehen. Eigentlich hätte die zehnte Überprüfungskonferenz bereits 2020 stattfinden sollen, wegen Corona fiel sie allerdings aus.
Was der Inhalt dieses Vertrages ist und warum Abrüstung als unwahrscheinlich gilt, klärt watson für euch.
1970, also mitten im Kalten Krieg, ist ein weltweites Rüstungsabkommen in Kraft getreten: Der Atomwaffensperrvertrag. Sein voller Name: "Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen". Ein Abrüstungsvertrag, den mittlerweile 191 Staaten unterschrieben haben. Er sieht vor, dass die Weiterverbreitung von Atomwaffen verhindert – und die Anzahl der Nuklearwaffen reduziert wird. Bis es irgendwann keine mehr gibt.
Inhalt des Vertrags ist, dass Staaten, die Atomwaffen besitzen, sie nicht an andere weitergeben. Die Staaten, ohne Atomwaffen wiederum verpflichteten sich, keine anzuschaffen. Die Atommächte sollten außerdem abrüsten – eben, damit es eines Tages keinerlei Atombomben mehr auf der Welt gibt. Trotzdem haben die Staaten beschlossen, für die zivile Nutzung von Kernkraft, zum Beispiel für die Erzeugung von Strom, zusammenzuarbeiten.
Trotz des Vertrages gibt es bis heute neun Atommächte – auf null abgerüstet wurde also nicht. Die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China sind im Atomwaffensperrvertrag auch als Atommächte anerkannt. Mittlerweile haben aber auch Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea Atomwaffen. Sie haben das Abkommen nicht unterzeichnet und gelten als sogenannte "de-facto"-Atommächte.
Es gibt einen Vertrag, der die Entwicklung und Testung, sowie den Besitz und die Produktion von Atomwaffen verbietet. Der Atomwaffenverbotsvertrag ist im Januar 2021 in Kraft getreten – unterschrieben wurde er von 86 Staaten; in Kraft gesetzt wurde er von 66 Staaten. Unter anderem von Irland, Malta und Österreich, sowie einer Vielzahl an afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Staaten.
Die Atommächte haben den Vertrag nicht unterschrieben. Die NATO-Mitglieder sind ihm ebenfalls nicht beigetreten. Auch Deutschland nicht. Auf eine kleine Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag ist die Antwort im Juni 2022:
Die Grünen setzten im Koalitionsvertrag allerdings durch, dass Deutschland entgegen der Nato-Linie als Beobachter an einer Vertragsstaatenkonferenz teilnimmt – zusammen mit Norwegen als einer von nur zwei Nato-Staaten. Das wurde im Juni auch so umgesetzt. Zudem setzt sich Deutschland in der sogenannten Stockholm Initiative zusammen mit 15 anderen Ländern für konkrete Abrüstungsschritte ein.
Der Abzug der Atomwaffen aus Deutschland ist angesichts der neuen Bedrohungslage in Europa kein aktuelles Thema. Er wurde im Wahlkampf 2021 noch von SPD und Grünen gefordert. Bis zu 20 US-Atombomben lagern nach wie vor auf dem Fliegerhorst Büchel in der rheinland-pfälzischen Eifel. Im Ernstfall sollen Kampfjets der Bundeswehr sie einsetzen.
Solange die Staaten, die es betrifft, den Atomwaffenverbotsvertrag nicht unterschreiben, hat er also wenig Auswirkungen auf die weltweit rund 13.000 Nuklearwaffen. Trotzdem ist er ein erster Schritt in eine atombombenfreie Zukunft, denn zumindest die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich so, nicht aufzurüsten.
Die Atommächte vertrauen auf das sogenannte Gleichgewicht des Schreckens. Bisher diente die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen zur Abschreckung. Denn im Falle eines Angriffes würde einer anderen Atommacht genug Zeit bleiben, ebenfalls eine Atombombe zu zünden. Diese mögliche nukleare Vergeltung ist die Grundlage der Abschreckungsstrategie.
Zu Beginn des russischen Angriffskrieges hatte Putin seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Hätte er eine Bombe gezündet, hätten andere Atommächte ebenfalls eine Bombe Richtung Kreml schicken können. Selbiges gilt auch jetzt.
Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb der russische Krieg in der Ukraine als Rückschlag für den Ausstieg gesehen werden kann: Russland ist eigentlich eine Schutzmacht der Ukraine. Im Budapester Memorandum haben Russland, die USA und Großbritannien der Ukraine, Belarus und Kasachstan Sicherheitsgarantien gegeben. Im Gegenzug traten diese Staaten dem Atomwaffensperrvertrag bei und entledigten sich ihrer eigenen Nuklearwaffen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) will trotz aller Kriege, Konflikte und Drohgebärden weiter für atomare Abrüstung kämpfen. "Auch wenn dieses Ziel in der aktuellen Weltlage noch so entfernt scheinen mag: Wir dürfen dieses Ziel nie aus den Augen verlieren, müssen hartnäckig dran bleiben, wenn es um seine Umsetzung geht", sagte sie vor ihrer Abreise zur Atomwaffen-Konferenz der Vereinten Nationen in New York.
Baerbock hatte bereits im Juli bei einem Besuch im japanischen Nagasaki trotz der angespannten Sicherheitslage für eine Welt ohne Atomwaffen geworben. Sie räumte dort aber auch ein, dass konkrete Schritte zur atomaren Abrüstung "in der derzeitigen Weltlage alles andere als einfach" seien.
Deutschland habe zusammen mit 15 weiteren Ländern 22 Vorschläge für nukleare Abrüstung gemacht. Wenn man in New York "auch nur einen Millimeter" vorankomme, sei das jede Anstrengung wert.
(Mit Material von dpa)