Rechte Demonstranten stürmten die Treppe des Reichstags. Bild: reuters / CHRISTIAN MANG
watson antwortet
31.08.2020, 19:2501.09.2020, 10:59
Mehrere Hundert Demonstranten, viele von ihnen
aus der Szene der sogenannten Reichsbürger, liefen mit Fahnen und zum
Teil auch mit Geschrei die Treppe zum Besuchereingang des Reichstags
hoch, wo nur ein paar Polizisten standen. Niemand wurde verletzt.
Trotzdem stellen sich die Fragen: Wie konnte das passieren – und war
es tatsächlich so dramatisch, wie es zunächst wirkte?
Bild: watson
Wie kam es zu der Panne bei der Bewachung des großen Baus?
Vor dem Reichstagsgebäude, dem Sitz des Bundestags, standen am
Samstagabend als Sicherheitsmaßnahme Absperrgitter und Polizisten.
Nach Darstellung der Polizei strömten gegen 19.00 Uhr viele
Demonstranten vom Brandenburger Tor zum Reichstag und dem Platz
davor. Die Polizei verlagerte sich zum Teil zu dieser Seite des
Gebäudes, um den Zustrom zu bremsen. Gleichzeitig rief laut Polizei
eine Frau auf der Bühne der Reichsbürger-Kundgebung direkt vor dem
Reichstag dazu auf, das Gebäude zu stürmen. 300 bis 400 Menschen
schoben daraufhin die Absperrgitter und Polizisten zur Seite und
liefen die Treppe hoch.
Hat die Polizei Fehler gemacht?
Zwar räumten weder Innensenator Andreas Geisel (SPD) noch die
Polizeipräsidentin am Montag konkrete Fehler ein. Und der
Einsatzleiter Stephan Katte sagte, es seien 250 Polizisten zum Schutz
des Reichstagsgebäudes abgestellt gewesen, das sei grundsätzlich
genug gewesen. Allerdings zeigte der Ablauf der Ereignisse, dass die
Polizei eine Zeit lang wohl zu wenig Leute hinter den Absperrgittern
hatte und überrumpelt wurde. Das deutet zumindest auf einen Fehler an
der Stelle hin. Ein Polizeisprecher hatte am Samstagabend von einer
"Lücke", die genutzt wurde, gesprochen. Nur wenige Minuten später
wurde die Treppe von herbeieilender Verstärkung zügig geräumt.
Um welche Demonstranten handelte es sich?
Überwiegend seien Menschen aus der Reichsbürgerszene beteiligt
gewesen, so die Polizei. Außerdem ein kleinerer Teil von
Demonstranten, "die sich selbst als Patrioten oder Bürgerwehr
bezeichnen". Die angemeldete Kundgebung vor dem Reichstag
veranstaltete der Verein Staatenlos, dem Reichsbürger angehören.
Dieser Verein sei bekannt und schon öfter bei Demonstrationen
aufgetreten, so die Polizei. Ein Aufruf zum Sturm des Reichstags
gehöre demnach zur üblichen und ständigen Propaganda dieser Szene.
Reichsbürger erkennen den deutschen Staat, seine Regierungen,
Parlamente und die Polizei nicht an und vertreten zum Teil
extremistische Ansichten.
Gegen wen und wegen welcher Delikte wird jetzt ermittelt?
Die Polizei ermittelt gegen die Demonstranten, die die Treppe
hochrannten. Es geht um den Verdacht des Landfriedensbruchs. Auch
gegen die Frau, die von der Bühne zum Besetzen der Treppe aufrief,
laufen Ermittlungen. Die Polizei kennt ihre Identität. Wie in einem
Video zu hören ist, forderte die Frau allerdings vor allem dazu auf,
sich friedlich auf die Treppe zu setzen. Von einer konkreten
Eroberung des Gebäudes ist nicht die Rede.
Die Heilpraktikerin war eine Mitauslöserin des Eklats. Sie rief die anderen Demonstranten dazu auf.
Wie viele Polizisten standen in den Minuten des Krawalls direkt vor der aufgebrachten Menge?
Auf Videos sind mindestens drei Polizisten zu sehen, die auf dem
oberen Absatz vor dem Eingang stehen. Sie arbeiten in einem
Polizeiabschnitt in der Berliner Innenstadt. Weitere Polizisten
standen in der Nähe. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von
insgesamt sieben Polizisten an der Stelle.
Wie dramatisch oder gefährlich war die Situation tatsächlich?
In manchen Videos vom Besetzen der Treppe ist zwar eine
aufgeheizte Stimmung festzustellen. Andere Aufnahmen vermitteln aber
eher den Eindruck eines abstrusen Happenings. Viele Menschen gehen
die Treppe eher gemäßigt hoch, nur die vorderen laufen.
Gewalttätigkeiten sind nicht zu sehen, die Situation wirkt nicht
wirklich bedrohlich. Laut Polizei ist auch nicht bekannt, dass
Gebäudeteile beschädigt wurden oder jemand versuchte, in das Haus
einzudringen. Zwei der drei Polizisten halten der Menge Schlagstöcke
entgegen. Angegriffen werden sie nicht.
Bild: reuters / CHRISTIAN MANG
War auch die Bundestagspolizei dort zuständig und eingebunden?
Der Bundestag hat eine eigene Polizei. Die Polizeigewalt in
diesem eigenen Polizeibezirk übt der Bundestagspräsident aus, wie im
Internet erläutert wird. Offiziell heißt sie Polizei beim Bundestag.
Die Zuständigkeit anderer Polizeibehörden werde damit im Bereich des
Bundestags ausgeschlossen, heißt es. Zu dem Bereich zählen Gebäude
und Grundstücke. Wie viele Polizisten dazu gehören, wurde am Montag
nicht verraten. Für den äußeren Schutz der Parlamentsgebäude gibt es
allerdings Absprachen mit der Berliner Polizei.
Warum darf überhaupt so dicht vor dem Reichstag demonstriert werden?
Früher gab es eine sogenannte Bannmeile um den Bundestag, in der
nicht demonstriert werden durfte – Ausnahmen waren aber möglich. Seit
1999 gibt es laut Datenhandbuch zur Geschichte des Bundestags "keine
Bannmeile mehr um das Parlament in Berlin, sondern einen befriedeten
Bezirk". Dem Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des
Bundes zufolge sind öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel
dort zwar grundsätzlich verboten - aber zuzulassen, "wenn eine
Beeinträchtigung der Tätigkeit des Deutschen Bundestages und seiner
Fraktionen" nicht zu erwarten ist. Davon ist demnach in der
sitzungsfreien Zeit des Parlaments in der Regel
auszugehen.
(hau/dpa)
Alexandria Ocasio-Cortez, auch oft nur AOC genannt, ist eine junge, aufstrebende Politikerin der Demokratischen Partei in den USA. Doch kaum eine Politikerin gerät auch so oft ins Kreuzfeuer der Republikaner. Sie ist jung, selbstbewusst und hat keine Scheu, ihre Meinung zu äußern.