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"Gefährliches Gebiet": Warum zehn Ex-Verteidigungsminister Angst vor Trump haben

December 12, 2020 - West Point, New York, USA - President Trump attends the 121st Army-Navy football game at Michie Stadium at the U.S. Military Academy at West Point. West Point USA - ZUMAz03_ 202012 ...
Präsident Donald Trump im vergangenen Dezember bei einem Football-Spiel zwischen Soldaten der US Army und der Marine im Stadium der Militarakademie in West Point im Bundesstaat New York. Bild: www.imago-images.de / White House
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"Gefährliches Gebiet": Warum zehn Ex-Verteidigungsminister Angst vor Trump haben

05.01.2021, 11:3006.01.2021, 12:51
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Donald Trumps letzte Wochen im Amt sind ein Stresstest für viele, denen die US-amerikanische Demokratie am Herzen liegt. Der noch amtierende Präsident hat auch zwei Monate nach der Wahl seine Niederlage nicht anerkannt. Er versucht seit Wochen mit all seiner Macht gegen das Wahlergebnis vorzugehen – indem er an seine über 88 Millionen Followern auf Twitter ständig Verschwörungserzählungen weitergibt und massiven Druck auf die Menschen ausübt, die in den US-Bundesstaaten für die Durchführung der Wahl zuständig sind. Und er soll sich bei einem Treffen im Weißen Haus sogar über die Möglichkeit informiert haben, das Kriegsrecht zu verhängen.

Jetzt haben alle zehn ehemaligen noch lebenden US-Verteidigungsminister den Präsidenten aufgefordert, endlich aufzuhören.

Was ist passiert?

Die zehn Ex-Verteidigungsminister haben die Regierung des abgewählten Präsidenten Donald Trump vor einem Einsatz des Militärs im Streit um den Wahlausgang gewarnt. Entsprechende "Bemühungen" würden das Land auf "gefährliches, rechtswidriges und verfassungswidriges Gebiet" führen, heißt es in einem Meinungsartikel der Ex-Minister für die "Washington Post". Sie forderten eine Anerkennung des Wahlsiegs von Joe Biden von den Demokraten. Unter den Ex-Ministern sind sowohl Demokraten als auch Republikaner; mit James Mattis und Mark Esper schlossen sich auch zwei frühere Verteidigungsminister der Trump-Regierung dem Aufruf an.

Die friedliche Machtübergabe sei ein "Markenzeichen unserer Demokratie", heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten Artikel. Abgesehen von der Wahl Abraham Lincolns im Jahr 1860, in deren Folge ein blutiger Bürgerkrieg mit über 600.000 Toten in den Vereinigten Staaten ausbrach, sei der Übergang im Präsidentenamt immer friedlich erfolgt. "Dieses Jahr sollte keine Ausnahme sein." Sollten Regierungsvertreter dennoch versuchen, das Militär einzusetzen, drohten ihnen schwere politische und juristische Konsequenzen.

Die früheren Verteidigungsminister riefen dazu auf, den Streit um die Präsidentschaftswahlergebnisse beizulegen und den Sieg Bidens anzuerkennen. Die Gerichte hätten alle Klagen des Trump-Lagers wegen angeblichen Wahlbetrugs zurückgewiesen, schrieben sie zur Begründung.

Warum machen sich die ehemaligen Verteidigungsminister Sorgen?

Bei einem Treffen mit Trump im Weißen Haus im Dezember war den Berichten mehrerer US-Medien zufolge ein Einsatz der Armee ins Spiel gebracht worden, um das Wahlergebnis noch einmal zu kippen. Ein Großteil der Berater des Präsidenten wies den Vorstoß demnach aber entschieden zurück. Trump widersprach später den Berichten von "New York Times", CNN und "Wall Street Journal". Mit Blick auf die Berichte über eine diskutierte Verhängung des Kriegsrechts twitterte er, dies seien "Fake News".

An dem Treffen nahm demnach auch Trumps ehemaliger Sicherheitsberater Michael Flynn teil. Flynn hatte bereits zuvor in einem Interview mit dem Sender "Newsmax" gesagt, Trump könnte das Militär in umstrittenen US-Bundesstaaten einsetzen und "im Grunde unsere Wahl wiederholen lassen".

Trump prangert seit November vermeintlichen massiven Wahlbetrug an, ohne dafür irgendwelche Belege zu präsentieren.

Sind die Sorgen der Ex-Minister berechtigt?

Präsident Trump und seine Verbündeten haben in ihrem Kampf gegen die Wahlniederlage bisher keinen wirklichen Erfolg zu verzeichnen. In den Rechtsstreitigkeiten um die Wahl haben sie dutzende Niederlagen vor Gerichten erlitten. Mehrere Vertreter von Trumps Republikanern haben Bidens Sieg inzwischen mehr oder weniger deutlich anerkannt, unter ihnen sogar der jahrelange Trump-Getreue Mitch McConnell, Mehrheitsführer der Republikaner im Senat. Trotzdem zieht nach wie vor ein erheblicher Teil der Partei Bidens Sieg in Zweifel.

Auch mehrere hochrangige Armeevertreter hatten in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass sie einen Einsatz des Militärs wegen Trumps Manipulationsvorwürfen nicht zustimmen würden. Nach einer Studie des Brennan Center for Justice müsste außerdem der Kongress zustimmen, bevor der Präsident das Kriegsrecht verhängen könnte.

Für Autorin und Historikerin Annika Brockschmidt ist der offene Brief der Ex-Verteidigungsminister trotzdem "absolut angebracht". Brockschmidt, die 2021 ein Buch über die religiöse Rechte in den USA veröffentlichen wird, sagt gegenüber watson:

"Die Lage ist bitterernst."

Für Politologe Thomas Jäger, der an der Universität Köln den Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik innehat, haben die Ex-Verteidigungsminister all denjenigen im Militär den Rücken gestärkt, die sich einem eventuellen Befehl Trumps widersetzen würden - und denjenigen, die ihn ausführen würden, mit Strafen gedroht. Für Jäger zeigt sich darin, dass er trotz allem noch einen Konsens in der US-Politik gibt, wenn es ums Militär geht. Watson gegenüber erklärt Jäger:

"Dass auch Dick Cheney (der ehemalige Vizepräsident an der Seite George W. Bushs, Anmerkung der Redaktion), der die imperiale Präsidentschaft mit allen Kräften förderte, und (Bushs Verteidigungsminister, Anm. d. Red.) Donald Rumsfeld, der vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckte, zu den Unterzeichnern gehören, zeigt, dass es jenseits von Trump einen überparteilichen Konsens gibt, wenn es um die Rolle der US-Streitkräfte geht."

Wie realistisch ist es, dass Trump tatsächlich das Militär einsetzt, um im Amt zu bleiben?

Es gibt ein Ereignis aus dem Juni 2020, das viele nennen, die jetzt vor einem Einsatz des Militärs durch Trump nennen: Damals – wenige Tage, nachdem ein Polizist den Afroamerikaner George Floyd getötet hatte und hunderttausende bei Anti-Rassismus-Proteste in den USA auf die Straße gingen – ging die Nationalgarde mit Tränengas gegen Demonstranten nahe dem Weißen Haus vor, um einen Platz zu räumen. Kurz zuvor hatte Trump mit einem solchen Einsatz gedroht. Trump ging über den geräumten Platz, um mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche zu posieren. Die Episode zeigt aus der Sicht vieler Beobachter, wie wenig Skrupel Trump dabei hat, Gewalt auch gegen die eigenen Bürger einsetzen zu lassen.

Dass Trump nun das Militär einsetzen könnte, um im Amt zu bleiben, hält Politologe Jäger für "sehr unwahrscheinlich". Es gebe keine rechtliche Grundlage, meint Jäger gegenüber watson und erklärt das so:

"Noch nie wurde im Innern in Friedenszeiten das Kriegsrecht ausgerufen, weshalb es hierfür keine Präzedenzfälle gibt. Es wäre eine völlig neue Lage. Die öffentliche Ordnung ist derzeit auch nicht gefährdet, weshalb sich der Präsident nicht auf den Insurrection Act von 1807 berufen kann. Und die Wahlen werden in den USA von den Bundesstaaten organisiert, weshalb es hier keine bundesstaatlichen Kompetenzen gibt, in Wahlabläufe in den einzelnen Staaten einzugreifen. Worauf soll er sich für einen Einsatz der Streitkräfte also berufen?"

Jäger ergänzt aber:

"Aber das heißt nicht, dass es unmöglich ist."

Trump lebe "in seiner ganz eigenen Parallelwelt". Jäger weiter:

"Eine realistische Chance auf ein solches Vorgehen gibt es in den realen USA auf dem realen Planeten Erde nicht. In der Parallelwelt von Donald Trump mag es für solche Gedankenspiele hingegen Platz geben. Sie werden dann an der Realität scheitern."

Die Historikerin Brockschmidt treibt vor allem die Gefahr um, dass Teile des Militärs sich auf Trumps Seite schlagen. Sie glaube zwar nicht, dass die Mehrheit des Militärs auf Trumps Seite steht, erklärt Brockschmidt gegenüber watson. Sie ergänzt aber:

"Trotzdem ist es natürlich möglich, dass radikalisierte Individuen innerhalb des Militärs einer Aufforderung Trumps zum Einsatz von Gewalt Folge leisten. Es sind diverse Szenarien möglich, gerade auch im Hinblick auf die Wahl in Georgia."

Im US-Bundesstaat Georgia finden am Dienstag die Stichwahlen um zwei entscheidende Senatssitze statt. Sollten in beiden die demokratischen Kandidaten gewinnen, würden Trumps Republikaner die Mehrheit im US-Senat verlieren. Das würde dem gewählten US-Präsidenten Biden das Regieren erleichtern. In der anderen Kongresskammer, dem Repräsentantenhaus, haben die Demokraten seit 2019 die Mehrheit.

(mit Material von afp)

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