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Von Greenpeace zur Klimabeauftragten: Wie berechtigt ist Empörung über Morgan?

Annalena Baerbock, Bundesaussenministerin, stellt im Auswaertigen Amt Jennifer Morgan als neue Sonderbeauftragte fuer internationale Klimapolitik vor. Berlin, 09.02.2022 Berlin Germany *** Annalena Ba ...
Jennifer Morgan ist noch bis Ende Februar Leiterin der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Bild: imago images / Thomas Trutschel
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Von der Greenpeace-Chefin zu Baerbocks Klimabeauftragter: Wie berechtigt ist die Empörung über Jennifer Morgan?

10.02.2022, 17:2811.02.2022, 08:31
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Aktivisten im Regierungsapparat, der "Dunst von Aktivismus" im "Dienst der Diplomatie": Konservative wie CSU-Generalsekretär Markus Blume und CSU-Außenpolitiker Thomas Silberhorn lassen die Republik seit zwei Tagen regelmäßig wissen, wie empört sie über eine Personalentscheidung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sind.

Jennifer Morgan, seit 2016 eine der beiden Leiterinnen der Umweltschutzorganisation Greenpeace und damit eine der mächtigsten Umweltaktivistinnen der Welt, wird Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik.

Was wird Morgan im Auswärtigen Amt tun? Ist dieser Seitenwechsel problematisch? Wir beantworten wichtige Fragen.

Was ist passiert?

Annalena Baerbock ist seit Dezember im Amt. Wie andere Ministerinnen und Minister der neuen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP ist sie momentan unter anderem damit beschäftigt, ihr Ministerium in Teilen neu zu organisieren. Das ist durchaus üblich: Seit Jahrzehnten werden nach Antritt einer neuen Bundesregierung Ministerien umstrukturiert, manchmal wird ein ganzes Ministerium gestrichen oder neu geschaffen – nach der Ernennung der Regierung Scholz im Dezember etwa das Bundesbauministerium.

In anderen Fällen bekommen bestehende Ministerien neue Aufgaben: Im Kabinett unter Bundeskanzler Olaf Scholz hat etwa das von Robert Habeck geführte Wirtschaftsministerium auch die Zuständigkeit für Klimaschutz erhalten. Klimaschutz – und vor allem die internationale Koordination von Klimapolitik – sollen aber auch ein gewichtiger Teil der deutschen Außenpolitik werden.

Hier kommt die Berufung Jennifer Morgans ins Spiel: Die 55-Jährige soll "als Steuerfrau unsere Klima-Außenpolitik lenken, Partnerschaften mit anderen Staaten in der Welt ausbauen und den Dialog mit der Zivilgesellschaft weltweit führen", wie Baerbock es bei ihrer Vorstellung am Mittwoch ausdrückte. Morgan wird Deutschland unter anderem bei künftigen Klimagipfeln vertreten.

Für Greenpeace und bei ihren vorherigen Tätigkeiten unter anderem für die Naturschutzorganisation WWF hatte sie bereits an mehreren Klimagipfeln teilgenommen, unter anderem 1997 im japanischen Kyoto und 2009 in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen.

Die deutsche Bundesregierung geht damit einen ähnlichen Weg wie die im Januar 2021 angetretene US-Regierung unter Präsident Joe Biden: Der Demokrat hatte den früheren Außenminister John Kerry zum Sondergesandten für das Klima ernannt.

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John Kerry, US-Klimabeauftragter, im Dezember neben Außenministerin Baerbock. Bild: imago images / Thomas Imo/photothek.net

Baerbocks wie Bidens Berufungen stehen für den Anspruch, international den Druck für ambitionierten Klimaschutz zu erhöhen.

Von Greenpeace direkt ins Außenministerium: Wie problematisch ist der Seitenwechsel?

Jennifer Morgan wird direkt von Greenpeace in die Arbeit für die Bundesregierung wechseln. Wie Greenpeace am Mittwoch bekannt gegeben hat, kündigt sie ihre Stelle als "Executive Director" an der Seite ihrer Kollegin Bunny McDiarmid zum 28. Februar. Am Tag darauf soll sie als Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik anfangen – und später als Staatssekretärin im Auswärtigen Amt arbeiten.

Kritiker aus der Opposition halten diesen Seitenwechsel aus dem Aktivismus für Greenpeace in die Regierungspolitik für problematisch. Es brauche eine "Karenzzeit" für solche Wechsel, meinte CSU-Außenpolitiker Silberhorn auf Twitter: also eine Übergangsfrist, die verstreichen muss, bevor jemand aus einem Interessenverband in ein Regierungsamt wechselt.

Ein Karenzzeit-Gesetz gibt es seit 2015 schon für Wechsel in die andere Richtung, von einem Posten als Bundesministerin oder -minister in eine Lobbytätigkeit. Ein solcher Wechsel soll in manchen Fällen erst zwölf bis 18 Monate nach Ende der Regierungstätigkeit möglich sein. Ausnahmen muss seither die Bundesregierung genehmigen. Zuvor waren mehrere ehemalige Bundesminister oder Staatssekretäre in Lobbytätigkeiten gewechselt: Roland Pofalla (CDU) war erst bis Ende 2013 Chef des Bundeskanzleramts und wurde Anfang 2015 Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn. Dirk Niebel (FDP) war ebenfalls bis 2013 Entwicklungsminister – und fing 2015 als Lobbyist für die Rüstungsfirma Rheinmetall an.

Jennifer Morgan wechselt nun in die andere Richtung, von einer der bekanntesten, mächtigsten und finanzstärksten Nichtregierungsorganisationen (NGO) in die Bundesregierung. Greenpeace hat laut Jahresbericht allein in Deutschland im Jahr 2020 insgesamt 80,3 Millionen Euro an Spenden erhalten.

Transparency International und Lobby Control, die zwei wohl bekanntesten NGOs, die sich in Deutschland gegen Korruption und für transparenten Lobbyismus einsetzen, halten den Wechsel zumindest momentan für unproblematisch.

Grundsätzlich ist es aus Sicht von "Lobby Control" deutlich weniger problematisch, wenn Mitglieder von Interessenvertretungen in die Regierungsarbeit wechseln als umgekehrt. Die Organisation erklärte auf Twitter, es müsse "möglich sein (...), Fachleute von außen in die Ministerien zu holen. Bei Wechseln aus der Politik hinaus brauchen wir dagegen strengere Regeln."

Hartmut Bäumer, der Vorsitzende von Transparency International in Deutschland, sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", bei Morgans Arbeit im Auswärtigen Amt gehe es "nicht um finanzielle Vorteile für Greenpeace, sondern um ideelle Anliegen. Das ist der Unterschied zu anderen Verbänden, bei denen Wirtschaftslobbyismus im Vordergrund steht".

Lobby Control äußerte sich über Twitter ähnlich. Greenpeace sei anders zu bewerten als andere Interessensvertretungen.

Ist es das erste Mal, dass jemand aus einer Lobbyorganisation in ein Ministerium wechselt?

Nein. Auch Wechsel in diese Richtung sind in den vergangenen Jahren mehrfach vorgekommen – unter anderem unter CDU- und CSU-Ministern.

Unter Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wurde 2018 Claudia Warning, zuvor im Vorstand des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", zur Abteilungsleiterin berufen. 2019 deckte die "taz" auf, dass der Anti-Windkraft-Lobbyist Nikolai Ziegler zeitweise einen Referenten von Thomas Bareiß, Staatssekretär im CDU-geführten Bundeswirtschaftsministerium, vertreten hat.

Zur Bewertung eines solchen Wechsels sagt Timo Lange von "Lobby Control" gegenüber watson:

"Das muss man im Einzelfall beurteilen. Man muss es politisch, inhaltlich und fachlich begründen können. Wenn man den Cheflobbyisten des Bankenverbandes ins Finanzministerium beruft, um sich um Bankenregulierung zu kümmern, würde man den Bock zum Gärtner machen. Jennifer Morgan wird im Auswärtigen Amt nicht dafür zuständig sein, NGOs zu kontrollieren. Deswegen ist der Wechsel aus jetziger Sicht nicht zu beanstanden."

Grundsätzlich gilt es, bei Wechseln aus der Privatwirtschaft und von Interessensvertretungen in Regierungsämter oder leitende Posten in Ministerien zu bedenken:

  • Abteilungsleiter und Referenten haben in Ministerien eine große politische Macht, obwohl sie in der Öffentlichkeit eher selten auftreten. Die meisten Gesetzentwürfe, die von der Bundesregierung kommen (und das sind in Deutschland die mit Abstand meisten), beginnen als "Referentenentwurf", also in den Fachabteilungen der Ministerien.
  • Zuvor in der Wirtschaft oder in einer Interessensvertretung gearbeitet zu haben, kann auch erhebliche Vorteile haben: Die Person kennt sich oft in einem bestimmten Fachbereich gut aus, ist bestens vernetzt – und weiß, wie die Interessensvertreter, mit denen sie im Auftrag des Staats zu tun haben wird, ticken.
  • Wichtig ist dabei, dass die Person in ihrer neuen Funktion ihren vorherigen Arbeitgeber nicht bevorzugt. Diesen Maßstab wollen "Transparency International" und "Lobby Control" jetzt auch an Jennifer Morgan anlegen: Beide Organisationen erklärten, die bisherige Greenpeace-Chefin dürfe Greenpeace in ihrer Regierungstätigkeit nicht bevorzugen.

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Ein Aspekt, den manche Kommentatoren an Jennifer Morgans Wechsel von Greenpeace ins Auswärtige Amt kritisiert haben, ist ihre Staatsangehörigkeit: Morgan hat derzeit nur die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. In der "Stuttgarter Zeitung" wurde sogar angedeutet, Morgan solle "im Eilverfahren eingebürgert" werden. Der Hintergrund: Sie soll Staatssekretärin werden – allerdings laut "Welt" ohne Verbeamtung.

Former Greenpeace chief Jennifer Morgan, left, and German Foreign Minister Annalena Baerbock, right, address the media during a joint press conference in Berlin, Germany, Wednesday, Fe. 9, 2022. Germa ...
Jennifer Morgan neben Außenministerin Baerbock in der Pressekonferenz zu ihrer Vorstellung am Mittwoch. Bild: ap / John MacDougall

Allerdings lebt Morgan laut Medienberichten schon seit 2003 in Berlin und hat bereits im Jahr 2021 ihre Einbürgerung beantragt. Nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz können Menschen einen solchen Antrag stellen, wenn sie seit mindestens acht Jahren dauerhaft in Deutschland leben und weitere Voraussetzungen erfüllen – unter anderem einen bestandenen Einbürgerungstest. Dass ein Einbürgerungsantrag binnen weniger Monate positiv beschieden wird, ist durchaus normal.

Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 ("fortgeschrittene Sprachverwendung") sind eine weitere Voraussetzung für eine Einbürgerung: Dass sie die erfüllt, hat Morgan bei der Pressekonferenz zu ihrer Vorstellung am Mittwoch bewiesen: Sie antwortete in fließendem Deutsch.

Morgan hat schon in der Vergangenheit für ein Bundesministerium gearbeitet: Von 1996 bis 1997 war sie für das Bundesumweltministerium tätig und entwarf damals nach eigenen Angaben unter anderem Reden für die Ministerin. Die hieß damals Angela Merkel (CDU). 2007 war Morgan Teil des Beratergremiums der damaligen Bundesregierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft.

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