Nachdem Russland im September vergangenen Jahres eine entscheidende Wende im Angriffskrieg gegen die Ukraine hinnehmen musste, rief Wladimir Putin am 21. September mit sofortiger Wirkung eine Mobilmachung aus. Putin und sein Verteidigungsminister Sergei Schoigu betonten allerdings stets, dass es lediglich eine Teilmobilmachung sei.
Das bedeutete, dass rund 300.000 Reservisten eingezogen werden sollten. Laut dem russischen Verteidigungsministerium dabei auch lediglich solche mit Kampf- und Diensterfahrung – keine Wehrpflichtigen oder Vollzeitstudenten. Ende Oktober wurde dann offiziell das Ende der Mobilisierung bekannt gegeben, allerdings gab es kein offizielles Dekret dafür.
Sprich: Theoretisch können jederzeit weitere Reservisten eingezogen werden. Es wird außerdem vermutet, dass die Mobilmachung verdeckt weitergeführt wurde und wird.
Genau das könnte ein Grund für kürzlich veröffentlichte Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sein.
Laut einem Bericht des Fachinformationsdienstes "Table.Media" ist die Zahl der russischen Asylbewerber:innen zuletzt stark angestiegen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien demzufolge 2381 Asylanträge von Russ:innen gestellt worden.
Für den Hintergrund: Das bedeutet konkret, dass die Zahl der russischen Asylanträge bereits jetzt der Gesamtanzahl russischer Anträge von 2022 nahekommt. Damals waren es 2851 Anträge. In dem Bericht beruft sich das Medienhaus auf Zahlen des Bamf.
Einen Anstieg gab es vor allem beim Anteil der männlichen Antragstellenden. 2022 seien es 59 Prozent gewesen – in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 64 Prozent. Ebenso ist der Anteil in der Altersgruppe der 19- bis 30-jährigen Männer und Frauen gestiegen.
Laut UNHCR, dem UN-Flüchtlingskommissariat, sind 2021, also vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, insgesamt 8801 Menschen aus Russland geflohen und haben einen Asylantrag in einem anderen Land gestellt. Vor allem in den USA, Deutschland und Frankreich. Allerdings wurden mit 84 Prozent deutlich mehr als die Hälfte der Anträge abgelehnt. Nach Deutschland flohen 1438 russische Staatsbürger:innen. Davon wurden im Jahr 2021 rund sieben Prozent angenommen.
Eine Sprecherin des Bamf sagte gegenüber "Table.Media": Deserteure, "die sich an Putins Krieg nicht beteiligen wollen, können in Deutschland Asyl beantragen. Sie erhalten im Regelfall internationalen Schutz".
Laut den jüngsten Berichten könnte eine erneute Mobilmachung drohen. Denn vor kurzem entschieden Abgeordnete der Staatsduma in einer Blitzabstimmung, dass die Einberufung von Soldaten nun erleichtert werden soll.
Einberufungsentscheide müssen nicht mehr persönlich überreicht werden, sondern lediglich auf dem elektronischen Weg über das staatliche Portal "Gosuslugi".
Während der vergangenen Mobilmachung im September sind bereits Hunderttausende Männer geflohen. Allerdings wies der Kremlsprecher Dimitri Peskow die Vermutung einer neuen Mobilmachung zurück. Die Initiative begründete er stattdessen mit einer allgemeinen Digitalisierung des Lebens.