Wolfgang Niersbach (rechts) und Theo Zwanziger müssen sich nun doch auch in Deutschland vor einem Gericht verantworten.Bild: Ralph Orlowski / reuters
Fußball
26.08.2019, 14:4126.08.2019, 15:02
Die Affäre um das Sommermärchen 2006 holt den
krisengeplagten Deutschen Fußball-Bund mit voller Wucht wieder ein.
- Die ehemaligen Verbandsbosse Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger müssen sich nun doch auch in Deutschland vor einem Gericht verantworten.
- Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ließ die Anklage wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung zu. Nach Angaben des OLG drohen den Angeklagten Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen.
Warum der Skandal immer noch nicht aufgeklärt ist
Auch 13 Jahre nach der Weltmeisterschaft 2006 ist der Skandal weder
aufgeklärt noch abgeschlossen und dürfte beim DFB die Diskussion um
Gemeinnützigkeit zur Unzeit erneut anfachen: Der größte
Sportfachverband steht vor einer Umstrukturierung und der Wahl des
designierten neuen Verbandschefs Fritz Keller.
Es bestehe bei insgesamt vier Angeklagten ein hinreichender
Tatverdacht, gab das OLG am Montag bekannt. Auch der frühere
DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und der ehemalige
FIFA-Generalsekretär Urs Linsi gehören zu den Beschuldigten. Die
Hauptverhandlung findet vor dem Landgericht Frankfurt/Main statt,
einen Termin gibt es noch nicht.
Das Oberlandesgericht revidierte damit eine Entscheidung des
Landgerichts Frankfurt, das im Oktober 2018 die Eröffnung eines
Hauptverfahrens abgelehnt hatte. Die Staatsanwaltschaft hat dagegen
erfolgreich Beschwerde eingelegt.
Das OLG bewertete die Sachlage anders: "Nach vorläufiger Bewertung
liegt ein hinreichender Tatverdacht dafür vor, dass die vier
Angeklagten im Zusammenhang mit der als Betriebsausgabe
'Kostenbeteiligung FIFA'Gala 2006' bezeichneten Rückzahlung eines
Darlehens an den Fußballer F.B. in Höhe von 6.7 Mio. Euro im Jahr
2006 eine Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung
begangen haben", hieß es in einer Pressemitteilung.
Anfang des Monats waren Zwanziger, Schmidt und Linsi bereits von der
Schweizer Bundesanwaltschaft angesichts der weiterhin dubiosen
Millionenzahlungen wegen des Verdachts des Betrugs in Mittäterschaft
und Niersbach wegen des Verdachts des Betrugs in Gehilfenschaft
angeklagt worden.
Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach während der WM 2006.Bild: AP Photo
Der in der Mitteilung des OLG als "Fußballer F.B." abgekürzte Franz
Beckenbauer gehört beim Verfahren in Frankfurt nicht zu den
Beschuldigten. In der Schweiz wurde sein Verfahren von den weiteren
Beschuldigten wegen Beckenbauers Gesundheitszustand abgetrennt.
Das OLG geht "nach Aktenlage" nicht davon aus, dass Geld an
Beckenbauer für seine Verdienste um die WM-Vergabe und -Organisation
geflossen ist.
Niersbach und Zwanziger hatten sich bereits mit verbalen Attacken
gegen das Vorgehen der Schweizer Behörden gewehrt. Zwanziger hat eine
Strafanzeige gegen die dortige Bundesanwaltschaft gestellt. "Ich habe
Aufklärung gewollt. Und der, der Aufklärung wollte, soll jetzt
verurteilt werden? Deshalb sehe ich dem Verfahren sehr entspannt
entgegen", sagte Zwanziger dem Onlineportal "Sportbuzzer".
In den Verfahren geht es um die weiterhin nicht geklärten Zahlungen
von umgerechnet 6.7 Millionen Euro aus den Jahren 2002 und 2005.
Beckenbauer hatte vom Unternehmer Robert Louis-Dreyfus einen Kredit
in dieser Höhe erhalten, angeblich um einen von der FIFA geforderten
Vorschuss für einen WM-Zuschuss von 250 Millionen Schweizer Franken
für die nach eigenem Bekunden finanziell klammen WM-Macher zahlen zu
können. Die umgerechnet 6.7 Millionen Euro flossen auf Konten des
damaligen FIFA-Funktionärs Mohammed Bin Hammam, der mittlerweile
wegen Korruption vom Fußball-Weltverband lebenslang gesperrt ist.
Zwanziger-Nachfolger Niersbach war im November 2015 im Zuge der
Sommermärchen-Affäre zurückgetreten. Sein Nachfolger Reinhard
Grindel, der einen "neuen DFB" propagierte, wiederum gab sein Amt
wegen verschiedener Verfehlungen in anderen Kontexten im April auf.
Derzeit wird der DFB wieder einmal von den Interimspräsidenten Rainer
Koch und Reinhard Rauball geführt. Die Wahl von Fritz Keller, bislang
Vereinsboss des SC Freiburg, beim DFB-Bundestag am 27. September in
Frankfurt gilt als sicher. Auch er wird sich noch mit den Altlasten
des Sommermärchens auseinandersetzen müssen.
(dpa/bn)
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