Seit zwei Wochen ist die Welt in Aufruhr: Am 24. Februar hat der russische Präsident Wladimir Putin militärische Angriffe auf die Ukraine angeordnet. Seitdem sind bereits 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht, immer mehr Städte werden zerstört und Nachrichten über tote Zivilisten häufen sich. Angesichts dieses Schreckens-Szenarios ist es vielen Russen jedoch wichtig, ein Zeichen zu setzen und deutlich zu machen: Putin will diesen Krieg, nicht die russische Bevölkerung!
Russische Stars wie der Comedian und TV-Moderator Maxim Galkin oder der russische Talk-Master Iwan Urgant, der eine Show im ersten russischen Staatsfernsehen hat, verurteilen im Netz den Krieg. Der Rapper Oxxxymiron sagte sogar seine Konzerte ab und fordert seine Fans auf, eine Anti-Kriegs-Bewegung zu bilden – um nur einige Beispiele zu nennen.
Auf Instagram formiert sich in diesem Zusammenhang nun auch eine ganz besondere Protestbewegung: Die Töchter von russischen Oligarchen wie Sofia Abramowitsch, Elizaveta Peskowa und Maria Jumaschewa solidarisieren sich auf der Bild- und Videoplattform mit der Ukraine und verurteilen Putins Krieg. Medienexperte Ferris Bühler hat diese Entwicklung für watson eingeordnet und erklärt, welche große Befürchtung er hat. Außerdem stellt er klare Anforderungen an deutsche Influencer.
Sofia Abramowitsch ist die Tochter von Roman Abramowitsch, einem der bekanntesten Oligarchen Russlands. Die 27-Jährige postet auf ihrem Instagram-Account, dem über 66.000 User folgen, normalerweise Schnappschüsse, die sie im Urlaub zeigen, beim Feiern oder niedliche Tierfotos mit Hunden und Pferden. Doch nun nutzte die Blondine ihre Reichweite für eine Anti-Kriegs-Botschaft. In ihrer Instagram-Story repostete sie folgenden Text:
Sofia ist mit ihrem Protest nicht alleine: Die 19-jährige Maria Jumaschewa veröffentlichte auf ihrem Account ein Bild der ukrainischen Flagge. Das ist besonders bemerkenswert, wenn man sich vor Augen führt, dass die Brünette mit knapp 16.000 Followern eine besondere Verbindung zu Wladimir Putin hat: Ihr Vater Walentin Jumaschew ist Berater des russischen Präsidenten und ihr Großvater ist Ex-Präsident Boris Jelzin.
Über die klare Positionierung von russischen Stars und Influencern sagt Ferris Bühler gegenüber watson: "Influencer sind wie andere Prominente öffentliche Meinungsführer, vor allem im digitalen Bereich. Momentan können wir beobachten, dass viele russische Prominente wie Sportler oder Showstars öffentlich den Angriff auf die Ukraine verurteilen und sich gegen Putin positionieren." Und weiter erklärt er:
Seiner Meinung nach müssen "digitale Meinungsführer", welche das Thema auf ihren Kanälen noch immer totschweigen und keine Stellung dazu beziehen, zwangsläufig mit Fragen ihrer Follower rechnen und könnten leicht in Erklärungsnot kommen. Eine Gefahr sieht Bühler auch in möglichen Shitstorms, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Denn selbst "digitale Meinungsmacher", welche sich bislang nie zu politischen Themen auf ihren Profilen geäußert haben, kämen aktuell nicht drum herum, den Krieg öffentlich zu verurteilen:
Er ist außerdem der festen Meinung, dass eine überlegte, proaktive Stellungnahme besser ist als eine Reaktion, die erst unter Druck entsteht. Ein Schweigen zu den Geschehnissen in der Ukraine könnte aber auch wirtschaftliche Folgen für russische Influencer haben, wie Ferris Bühler gegenüber watson deutlich macht:
Weiter müssten russische Influencer damit rechnen, dass ihnen Internet-Nutzer außerhalb des Landes entfolgen, um damit ihren Protest gegen Russland kundzutun, so der Host des Marketing-Podcasts "StoryRadar"
Den Putin-Aufstand der Oligarchen-Töchter hält Bühler in der aktuellen Situation für sehr bedeutend, da wegen der Zensur durch das neue Mediengesetz momentan viele internationale Medien ihre Berichterstattung in Russland ausgesetzt haben:
Diese Befürchtung scheint sich in der Realität bereits bewahrheitet zu haben. Elizaveta Peskowa, Tochter von Kreml-Sprecher Dimitri Peskow, schrieb laut "Daily Mail" in ihrer Instagram-Story: "Nein zum Krieg", doch ihr Post soll bereits nach einer Stunde gelöscht worden sein. Momentan ist ihr Account, dem stolze 238.000 User folgen, nicht mehr öffentlich, sondern auf privat gestellt.
Medienexperte Ferris Bühler sieht aber nicht nur russische Influencer in der Pflicht, sondern auch deutsche Social-Media-Stars, denn:
Influencer müssten sich in seinen Augen daher auf ihrem Profil öffentlich gegen den Krieg zu äußern und zu einem friedlichen Miteinander aufzurufen. "Wenn ich dies als Influencer ignoriere und weiterhin nur fröhlich singend irgendwelche Schminktipps und die neuesten Frühlings-Looks aus dem rosaroten Schlafzimmer poste, während zwei Millionen Menschen auf der Flucht sind, so muss ich zwingend mit Empörung oder gar einem Shitstorm meiner Fans rechnen."