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"Lanz": Lauterbach gesteht "verheerenden" Fehler ein – "falsch und schädlich"

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will seinen Fehler gleich korrigieren.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will seinen Fehler gleich korrigieren.bild: screenshot zdf
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"Markus Lanz": Lauterbach gesteht "verheerenden" Fehler ein

06.04.2022, 12:18
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Die mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Kiews Vorort Butscha, die die russische Armee trotz erdrückender Faktenlage leugnet, schockieren die Welt. Und auch Markus Lanz bespricht mit einer Reporterin vor Ort das Grauen und im Studio, was daraus folgt.

Durch den Ukraine-Krieg wurde das Dauerthema Corona etwas aus den Nachrichten verdrängt. Aber am Donnerstag steht die Bundestagsabstimmung über die Impfpflicht ab 60 Jahren an. Und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gibt zu, dass er einen großen Fehler gemacht hat, den er sofort korrigieren will. Markus Lanz begrüßt folgende Gäste:

  • Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister (SPD)
  • Daniela Schwarzer, Politologin, Direktorin für Europa und Eurasien der "Open Society Foundations"
  • Katrin Eigendorf, ZDF-Reporterin in Kiew
  • Robin Alexander, stellvertretender "Welt"-Chefredakteur

Schockierende Ereignisse in Butscha

ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf (Mitte) ist aus Kiew zugeschaltet, Politologin Daniela Schwarzer (li.) und Journalist Robin Alexander hören zu.
ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf (Mitte) ist aus Kiew zugeschaltet, Politologin Daniela Schwarzer (li.) und Journalist Robin Alexander hören zu.bild: screenshot zdf

ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf ist im abgedunkelten Zug, zum Schutz vor Angriffen, in die Ukraine gefahren. Zusammen mit anderen Journalisten hat sie bei einer Führung des Innenministeriums der Ukraine die durch grauenhafte Ereignisse bekannt gewordene Stadt Butscha besucht, "die weitgehend in Trümmern lag". Die russische Seite streitet jede Verantwortung ab, aber es gibt es immer weitere Indizien und auch Beweise. Für Eigendorf steht fest: "Es wurde gemordet, gefoltert und Frauen sind vor den Augen ihrer Familien gruppenvergewaltigt worden." Sie selbst hätte Leichen mit Folterspuren auf den Straßen gesehen und auch verbrannte Körper. "Die ganze Atmosphäre, die Gerüche, das sind schon sehr schockierende Eindrücke."

Ein Überlebender berichtet in einem eingespielten Interview, dass russische Soldaten sich nach Belieben Wohnungen ausgesucht und die Menschen darin erschossen und aus dem Fenster geworfen hätten, um selbst drin zu wohnen. "Ich habe selten in meinem Reporterleben so entsetzliche Dinge zu sehen bekommen wie in Butscha", sagt Eigendorf.

Lanz versucht einen kritischen Einwurf und formuliert vor dem Hintergrund russischer Propaganda etwas ungeschickt, ob der Pressetermin in Butscha nicht auch "Propaganda" sei, mit einem Ziel von der ukrainischen Seite organisiert. "Das als Propaganda einzuordnen, da gehe ich nicht ganz mit." Die russische Armee sei berüchtigt. "Die russische Armee ist eine. in der die Verrohung und Entmenschlichung System hat", so Eigendorf.

Politologin Daniela Schwarzer sieht "einen Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung" in der Ukraine.
Politologin Daniela Schwarzer sieht "einen Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung" in der Ukraine.bild: screenshot zdf

Auch Daniela Schwarzer, Politologin und Direktorin für Europa und Eurasien der "Open Society Foundations", sieht einen "Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung", der "die ukrainische Zivilisation auslöschen will". Für sie steht fest: "Die russische Armee ist zu Kriegsverbrechen im großen Maß bereit." Es bestehe Grund zur Annahme, dass Ähnliches in anderen Städten passiert sei oder noch passieren werde. Darum stelle sich die Frage: "Was tun wir als Europäer?"

Robin Alexander, stellvertretender "Welt"-Chefredakteur, fragt sich erst einmal: Was tun wir als Deutsche? Es stelle sich die Frage, ob die "Zeitenwende", von der Olaf Scholz gesprochen hat, "Realität oder Rhetorik" ist, denn noch immer sei nicht klar, wann und in welchem Maße Deutschland Waffen an die Ukraine liefere.

Markus Lanz und Bundesgesundheitsminster Karl Lauterbach (SPD).,
Markus Lanz und Bundesgesundheitsminster Karl Lauterbach (SPD).,bild: screenshot zdf

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat als Kabinettsmitglied mehr Einblick in solche Fragen. Fast schon raunend entgegnet er Robin Alexanders Kritik: "Vorsichtig, nicht alles so, wie es scheint." Die Geheimhaltung, die sich die Bundesregierung bei Waffenexporten auferlegt hat, schütze alle Beteiligten. "Es ist nicht so schlau, dass man Putin sagt, das haben wir heute geliefert. Wir liefern mehr, als öffentlich bekannt ist. Wir liefern zum Teil auch anders, als öffentlich bekannt ist."

Lanz ist fasssungslos

Die Runde hat sich festgebissen im Ukraine-Krieg. Doch dann geht es doch noch um das Thema, für das Lauterbach steht wie für kein anderes: Corona.

Der Bundesgesundheitsminister, der bekannt geworden ist mit seiner mahnenden und vorsichtigen Grundhaltung, sorgte im Amt als Bundesgesundheitsminister schon mehrfach für Erstaunen – weil unter seiner Leitung Regelungen beschlossen wurden, die er noch als einfacher Abgeordneter wohl stark kritisiert hätte. Aber so ist es eben, wenn man tiefer im politischen Getriebe drin steckt, Regelungen in einer Drei-Parteien-Koalition finden muss.

Doch jüngst gab es riesige Verwirrung: Da hat er das weitgehende Ende amtlich angeordneter Isolationspflichten für Corona-Infizierte bekannt gegeben. Das hieß: Wer Infiziert ist, sollte sich ab 1. Mai nur noch freiwillig in Isolation begeben, kein Zwang, kein Brief vom Gesundheitsamt. Lauterbachs Begründung: "Die Gesundheitsämter sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, Isolation und Quarantäne zu überwachen. Sie sind schlicht komplett überlastet."

Um sie von nutzlosem Papierkram zu entlasten, wollte er auf "Eigenverantwortung" setzen. Doch es folgen erstaunte und heftige Reaktionen. Nach zwei Jahren streng-regulativem Corona-Management mutet es auch absurd an, dass Infizierte ab dem 1. Mai lediglich gebeten werden sollten, sich zu isolieren. Auch Lanz kann es kaum glauben und fragt fassungslos, ob er dann infiziert ins Studio kommen dürfe. Dürfte er. Und eben solche Reaktionen brachten Lauterbach ins Grübeln.

"Das Signal ist so verheerend, der symbolische Schaden so groß, dass man diese Isolationsverordnung so nicht machen kann."
Karl Lauterbach

Lauterbach nimmt Regelung wieder zurück

Und weil symbolischer Verlust und praktischer Gewinn in keinem vernünftigen Verhältnis stünden, werde er seine eigene Regelung "wieder einkassieren". "Das wird morgen noch offiziell werden. Man muss als Minister auch in der Lage sein, Dinge die nicht so gut gelaufen sind, wieder zu korrigieren." Er wollte nicht, dass der Eindruck entstehe, "Lauterbach hält das jetzt für harmlos." Das tut er natürlich nicht.

Auch, wenn er zwischendurch für ihn so erstaunliche Sätze sagt wie: "Corona ist nicht mehr so gefährlich", und "Omikron ist harmlos", bevor er sich korrigiert: "Nicht harmlos: harmloser". Die Isolation werde nun jedenfalls auf fünf Tage verkürzt, der Brief vom Amt komme trotzdem noch. Die Quarantäne (wenn man bisher nicht selbst infiziert ist, sondern nur Kontakt zu einem Infizierten hatte) geschieht künftig jedoch allein in Eigenverantwortung, ohne Brief.

"Wie kann denn sowas passieren?" fragt Lanz. Ob es keine Rückendeckung von Bundeskanzler Olaf Scholz gebe, und/ oder ob Justizminister Marko Buschmann (FDP) ihm das Leben schwer mache? Natürlich ist mit beiden alles in bester Ordnung, beteuert Lauterbach. "Ich versuche eben ständig, die Pandemiebekämpfung zu optimieren. Ich versuche immer, das Maximum für die Bevölkerung rauszuholen." Man müsse aber auch pragmatisch sein. Wie bei der Verlängerung der Maskenpflicht um zwei Wochen über das Auslaufen des Infektionsschutzgesetzes hinaus. "Mehr war nicht drin", immerhin sei damit die Welle gebrochen worten, glaubt Lauterbach.

Robin Alexander betrachtet Lauterbachs offen erklärte Kehrtwende sehr wohlwollend: "Was mir Respekt abnötigt, dass sie wirklich in der Sache kämpfen."

In der Nacht zu Mittwoch verkündet der Gesundheitsminister auch via Twitter, dass die Beendigung der Quarantänepflicht für Infizierte "nicht kommen wird". "Hier habe ich einen Fehler gemacht", schrieb er weiter. Auch wenn die Regelung Gesundheitsämter entlasten würde, das Signal wäre "falsch und schädlich".

Lauterbach überzeugt von Impfpflicht

Viel gekämpft hat er auch für die Impfpflicht. Am Donnerstag wird im Bundestag darüber abgestimmt. "Ich glaube, dass wir die Impfpflicht durchbringen werden – ab 60 Jahren sofort und ab 18 Jahren im Herbst, wenn nötig und der Bundestag es beschließt, dazwischen gibt es eine Beratungspflicht", skizziert Lauterbach den Entwurf. So schütze man 90 Prozent derjenigen, die man mit der von ihm favorisierten Impfpflicht ab 18 geschützt hätte.

"Mit großer Wahrscheinlichkeit kriegen wir das durch", glaubt Lauterbach. Robin Alexander ist anderer Meinung: "Ich sehe das nicht." Und dann stellt er ihm eine etwas vorwitzige Frage: Ob er denn zurücktreten werde, wenn die Impfpflicht scheitert. Lauterbach denkt kurz nach. "Dass das eine herbe Niederlage wäre", gesteht er offen ein. Aber einen Rücktrittsgrund sieht er nicht. Das sei nur der Fall, "wenn ich einen gravierenden Fehler gemacht hätte".

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