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Experte bei "Lanz" über Russlandpolitik: "Wir sind das Portemonnaie Putins"

Der Journalist Wolfram Weimer kritisiert die deutsche und die europäische Russlandpolitik bei "Markus Lanz".
Der Journalist Wolfram Weimer kritisiert die deutsche und die europäische Russlandpolitik bei "Markus Lanz". ZDF/Screenshot
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Experte über Russlandpolitik Deutschlands bei "Lanz": "Wir sind das Portemonnaie Putins"

19.02.2021, 06:3719.02.2021, 06:36
Deana Mrkaja
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Die Grünen befinden sich bereits im Wahlkampf und hätten sich mit Aussagen zum Eigenheim selbst ein Bein gestellt, die Corona-Politik sei allein durch Angst geprägt und auch was den Umgang mit dem russischen Oppositionellen Alexei Nawalny betrifft, hagelte es bei "Markus Lanz" am Donnerstagabend viel Kritik. Als es schließlich noch um die Gas-Pipeline Nord Stream 2 geht, findet ein Experte deutliche Worte zum Vorgehen Deutschlands.

Laut dem Journalisten Wolfram Weimer würden die Grünen bei fast jedem Wahlkampf ähnlich vorgehen - und sich ihre Chancen kurz vor knapp noch selbst verspielen. So sei es mal mit Steuererhöhungen gewesen, mit dem debattierten Veggie-Tag und nun mit dem Eigenheim. In einem "Spiegel"-Interview äußerte sich der Grünen-Politiker Anton Hofreiter etwas unglücklich über das Thema, was ihm direkt zum Verhängnis wurde. Am Ende hießt es, seine Partei wolle Einfamilienhäuser verbieten.

"Sie haben einen Kulturkampf ums Eigenheim gestartet. Das klebt jetzt wie Tesa am Wahlkampf!"
Wolfram Weimer

Der anwesende Jürgen Trittin sieht das entschieden anders und steht auf der Seite seines Partei-Kollegen. Was Weimer sage, sei "ein Lüge" und würde nun "trotzdem wiederholt werden", kritisiert der Politiker. Er sagt, parteiübergreifend sei es gängige Praxis, dass in Gebieten, die sehr geballt sind, kommunal entschieden würde, ob dort Wohnraum für wenige oder für viele entstehen solle. Daher habe "Toni" keine falschen Aussagen getroffen.

Die Gäste bei "Markus Lanz" (v.l.n.r.): Jürgen Trittin, Thea Dorn und Wolfram Weimer.
Die Gäste bei "Markus Lanz" (v.l.n.r.): Jürgen Trittin, Thea Dorn und Wolfram Weimer. ZDF/Screenshot

Ob ein Profi wie Hofreiter dies nicht besser händeln müsse, fragt Moderator Markus Lanz nach. "Ich bin mir nicht sicher, ob wir alle Kontroversen durch Formulierungskonzepte werden umgehen können", antwortet Trittin ruhig und ergänzt, wer den Klimaschutz ernst nehme, müssen auch darüber reden, wie wir leben oder fahren.

"Wir werden im Wahlkampf eine Zuspitzung erleben. Das Eigenheim ist nur ein kleiner Vorgeschmack."
Jürgen Trittin

Alexei Nawalny als ernsthafte Bedrohung Wladimir Putins

Danach wird das Thema von der Runde schnell gewechselt und Lanz schaltet zu Thielko Grieß, der als Auslandskorrespondent aus Russland berichtet. Zunächst beschreibt er die derzeitige Situation des Dissidenten Alexei Nawalny. Er sei derzeit in einem Gefängnis mit dem Namen "Matrosenstille" untergebracht. Nachdem Nawalny im vergangenen Sommer mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet wurde und beinahe stark, wurde er in Deutschland behandelt. Bei seiner Rückkehr nach Russland nahm man ihn direkt fest, als er aus dem Flugzeug stieg. Weil er gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben soll, soll er für knapp drei Jahre im Gefängnis bleiben.

Thielko Grieß ist aus Russland zugeschaltet.
Thielko Grieß ist aus Russland zugeschaltet. ZDF/Screenshot

Die Medien in Russland würden "unausgewogen" über ihn berichten. Das Staatsfernsehen zeige Kampagnen gegen ihn, die ihn als Nationalisten darstellen. Er gelte als "Agent des Westens", der nach Russland eingeschleust wurde, erklärt der Journalist. Trittin sagt, vor 1,5 Jahren sei er noch der Meinung gewesen, dass der russische Präsident Wladimir Putin durch seinen hohen Zuspruch innerhalb der Bevölkerung es nicht nötig habe, Wahlen und Ähnliches zu manipulieren. Die jetzige Reaktion auf Nawalny würde jedoch zeigen, dass sich das System Putins von dem Oppositionellen bedroht fühle. Auch Weimar empfindet die Situation als "bedrückend". Habe man noch kürzlich geglaubt, das Land würde sich rechtsstaatliche entwickeln, sei es heute wieder ein "Kasernenhof des KGB". Was mit Nawalny passiert, solle andere abschrecken.

Jürgen Trittin kritisiert den Umgang mit Nawalny.
Jürgen Trittin kritisiert den Umgang mit Nawalny. ZDF/Screenshot

Grieß erklärt, dass Nawalny Videos von einer angeblichen Villa Putins am Schwarzen Meer veröffentlicht habe - eine Villa, in der allein die Klobürsten 300 Euro kosten sollen. Und das während der durchschnittliche Bürger in Russland seit Jahren fallende Löhne erlebe. Doch eine "apathische Mehrheit" der Bevölkerung würde sich gar nicht dafür interessieren, 77 Prozent der Befragten bei einer Umfrage unterstützen den Präsidenten dennoch. Auch über die hierzulande umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 würde sich die Öffentlichkeit wenig Gedanken machen.

Weimer sieht das anders. Für ihn würde Russland so tun, als sei es eine Weltmacht, jedoch sei das Land gerade in Bezug auf seine Wirtschaft genau das Gegenteil. Das BIP liege sogar unter dem Niveau Italiens. Er ist sich sicher, dass die "Machtclique um Putin" nur funktioniere, wenn das Land Gas und Öl an Deutschland verkaufe. Jede Sekunde würden wir Russland Geld bezahlen, heute schon allein 55 Millionen.

"Im Grunde genommen, sind wir das Portemonnaie Putins."
Wolfram Weimer

Somit würden auch wir ihm die Villa am Schwarzen Meer mitfinanzieren, beschwert sich der Journalist. Für Weimar sei der Umgang mit Nawalny so "skandalös", dass Deutschland definitiv damit drohen sollte, Nord Stream 2 nicht fertig zu bauen. "Das ist ein Verrat an unseren demokratischen Werten." Er findet, die Ehefrau des Oppositionspolitikers sollte ins Bundeskanzleramt eingeladen werden, um ihr "die Weltbühne zu geben" - sie sei schließlich auch eine Freiheitskämpferin.

Auch der Grünen-Politiker fragt sich, warum die EU nicht die "Assets" der russischen Oligarchen sperrt. Sie alle hätten Besitztümer in Europe, die "offensichtlich durch Korruption" finanziert wurden und dennoch würde nichts dagegen getan werden. Da kommen sowohl Weimer als auch Lanz schnell auf den ehemaligen Regierungskollegen Trittins zu sprechen: den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder. Schröder, der nicht nur für den russischen Energieriesen Gazprom tätig war, sondern auch heute Aufsichtsratsvorsitzender von Nord Stream 2 und Rosneft ist, ist bis heute noch in Kontakt mit Trittin. In der Frage zu Nord Stream 2 und auch Nawalny sei der SPD-Politiker "zu befangen", weshalb er dazu nichts sagen könne, erklärt Trittin. Er müsse zum "Wohl des Anteilseigenen" tätig sein und das sei in diesem Fall der russische Staat.

Ob Russland die Ukraine nur erpressen wolle mit Nord Stream 2, will Lanz wissen. Doch das sieht Trittin anders. Es würde in der EU sowieso einen "Reverse Flow" geben, der dafür sorge, dass wir Gas zurückschicken an die Ukraine und sie somit auch versorgt würde. Seiner Meinung nach, wollen die Russen einfach, dass wir ihr günstigeres Gas kaufen und zudem glaubten sie nicht so richtig an unser Vorhaben zum Klimaschutz.

Jürgen Trittin (r.) im Gespräch mit Markus Lanz (l.).
Jürgen Trittin (r.) im Gespräch mit Markus Lanz (l.). ZDF/Screenshot

Die Regierung arbeitet mit Angst gegen Corona

Auch in dieser Woche vergeht die Diskussion nicht ohne ein Gespräch über Corona. Die Philosophin Thea Dorn wundert sich darüber, dass wir auch ein Jahr nach dem Entstehen der Pandemie immer noch mit denselben Instrumenten hantieren würden: "Wo ist die Perspektive? Wo ist die vernünftige Strategie?" Die Autorin fragt zudem, ob wir unser Leben von der Angst bestimmen lassen wollen. Dabei kritisiert sie insbesondere die Regierung in Deutschland. Ihrer Meinung nach würde diese versuchen mit Angst zu regieren, indem das "Angstlevel hochgehalten" würde.

Sie habe noch eine Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Ohr aus dem vergangene Jahr, als der Impfstoff wie ein "auf die Erde gekommener Messias" erwartet wurde, weil das das Ende der Pandemie bedeuten solle. Für Dorn habe man sich zu sehr auf diese Exitstrategie fixiert und dabei vergessen, dass wir weiterhin mit dem Virus leben werden müssen. "Ich fürchte, unsere Politik ist blockiert, weil sie nicht einsehen will, dass wir noch lange damit leben werden. Denn sonst müsste sie Strategien entwickeln." Die Philosophin kritisiert zudem die "Krisenrhetorik" mit der über Corona gesprochen würde.

Thea Dorn erwartet mehr Ehrlichkeit von der Regierung im Umgang mit Corona.
Thea Dorn erwartet mehr Ehrlichkeit von der Regierung im Umgang mit Corona. ZDF/Screenshot

"Wir sind in einem tragischen Dilemma, weil es nicht die gute Lösung gibt", sagt Dorn. Egal wie entschieden würde, man würde einer anderen Seite "Unrecht aufladen". Trotzdem wünsche sie sich mehr Ehrlichkeit von der Politik und einfach das Zugeben, dass man nicht wisse, wie lange die Situation sich noch ziehen würde. Sie möchte nicht wie ein Kind behandelt werden, mit dessen "Urängsten" gespielt würde. Sie sagt, das Bundesinnenministerium habe in einem internen Papier entschieden, die Bürger nicht wie Erwachsene zu behandeln, sondern tatsächlich mit den Ängsten von Menschen gegen Corona vorzugehen.

Auch Weimer fragt sich, warum macht nicht in die 30, 40 Länder der Welt schaue, die das besser machen als wir. Er habe jedoch auch eine gute Nachricht. Er sei Historiker und habe damals mit einem Seuchenhistoriker studiert. Dieser habe ihm gesagt, dass es alle 25 Jahre eine Seuche in Europa gebe und die Mutanten immer ein Zeichen dafür seien, dass es vorbeigehe. Die seien zwar ansteckender, aber nicht so gefährlich. "Vielleicht ist das also der Anfang vom Ende", sagt der Journalist. Trotzdem kritisiert er die "Nebenregierung" und meint damit die Exekutive. Der Bundestag habe nichts mehr zu bestimmen und dies sei ein "Verrat an der Demokratie".

Auch Trittin stimmt ihm zu. Für ihn sei das zu Beginn der Pandemie alles in Ordnung gewesen, aber beispielsweise die Reihenfolge der Impfstrategie sei eine Sache gewesen, die das Parlament hätte entscheiden müssen. Er warte nur darauf, bis jemand vor das Bundesverfassungsgericht ziehe. Da wirft Weimer sofort ein, dass selbst der Chef des Bundesverfassungsgerichtes bereits gesagt habe, dies sei ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung. Das Parlament müsse sich seine Macht "wieder zurückholen".

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