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ARD-Gast mit düsterer Kriegs-Prognose: "Macht euch nichts vor"

FDP-Grandseigneur Gerhart Baum vermisst, dass die Politik Tacheles mit den Bürgern redet.
FDP-Grandseigneur Gerhart Baum vermisst, dass die Politik Tacheles mit den Bürgern redet. bild: screenshot ard
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"Maischberger": Gast mit düsterer Kriegs-Prognose – "Es ist nicht in vier Monaten vorbei"

24.03.2022, 10:05
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Russlands Krieg gegen die Ukraine geht in die vierte Woche und FDP-Grandseigneur Gerhart Baum rechnet auch mit keinem baldigen Ende. Auch den Wohlstand in Deutschland sieht der Ex-Innenminister gefährdet. Sandra Maischberger talkt am Mittwoch mit folgenden Gästen:

  • Gerhart Baum, FDP (Bundesinnenminister a. D.)
  • Nina Chruschtschowa (Politologin, Urenkelin von Nikita Chruschtschow)
  • Wolfgang Richter (Oberst a. D.)
  • Georg Restle (Redaktionsleiter von "Monitor")
  • Eva Quadbeck (stv. Chefredakteurin der Hauptstadtredaktion des Redationsnetzwerks Deutschland)
  • Alev Dogan, Chefreporterin bei "The Pioneer"

Gerhart Baum wünscht sich Klartext von der Regierung

Der ehemalige FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum ist ein Zeitzeuge. Als 12-Jähriger hat er die Bombardierung Dresdens miterlebt, schließlich das Nachkriegsdeutschland und die Weltordnung wieder mit aufgebaut. Inzwischen ist er 89 jahre alt – und findet, dass die Lage ein "sehr düsteres Bild" abgibt.

"Diese Weltordnung ist zum ersten Mal elementar herausgefordert. Durch eine Atommacht mit ständigem Sitz im Sicherheitsrat. Das ist so ein massiver Eingriff. Wir müssen uns darauf einstellen, dass nichts mehr so ist, wie es war. Wir leben in einer anderen Welt."
Gerhart Baum

Das reiche von den galoppierenden Energiepreisen hierzulande bis zur Hungersnot in Afrika wegen des Weizens, der in der Ukraine nicht angebaut werden kann. "Wir werden uns einstellen müssen auf ein anderes Leben, wo wir mehr opfern und einbringen müssen. Ich vermisse, dass uns die Regierung das ganz klar sagt."

Hierzulande sind es bisher nur materielle Folgen, die der Krieg verursacht. Doch in der Ukraine verlieren täglich nicht nur Soldaten, sondern auch viele Zivilisten, ihr Leben.

Darum hat Baum gemeinsam mit der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor, Wladimir Putin und auch seine Generäle in der kommenden Woche beim Generalbundesanwalt anzuzeigen. "Was wir da sehen, ist das Handeln von Kriegsverbrechern und das ist kein hohles Wort, das fußt auf internationalem Recht. Angriffskrieg wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet."

Zur Anzeige kommen einzelne Aktionen, die gegen die Zivilbevölkerung gerichtet sind, denn für Baum hat das Vorgehen Struktur. "Terror ist das Ziel, die Bevölkerung soll terrorisiert werden." Es sei durchaus nachzuvollziehen, wer die Verantwortung für einzelne Militärmaßnahmen trägt. "Das Signal heißt: Ihr kommt nicht davon, wir vergessen nicht!"

Äußerst skeptisch steht er auch Friedensverhandlungen gegenüber, mit Putin als Partner. "Ein Frieden mit Putin ist kein Frieden." Dieser habe alle Verträge gebrochen und darum ist Baum auch höchst skeptisch, ob Putin in seinem Eroberungsdrang Halt macht vor anderen Ex-Sowjetrepubliken.

"Ich bin nicht sicher, was er mit den baltischen Staaten macht, ich bin nicht sicher, was er mit Moldawien macht."
Gerhart Baum

Der Westen müsse "viel tatkräftiger werden". Zum Beispiel sei die Einrichtung einer Flugverbotszone "ein außerordentlich wirksames Mittel". Weil das aber ziemlich sicher die Nato mit in den Krieg verwickeln würde, hat Baum erstmal eine Vorstufe im Sinn: "Ich würde mal damit anfangen, sie anzudrohen."

Derweil eskaliert Wladimir Putin nicht nur militärisch weiter. Gerade hat er angewiesen, dass Energie-Exporte nur noch mit Rubel zu bezahlen seien. Das würde zur Aushöhlung der Sanktionen des Westens führen, weil man diese Rubel bei der Russischen Zentralbank eintauschen müsse – sie steht aber auf der Sanktionsliste. "Das geht zu weit, das dürfen wir uns nicht gefallen lassen", findet Baum, es sei Zeit für den Gas-Stop aus Russland. "Die Gasvorräte werden ja noch eine Zeit lang reichen, nehme ich an."

"Diese Einigkeit wird den Krieg überdauern, geeint in Hass auf Putin"

Mit einem kurzfristigen Ende des Krieges rechnet er allerdings nicht. "Ich glaube, wir werden noch einen langen Abnutzungsprozess erleben. Macht euch nichts vor, es ist nicht in vier Monaten vorbei." Er hält es für möglich, dass der Krieg in irgendeiner Form noch ein Jahr dauert. Und auch den Deutschen würde es an den Wohlstand gehen.

Georg Restle (li.) hat für die ARD in den vergangenen Wochen aus Lwiw berichtet.
Georg Restle (li.) hat für die ARD in den vergangenen Wochen aus Lwiw berichtet. null / screenshot ard

"Monitor"-Redaktionsleiter Georg Restle hat in den vergangenen Wochen für die ARD aus Lwiw im ruhigeren Westen der Ukraine berichtet. "Der Krieg ist auch dort angekommen", lautet sein Fazit. Eltern, die ihren wehrpflichtigen Sohn zurücklassen sollen, krebskranke Kinder auf der Flucht, die eine Chemo brauchen oder ganz einfach von den Luftangriffen Kriegstraumatisierte – sie alle hat er getroffen. Die Notsituation habe die durchaus unterschiedlichen Menschen aus verschiedenen Landesteilen geeint. "In den Umarmungen, die man dort sieht, spürt man die neue Einigkeit des Landes zwischen Ost und West. Diese Einigkeit wird den Krieg überdauern, geeint in Hass auf Putin", ist sich Restle sicher.

Er sei im Herzen zwar Pazifist, aber im Kopf Realist. Darum findet er, dass man alles tun müsse, damit die Ukraine sich selbst verteidigen kann und er versteht auch die Erwartung der Ukrainer an die Deutschen, was eine Unterstützung mit Waffen angeht.

Diese sei "sehr groß und die Enttäuschung ist dann umso größer." Und genauso wie für Gerhart Baum, gibt es auch für Georg Restle keinen denkbaren und dauerhaften Frieden mit Wladimir Putin als russischem Präsidenten:

"Ein Frieden nach Putins Diktat ist ein Frieden, der den nächsten Krieg schon in sich trägt. Ich glaube, solange Putin in Moskau regiert, wird Osteuropa keinen Frieden finden."
Georg Restle

Eva Quadbeck vom Redaktionsnetzwerk Deutschland findet, dass die Bundesregierung "noch im Lernprozess" sei, was zum Beispiel Unterstützung für die Ukraine angehe. "Sie reagiert immer erst im Nachhinein." Quadbeck wünscht sich "mehr Kreativität" von der Nato, ohne direkt in den Krieg einzugreifen. Und auch Alev Dogan, Chefreporterin bei "The Pioneer", plädiert für mehr Waffenlieferungen. Eine Flugverbotszone hingegen fürchtet sie als Eintrittsszenario in den Dritten Weltkrieg.

Sandra Maischberger im Gespräch mit Wolfgang Richter (li.) und Nina Chruschtschowa (auf den Monitoren)
Sandra Maischberger im Gespräch mit Wolfgang Richter (li.) und Nina Chruschtschowa (auf den Monitoren)Bild: screenshot ard

Nina Chruschtschowa ist Politologin und Urenkelin von Nikita Chruschtschow, der Josef Stalin als Ministerpräsident der Sowjetunion folgte. Sie hatte kurz vor Russlands Überfall noch in einem Interview gesagt, dass sie nicht an einen russischen Angriff auf die Ukraine glaube, weil es "eine Selbstmordmission" sei. Auch heute hat sie keine wirkliche Erklärung, warum Putin es doch getan hat.

Aber ihre Vermutung, ist dass auch sein Wunsch eine Rolle spiele, "den USA mal so richtig zu zeigen, dass sie nicht die Kontrolle haben". Sie glaubt, "er wird den Weg zu Ende gehen, um zu beweisen, dass Russland noch immer groß ist". Auch mit einem Atomschlag? "Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird, aber momentan kann ich nichts ausschließen.“

Muss die Nato noch mehr tun?

Oberst a. D. Wolfgang Richter sieht keine akute Atomgefahr. "Wer als erster schießt, stirbt als zweiter" – diesen atomaren Lehrsatz würden auch Putin und seine Generäle kennen. Aber trotzdem sei besonnenes Handeln nötig – wenn mal ein Flugzeug, was durchaus passieren könne, versehentlich Grenzen überschreite, oder eine fehlgeleitete Rakete Nato-Gebiet trifft. Dafür gebe es aber auch in diesem Krieg "rote Telefone", also Direktverbindungen von westlicher Politik und Militär mit Russland, um eine ungewollte Eskalation zu verhindern.

Gleichzeitig müsse die Nato "stärkere Truppen an der Ostflanke stationieren", ist sich der Ex-Militär sicher. "Wir sehen da auch einer neuen Periode der Sicherheitsordnung entgegen, die Russland ausschließt." Das klingt nach der Zeit des Kalten Krieges. Damals sprach man von einem Eisernen Vorhang vor der Sowjetunion.

Richter nennt die künftige Trennline zwischen Europa und Russland nun einen "eisernen Gürtel vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer".

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