Satire in Zeiten des Krieges hat im deutschen Fernsehen verblüffende Hochkonjunktur – das lässt sich zumindest gute zwei Wochen nach Beginn der russischen Invasion der Ukraine so festhalten. Bei "Die Anstalt" (ZDF) verfiel man unter der Woche auf die vortreffliche und viel gelobte Idee, sowohl regimekritischen russischen als auch ukrainischstämmigen Künstlern die Bühne zu überlassen. Darauf kam in der "heute-show" zwar keiner, doch waren in der Vorwoche die Einschaltquoten ebenso rekordverdächtig wie beim nachfolgenden "ZDF Magazin Royale" mit Jan Böhmermann. Den Kriegsschock wegzulachen, scheint vielen ein Bedürfnis zu sein.
Natürlich drängt sich Wladimir Putin in seinem grotesken Größenwahn geradezu auf als Parodieopfer. Und doch wirkte es ein bisschen wie tragikomisches Schattenboxen, als sich Oliver Welke in der neusten "heute-show"-Ausgabe effektvoll in die "Loser Cam" drehte und dem Kreml-Boss eine Standpauke hielt. "Sieben der zehn größten Konzerne deines Landes sind im Energie-Business!", hob der Satire-Anchor an. "Du zerschießt dir gerade dein einziges Geschäftsmodell. Für immer. Mach mal genau so weiter! Dann ist deine Möchtegern-Supermacht bald ne Kolonie von China!" Geht's auch ein bisschen böser? "Du bist der erste der Mensch der Welt, der vom Papst und von PornHub-Usern öffentlich verurteilt wird!" Vielleicht lassen wir das auch lieber.
"Putin hat dieses Land und seinen Freiheitswillen total unterschätzt", gab immerhin den Kommentatoren- und Expertenkonsens korrekt wider. Welke meinte vor allem die dem Widerstand angeschlossenen ukrainischen Mütter, "die gefährlichste Spezies der Welt, unausgeschlafen und bewaffnet". Vielleicht ist es ganz gut, dass in den Kriegsschauplätzen der Ukraine deutsches Fernsehen gerade schlecht empfangbar ist.
Besser sitzen die "heute-show"-Pointen ohnehin traditionell, wenn sie sich gegen Versagen im eigenen Land richten. "Am Tegernsee wohnen schätzungsweise zehn russische Oligarchen, aber bis jetzt ist dem deutschen Staat nicht gelungen, irgendetwas einzufrieren", wurde beklagt. Dann verpuffen alle Maßnahmen? Keineswegs: Russische Katzen dürfen hierzulande nicht mehr an Schönheitswettbewerben teilnehmen. Leider keine Satire, sondern Realität, wenn man es richtig verstand.
Beim Zivilschutz sieht es nicht erfreulicher aus. Schutzbunker besitzt der Staat nicht mehr – sie wurden alle verkauft. Gerade läuft eine mehrmonatige Bestandsaufnahme. Christian Ehring bat in seiner Funktion als Zivilschutzbeauftragter: "Da appelliere ich einfach mal an die Fairness des Gegners, so lange zu warten." Gut, dass auch die Sirenen in Deutschland wie unlängst nachgewiesen nicht funktionieren, man wolle ja den Leuten nicht unnötig Hoffnung machen, einen Schutzraum zu finden.
Und wie lösen wir das derzeit heiß diskutierte Energiedilemma? Geschätzt eine Milliarde Dollar überweisen die EU-Staaten jeden Tag für russisches Erdöl, Gas und Kohle – Putins mörderischer Kriegszug wird direkt an deutschen Heizungsreglern mitfinanziert. "Wir haben uns abhängig gemacht von einem kriegsgeilen Psycho", musste Welke einräumen. "Das war nicht gut, aber irre praktisch und preiswert ne Zeit lang."
Also besser fossile Energieträger woanders kaufen – etwa im Iran? "Es gibt aktuell keine schönen Lösungen mehr", stöhnte Welke. Oder doch? Warum nicht über die kalte Jahreszeit in südliche Gefilde ziehen, wie es Teile der Tierwelt erfolgreich vormachen ("Eine Herde Sachsen nähert sich durstig dem Wasserloch")?
Oder man übergibt das Projekt Freiheitsenergie gleich der Bundeswehr. Till Reiners als "Stabsfeldwebel der allerletzten Reserve" hatte die passende Losung zur Hand: "Heizung auf maximal zehn, elf Grad, und dann eben drei Pullis übereinander. Wo ist das Problem?" Die Aktion heiße "Pulli statt Putin!" Und: "Wir ballern jetzt in jeden Vorgarten ein Windrad!"
So blieb es bis zuletzt eine engagierte, aber auch etwas hilflose "heute-show"-Ausgabe. Und damit die perfekte Analogie zum Zustand der westlichen Welt.