Hinter verschlossenen Türen haben SPD, Grüne und die FDP in den vergangenen Wochen Sondierungsgespräche geführt und beschlossen, noch in dieser Woche Koalitionsverhandlungen zu beginnen. Doch wie ging es dabei zwischen den Parteivertretern zu? Schließlich suchen mit FDP und Grünen zwei in vielen Punkten konträre Parteien den Schulterschluss.
Markus Lanz hat versucht in seiner Sendung am Dienstagabend einen Blick hinter die Kulissen der Verhandlungen zu erhaschen – so richtig gelang ihm das jedoch nicht.
Das lag in erster Linie daran, dass sich Grünen-Chef Robert Habeck nicht in die Karten schauen lassen wollte – wohl vor allem, um zart geknüpfte Bande mit den künftigen Koalitionspartnern nicht zu gefährden.
So wollte Lanz beispielsweise über das zwölfseitige Ergebnispapier der Sondierungsgespräche wissen: "Das Wort 'idealerweise', von wem kommt das?" Zur Erinnerung – in dem Papier hieß es im Klimaschutz-Kapitel unter anderem: "Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030."
"Ich könnte es ihnen jetzt sagen, mache ich aber nicht", sagte Habeck stur. Ein bisschen mehr gab er preis als Lanz nachhakte, wer denn den Satz formuliert habe: "Niemand wird ins Bergfreie fallen." Der stamme vonseiten der SPD, verriet Habeck lediglich. Wer genau ihn formuliert habe, wisse er nicht und würde das davon abgesehen auch nicht näher benennen.
Ganz so einfach davonkommen ließ Lanz den Grünen-Chef allerdings nicht bei jedem Thema. Als das Tempolimit zur Sprache kam, wollte es der Moderator ganz genau wissen. "Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben", erklärte Habeck in der Talkrunde. Und fügte hinzu: Grund für diesen Beschluss sei gewesen, dass die FDP das Tempolimit nicht gewollt "und alles daran geknüpft" habe.
"Das ist ihre DNA!", merkte Lanz daraufhin aufgebracht an und spielte einen Ausschnitt aus einem Gespräch mit Grünen-Chefin Annalena Baerbock ein, in dem auch sie das Tempolimit als "zentrale Forderung" der Grünen bezeichnete.
Habeck ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er habe sich bei dem Thema eben nicht durchsetzen können, gestand er ein. Merkte jedoch an: "Umgekehrt ist ja zugestanden worden, dass wir ein Enddatum des fossilen Verbrennungsmotors in Deutschland haben." Das sei mit Blick auf CO2-Einsparungen das weitaus wichtigere Themenfeld. Darüber hinaus sei er der Meinung, damit aus der Dynamik zwischen den Parteien Neues entstehen könne, "muss man auch mal was geben".
Der Leiter des "taz"-Parlamentsbüros Ulrich Schulte zeigte sich skeptisch gegenüber Habecks Schilderung. "Herr Habeck, dass die FDP aufsteht, wenn kein Tempolimit kommt, glaubt kein Mensch", so Schulte. Ein derartiges Thema sei für die Liberalen im Großen und Ganzen mit Blick auf die Verhandlungen "Peanuts".
Für den Klimaschutz müsste "an allen Schrauben gedreht" werden, so Schulte. Zwei Millionen Tonnen CO2-Ausstoß, die durch ein Tempolimit jährlich vermieden werden könnten, seien eben doch zwei Millionen Tonnen!
Auch die Politikexpertin vom "RedaktionsNetzwerk Deutschland", Kristina Dunz, zeigte sich wenig begeistert vom Nachgeben der Grünen beim Thema Tempolimit. Aus ihrer Sicht handele es sich um "eine verpasste Chance, weil ein Teil der Gesellschaft darauf eingestellt war und gar nicht protestiert hätte".
CDU-Politikerin Karin Prien sah in dem Thema Tempolimit vor allem einen "hohen Symbolwert". Den habe es allerdings sowohl für die Grünen als auch für die FDP.
Doch es ging am Dienstagabend nicht nur um die Themen, die in dem Sondierungspapier bereits festgehalten wurden – sondern auch um die Stellen, an denen es noch Lücken gibt. Fragen wie: Wie soll der CO2-Preis aussehen und wie der Bahn-Ausgleich klappen?, seien bisher noch offen, wie "taz"-Journalist Schulte anmerkte. Auch sehe er im Thema Kostendeckung einen "Knackpunkt" des Bündnis'.
Habeck wies die Kritik zurück. Bei einem Sondierungspapier handele es sich um ein "Dokument des Einigungswillens". Einige Themenfelder seien in diesem noch nicht tiefergehend besprochen, denn in erster Linie werde beim Erarbeiten geprüft, ob zwischen den Ampel-Partnern genug Vertrauen für eine Zusammenarbeit bestehe, so der Grünen-Chef.
Angesichts der Finanzierungsfrage erklärte er: "Es wird nicht am Geld scheitern, Deutschland klimaneutral zu machen." "Kredite" seien ein Weg, um Investitionen in Klimaschutzprojekte voranzutreiben. Genauer ins Detail hinsichtlich der Finanzierung ging der Grünen-Chef mit Hinweis auf die Verhandlungen mit SPD und FDP jedoch nicht.
Und dann gelang es Lanz schließlich doch noch einen kleinen Blick in Habecks Karten zu erhaschen. Dafür zeigte er ihm ein Video des FDP-Parteitags, in dem sich Christian Lindner auf der Bühne darüber amüsierte, dass Habeck das Wort "Kredite" dem Wort "Schulden" vorzieht. "Kennen Sie das?", wollte Lanz über den Ausschnitt von Habeck wissen?
"Nein, ich gucke nicht die YouTube-Videos von Christian Lindner", so der Grünen-Chef. "Das nervt sie gerade richtig", freute sich Lanz angesichts Habecks Miene und zitierte Lindner, der in seiner Rede verkündet hatte: "Das wird heiter werden."
Habeck reagierte prompt und offenbarte: "Ja, wir haben viel Spaß miteinander…"