Die Demonstrantin schreit in die Kamera. Sie spricht von Mord. Und fordert Gehör. Sie ist nicht die Einzige, die an diesem Tag mit lautem Protest dagegen angeht, dass ihnen nicht zugehört wird. Ihnen, den Schwarzen.
Die Demonstration am Berliner Alexanderplatz soll "silent" sein – und wird doch sehr laut: "Wir müssen heute zusammen kommen und uns vereinen, um gemeinsam gegen das aufzustehen, was passiert ist", ruft ein weiterer Demonstrant auf dem Alexanderplatz. Er hat sich ein Tuch um Mund und Nase gebunden, trägt Sonnenbrille. 1500 Personen waren für die "Nein zu Rassismus"-Demonstration angemeldet, gekommen sind wesentlich mehr – 15.000 Menschen waren es laut Polizeiangaben. Viele trugen schwarze Kleidung und verwandelten den sonst so bunten Alex in ein dunkles Menschen-Meer.
Braune Pappkartons mit schwarzer Schrift wiegen über den Köpfen der Menschen. Sätze wie "Black Lives Matter" ("Schwarze Leben zählen") und "I can't breathe" ("Ich kann nicht atmen") drücken Wut, Trauer und Anteilnahme aus. Dazwischen ist immer wieder das Gesicht des US-Präsidenten Donald Trump zu sehen.
Mit Mindestabstand ist es nicht weit her, die meisten Demonstranten trugen aber einen Mund-Nasen-Schutz. Die Aufrufe der Berliner Polizei, den Abstand einzuhalten verhallen ungehört. Die Sorgen auf dem Alex an diesem Samstag sind sie andere als eine Ansteckung mit dem Coronavirus.
Den Demonstranten steht die Wut über die rassistische Gewalt ins Gesicht und auf die Transparente geschrieben. Alle eint das gemeinsame Ziel, gegen Rassismus laut zu werden. Die Stimmung bleibt friedlich und freundschaftlich, eine Gruppe schwarzer Aktivistinnen verteilt Donuts an schwarze "Brüder und Schwestern".
Eigentlich sind die Teilnehmer aufgefordert, im Gedenken an George Floyd für 8 Minuten und 46 Sekunden schweigend zu protestieren. So lange kniete der Polizist in Floyds Nacken. Zu diesem stillen Protest kam es dann auch – aber es blieb nicht dabei.
Stillschweigendes Gedenken angesichts zum Himmel schreiender Ungerechtigkeit, daran gab es bereits im Vorfeld Kritik. "Stille ist nicht die Antwort", schrieb die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland ISD auf Twitter. Seit Jahrzehnten würden die Stimmen der Schwarzen unterdrückt und nicht gehört.
"No Justice, No Peace"-Rufe ("Keine Gerechtigkeit, kein Friede") branden immer wieder über den Platz und übertönen die Stille. Mit heiserer Stimme erklärt eine andere Demonstrantin: "Wir haben uns mit ein paar Leuten zusammengetan, weil wir der Meinung sind, dass gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist, um leise zu sein."
Mit Black-Lives-Matter-Transparenten hat sie mit ihrer Gruppe eine eigene Kundgebung auf dem Alexanderplatz auf die Beine gestellt. Viele schließen sich ihr an. Alle mit dem Ziel, dass ihre Stimme endlich gehört wird.
Ihre Botschaft: Rassismus und Gewalt gegen Schwarze existiert auch in Deutschland, nicht nur in den USA. Den Tod von George Floyd wollen sie nutzen, um auf das weltweite Problem der rassistischen Polizeigewalt aufmerksam zu machen.
Etwas abseits der schwarzen Menge steht Robel. Der Afrodeutsche erklärt, was Schwarze auch hierzulande immer wieder erdulden müssen:
Auch er hat sich mit zahlreichen Schwarzen, aber auch Weißen Freunden zusammengetan, um lautstark und mit selbst gebastelten Plakaten auf Rassismus aufmerksam zu machen.
Die Polizei muss schließlich Teile des Alexanderplatzes absperren, der Protest verlagert sich auf die umliegenden Straßen, die ebenfalls gesperrt werden müssen. Der Stimmung tut das an diesem Samstag keinen Abbruch – der Kampf gegen Rassismus war an diesem Tag das wichtigere Zeichen.