Donald Trump wird durch die Erkenntnisse des Ausschuss belastet.Bild: ap / Joe Maiorana
International
10.06.2022, 07:4010.06.2022, 08:02
Der Untersuchungsausschuss zur Erstürmung
des US-Kapitols hat in einer viel beachteten ersten öffentlichen
Anhörung neue Erkenntnisse zu den Hintergründen der Attacke
offengelegt und Ex-Präsident Donald Trump weiter belastet. In der
Sitzung, die am Donnerstagabend (Ortszeit) zur Hauptsendezeit von
diversen Fernsehsendern live übertragen wurde, zeigte das Gremium
unter anderem bislang unveröffentlichtes Videomaterial und
Ausschnitte aus Befragungen früherer Mitglieder der Trump-Regierung.
So bezeichnete etwa der damalige Justizminister William Barr die
Wahlbetrugsbehauptungen Trumps als "Schwachsinn".
Die Ausschussmitglieder warfen Trump vor, dieser habe mit seinen
Betrugsbehauptungen den wütenden Mob angetrieben. Der
Ausschussvorsitzende Bennie Thompson sprach von einem "Putschversuch"
und mahnte, die Demokratie in den USA sei weiter in Gefahr.
Angeblicher Wahlbetrug: Trump stachelte Anhänger an
Anhänger des damaligen republikanischen Präsidenten Trump hatten
am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington
erstürmt. Sie wollten verhindern, dass der Wahlsieg des Demokraten
Joe Biden vom November 2020 bestätigt wird. Bei der Attacke kamen
damals mehrere Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.
Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit
aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Der
Präsident musste sich deswegen einem Amtsenthebungsverfahren stellen,
an dessen Ende er damals freigesprochen wurde. Der
Untersuchungsausschuss im Kongress wurde im Sommer 2021 eingesetzt,
um die Hintergründe des Angriffs auf das Kapitol aufzuklären.
Die Bilder aus der US-Hauptstadt gingen um die WeltBild: ap / Manuel Balce Ceneta
Die Vize-Ausschusschefin, die Republikanerin und Trump-Kritikerin
Liz Cheney, sagte, die Attacke sei "kein spontaner Aufstand" gewesen.
"Präsident Trump hat den Mob herbeigerufen, den Mob versammelt und
die Flamme dieses Angriffs entzündet." Über Monate habe Trump einen
ausgeklügelten Plan koordiniert, den Ausgang der Präsidentenwahl zu
kippen und die Machtübergabe an seinen Nachfolger zu verhindern.
Der Untersuchungsausschuss hatte über Monate hinter
verschlossenen Türen Hunderte Zeugen befragt und große Mengen an
Dokumenten und Beweismaterial gesichtet. In der öffentlichen Sitzung
wurden erstmals Ausschnitte der Befragungen gezeigt - unter anderem
von Barr. Darin sagte der Ex-Justizminister mit Blick auf Trumps
Behauptungen zum Wahlbetrug, er habe mehrere Gespräche mit ihm zu dem
Thema gehabt. "Ich habe deutlich gemacht, dass ich nicht damit
einverstanden bin, dass behauptet wird, die Wahl sei gestohlen
worden, und dass dieses Zeug verbreitet wird, von dem ich dem
Präsidenten gesagt habe, dass es Schwachsinn (Original: "Bullshit")
ist." Behauptungen dieser Art nannte Barr "verrückt".
Trump soll Drohungen gegen Vize Mike Pence gutgeheißen haben
Der Ausschuss zeigte auch den Video-Mitschnitt einer Befragung
von Trumps Tochter Ivanka. Gefragt nach Barrs Aussagen sagte sie,
dessen Einschätzung habe durchaus Auswirkungen auf ihre Sichtweise
gehabt. Sie respektiere Barr. "Also akzeptierte ich, was er sagte."
Das Gremium legte offen, Trump habe sich während des Sturms auf
das Kapitol positiv über Drohungen seiner Anhänger gegen
Vizepräsident Mike Pence geäußert. Cheney sagte unter Berufung auf
Erkenntnisse des Gremiums, Trump habe von den Drohungen gewusst und
dazu gesagt: "Vielleicht haben unsere Anhänger die richtige Idee."
Pence verdiene es, zitierte Cheney Trump weiter. Pence hatte am 6.
Januar 2021 in seiner Rolle als Vizepräsident die Kongresssitzung
geleitet, bei der Bidens Wahlsieg bestätigt wurde. Trumps Anhänger
suchten damals im Gebäude auch nach Pence, den sie als Verräter
beschimpften und zu hängen drohten, weil er Bidens Bestätigung nicht
verhinderte.
Mehrere Anhörungen geplant zur Kapitol-Erstürmung
Pence war nach Erkenntnissen des Ausschusses derjenige, der am
Ende die Nationalgarde zur Unterstützung anforderte, um die Lage am
Kapitol unter Kontrolle zu bringen. Dies gab Generalstabschef Mark
Milley in seiner Befragung an, aus der ebenfalls Ausschnitte gezeigt
wurden. Das Weiße Haus habe es jedoch so darstellen wollen, als habe
Trump die Entscheidung getroffen, hieß es weiter.
Auch Ivanka Trump war befragt worden.Bild: imago images / IMAGO/Mandel Ngan - Pool
Bei der Ausschusssitzung sagten außerdem live zwei Zeugen aus:
Eine Polizistin, die bei der Kapitol-Attacke verletzt worden war,
erzählte auf eindrückliche Weise von ihren traumatischen Erlebnissen.
Und ein Dokumentarfilmer, der am Tag des Angriffs Mitglieder der
rechten Miliz "Proud Boys" begleitet hatte, berichtete von seinen
Erfahrungen. Die "Proud Boys" und die rechte Gruppierung "Oath
Keepers" spielten nach Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses
eine entscheidende Rolle bei der Attacke. Sie seien teils in voller
Kampfausrüstung erschienen und hätten den Angriff koordiniert.
Mitglieder beider Gruppen wurden nach der Erstürmung festgenommen und
angeklagt. Die Verfahren laufen größtenteils noch.
In den kommenden Wochen sollen weitere öffentliche Anhörungen des
Gremiums folgen. Die nächste Sitzung ist für Montag
angesetzt.
(fas / dpa)