Die brutale Söldnertruppe "Gruppe-Wagner" gilt als Putins Schattenarmee. Bild: IMAGO / SNA
Analyse
Die brutalen Kämpfer der Wagner Gruppe sind Putins Ass im Ärmel. Sie werden von Tag zu Tag wichtiger für den Kremlchef und seinen Angriffskrieg in der Ukraine. Putin hat Personalprobleme in seiner regulären Armee, weshalb er nun vermehrt die Söldnergruppe einsetzt. Das berichtet auch der britische Geheimdienst und verweist dabei auf die Einnahme der ostukrainischen Städte Popasna und Lyssytschansk. Ohne den Einsatz der "Wagner Gruppe" wären demnach die russischen Truppen weniger effektiv gewesen.
Dass die Gruppe vermutlich immer brutaler wird, zeigt ein schockierendes Video, das momentan im Netz kursiert. Es zeigt, wie ein Söldner der "Gruppe Wagner" einem ukrainischen Gefangenen mit dem Messer die Genitalien abtrennt. Anschließend legt er diese auf das Gesicht des Mannes, bevor er erschossen wird. Die Aufnahme ist nicht verifiziert, dennoch sind die Kämpfer der Wagner Truppe für Gräueltaten wie diese bekannt.
Sie erregen die Öffentlichkeit durch ihre Gewalttaten, versetzen Zivilisten in Angst und Schrecken – Methoden, die an die terroristische Organisation "Islamischer Staat" (IS) erinnern. IS-Terroristen veröffentlichen immer wieder Videos von Enthauptungen und Folterungen über die sozialen Netzwerke.
Trägt die "Gruppe Wagner" den Charakter einer terroristischen Organisation und können die Söldner für ihre Verbrechen verurteilt werden? Darüber hat watson mit Ulf Laessing gesprochen. Er ist Leiter des Regionalprogrammes Sahel in Mali für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung.
Die profitorientierte Wagnerfirma
Zunehmend kommen die Verbrechen der Schattenarmee des russischen Präsidenten Wladimir Putin ans Licht – nicht zuletzt durch ihren derzeitigen Einsatz in der Ukraine.
Auch in Mali, Syrien, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und dem Sudan operiert die Söldner-Einheit verdeckt. Das russische private Sicherheits- und Militärunternehmen agiert bis heute ungehindert sowie ungestraft in der Welt.
Aber kann man bei der "Gruppe Wagner" nun von einer Terrorgruppe sprechen?
Nein, sagt Experte Laessing gegenüber watson. Ihm nach ist die "Gruppe Wagner" keinesfalls eine terroristische Organisation, sondern ein Unternehmen, das Söldner als Dienstleistung anbietet. "Terroristische Gruppen verfolgen in der Regel politische oder religiöse Ziele, bei Wagner geht es vor allem darum, Profit zu machen" erklärt der ehemalige Auslandskorrespondent der Nachrichtenagentur Reuters. Er hat unter anderem im Nahen Osten gearbeitet und sich Themen wie Militärmissionen, Terrorismus und Dschihadisten gewidmet.
"Sie werden gezielt von Regierungen in Konfliktgebieten angeworben, um aktiv zu kämpfen [...] Koste es, was es wolle und ohne Rücksicht auf Verluste."
Ulf Laessing, Stiftungsvertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali für die Sahelregion
Als Eigentümer und Finanzierer der "Wagner-Gruppe" gilt der russische Unternehmer und Putin-Vertraute Jewgeni Prigoschin (auch als "Putins Koch" bekannt).Bild: IMAGO / ITAR-TASS / Mikhail Metzel
Laessing zufolge ist die Wagnerfirma zwar Teil der russischen Außenpolitik, arbeitet aber wie ein typisches Unternehmen. Regierungen, wie etwa in Afrika, die Wagner-Söldner "einkaufen", müssen dafür bezahlen. Dies geschehe durch das Ausbeuten von Rohstoffen wie Gold oder Diamanten oder gegen Cash, erklärt Laessing. Wagner-Söldner werden zwar immer wieder mit Gewaltakten zum Beispiel bei der Bekämpfung von Rebellen in Verbindung gebracht – die Kämpfer verfolgen laut dem Experten aber keine politischen Ziele: Sie arbeiten für jeden, der sie bezahlt, egal in welchem Konfliktumfeld.
"Die Wahrheit kommt immer raus. Massaker an Zivilisten kann man nicht vertuschen."
Ulf Laessing, Stiftungsvertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali für die Sahelregion
Vom Soldaten zum Söldner – Töten um jeden Preis
Viele der Wagner-Söldner haben früher in den russischen Streitkräften gedient, auch als Spezialkräfte. "Sie werden gezielt von Regierungen in Konfliktgebieten angeworben, um aktiv zu kämpfen, um etwa Rebellen niederzuschlagen. Koste es, was es wolle und ohne Rücksicht auf Verluste", erklärt Laessing.
Er führt weiter aus:
"Die Wagner-Kämpfer in Afrika werden immer wieder mit schweren Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht, etwa bei der Verminung von Wohngebieten in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Dort sind mehr als 100 Menschen durch Minen getötet worden. In der Zentralafrikanischen Republik haben die Vereinten Nationen und Menschenrechtsgruppen ebenfalls viele Übergriffe der Wagner-Söldner auf Zivilisten dokumentiert."
Spur der Verwüstung durch Wagner-Miliz
Laut Laessing sind die Einsätze der Wagner-Firma und ihre zahlreichen Geschäftsbeziehungen nicht leicht aufzudecken. Die Firma operiere verdeckt und leugne jegliche Beziehungen zum russischen Staat. Nach Meinung Laessings gilt trotzdem: "Die Wahrheit kommt immer raus. Massaker an Zivilisten kann man nicht vertuschen – die Übergriffe sprechen sich selbst in abgelegenen Regionen Afrikas rum."
Inzwischen haben Menschenrechtsgruppen die Aktivitäten der Wagner-Söldner in verschiedenen Ländern und das Geschäftsmodell der Firma mithilfe von Augenzeugenberichten gut dokumentiert. "Sicher, das dauert, und dies ist Puzzlearbeit, aber letztendlich kommt die Spur der Verwüstung durch Wagner immer ans Licht", meint Laessing. Allerdings sei die strafrechtliche Verfolgung von Wagner-Söldnern sehr schwierig.
Strafrechtliche Verfolgung von Wagner-Söldnern
Laessing nennt folgende Gründe, warum die Söldner-Einheit nicht für ihre Verbrechen strafrechtlich verfolgt werden können:
- Fehlende Zeugenaussagen
Es ist praktisch unmöglich, belastbare Zeugenaussagen von Opfern gegen individuelle Kämpfer zu bekommen. - Von Soldaten kaum zu unterscheiden
Soldaten sind zumeist bei regulären Kampfhandlungen vor Strafverfolgung geschützt. Die Kämpfer der Wagner-Gruppe operieren verdeckt als vermeintlich reguläre Soldaten, die im Rahmen bilateraler Militärabkommen stationiert werden. Sie sind schwer von regulären Soldaten zu unterscheiden, zumal sie auch Uniformen (ohne Abzeichen) tragen. Dadurch haben sie häufig praktisch Immunität. Selbst wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht, könnte der Kreml immer damit argumentieren, dass die Söldner in ihrem Einsatz Terroristen bekämpft habe - und so die Gräueltaten legitimieren.
"Die 'Wagner-Gruppe' wickelt nicht ihre Gewinne über Konten in der EU ab, daher ist die Wirkung solcher Sanktionen begrenzt."
Ulf Laessing, Stiftungsvertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali für die Sahelregion
Das Logo der "Gruppe Wagner"Bild: imago images / imago images
Wagner-Firma gegen Sanktionen immun
Eine weitere Möglichkeit, die Söldner-Einheit zu stoppen, sind Sanktionen. So hat der Westen in der Vergangenheit mit diesen Maßnahmen reagiert, um die Aktivitäten der Wagner-Gruppe einzudämmen. Dies ist Laessing zufolge allerdings kein effektives Mittel: "Die Söldner agieren zumeist in Ländern wie Sudan oder der Zentralafrikanischen Republik, wo Korruption grassiert und es kaum Geschäftsbeziehungen zu westlichen Banken gibt. Die 'Gruppe-Wagner' wickelt ihre Gewinne nicht über Konten in der EU ab, daher ist die Wirkung solcher Sanktionen begrenzt."
"Einige Länder sind dank der Söldner-Einheit jetzt noch instabiler. Das ist eiskalte Geschäftemacherei."
Konflikte und Armut füttern das Geschäftsmodell der "Gruppe Wagner"
Laessing fordert, dass Deutschland und die westlichen Partner bei ihren afrikanischen Verbündeten stärker in die Offensive gehen, um die Verbrechen der Miliz zu ächten. Die "Gruppe Wagner" sorge für Gewalt und beute Rohstoffe aus, ohne die Krisen-Länder, in denen sie operiert, stabilisieren zu wollen. "Im Gegenteil, einige Länder sind dank der Söldner-Einheit jetzt noch instabiler. Das ist eiskalte Geschäftemacherei", warnt Laessing.
Nach dem Afrika-Besuch des russischen Außenministers Sergei Lawrow haben mehrere westliche Staaten wie die USA angekündigt, mit hochrangigen Regierungsmitgliedern den Kontinent zu besuchen. Das ist laut Laessing der richtige Weg, um die russische Propaganda zu entlarven und vor den Gefahren einer Entsendung von Söldnern zu warnen.
Er sagt:
"Deutschland sollte sein Engagement in der Region als Reaktion auf Wagner ausbauen, vor allem im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Viele Konflikte in Afrika und der Sahel-Region werden durch Armut und Hoffnungslosigkeit junger Menschen getrieben, die sich entweder Dschihadisten anschließen oder versuchen, sich nach Europa durchzuschlagen. Regierungen laden sich Wagner-Söldner ein, um dann Konflikte militärisch zu lösen. Wir müssen helfen, die Ursachen solcher Konflikte wie Armut zu bekämpfen."
Strafrechtlich ist die "Gruppe Wagner" kaum verfolgbar, aber indem Deutschland und die westlichen Partner an den Konfliktursachen arbeiten, besteht laut Laessing die Möglichkeit, den Söldnern das Geschäftsmodell zu nehmen.
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