Er gilt als Kommunikationstalent. Als der Transparente. Als derjenige, der mit den Menschen spricht, statt an ihnen vorbei.
Anfang September war Robert Habeck (Grüne) beim RTL-Trendbarometer der Liebling der Abstimmenden. 24 Prozent der Befragten gaben an, ihn zum Kanzler wählen zu wollen. Nur 21 Prozent sprachen sich für den amtierenden Kanzler Olaf Scholz (SPD) aus.
Trotzdem sieht sich wohl kein anderes Mitglied der Bundesregierung aktuell mit so viel Kritik konfrontiert, wie Wirtschaftsminister Habeck. Die Gründe: Die Gasumlage, ein unglücklicher Talkshowauftritt, die Wirtschaftskrise.
Was macht die Kommunikation Robert Habecks aus? Was hat er bei "Maischberger" falsch gemacht? Darüber hat watson mit dem Kommunikationsberater Johannes Hillje gesprochen.
"Die Kommunikation von Robert Habeck ist davon geprägt, Politik zu erzählen", sagt Hillje. Das sei es, was Habecks Stil von dem anderer Politiker:innen unterscheide. Und das sei auch das Kernelement der Kommunikation Habecks.
Was genau der Kommunikationsexperte meint, erklärt er so:
Unvergesslich ist zum Beispiel Habecks Aussage nach den Vorsondierungen von FDP und Grünen nach der Bundestagswahl 2021: "Spax-Schrauben brauchen keine Mutter." Meint: Bei einer möglichen Ampel-Koalition lassen sich FDP und Grüne nicht von der größeren SPD runterbuttern.
Andere Politiker, meint Hillje, nutzten eher floskelhafte Sprache – oder technokratische Begrifflichkeiten. Sie sind also weniger nahbar. Dieses Defizit der politischen Kommunikation versuche Habeck zu überwinden. Die Transparenz in Habecks Kommunikationsstil habe einen strategischen Hintergrund.
Hillje sagt:
Durch seine Transparenz will Habeck Hillje zufolge sein politisches Handeln nachvollziehbar machen. Da sei ihm auch in den ersten Monaten im Amt gut gelungen.
Der Wirtschaftsminister beschreibt also den Kontext, in dem er eine politische Entscheidung treffen muss, um seinen Wähler:innen klarzumachen: Er macht diese Politik nicht allein. "Er macht etwas, was viele Menschen nicht gewohnt sind: Er versucht selten, schwierige Entscheidungen schönzureden", sagt Hillje. Das sei lange Zeit die "Unkultur" der politischen Kommunikation gewesen.
Insgesamt versuche Habeck, durch Ehrlichkeit eine glaubhafte Rechtfertigung für seine Entscheidungen zu erzeugen. Und das macht der Minister nicht nur in Talkshows oder dem "Morgenmagazin" des ZDF: Habeck selbst spricht auf seinen Social Media Kanälen häufig direkt zu seinen Follower:innen. Zu den Bürger:innen. Er macht sogar Liveformate auf Instagram, in denen er auf Fragen reagiert.
Worum es dem Wirtschaftsminister dabei geht, ist die Deutungshoheit, sagt Hillje. Manchmal macht es den Eindruck, als sei Habeck Politiker und Reporter in einer Person. Beispielsweise bei einem Video aus Wilhelmshaven. Darin berichtet Reporter Habeck über Politiker Habeck, der den Bau der Flüssiggas-Terminals dort eröffnete.
Hillje sagt: "Das Ziel dahinter ist es, seine Politik nicht nur zu erklären, sondern sie gleichzeitig auch zu deuten." Das sei aber nicht alles.
Denn: An den Videos von Robert Habeck ließe sich auch erkennen, dass der Grüne Politik nicht nur erzählt, sondern auch performt. "Er arbeitet mit Mimik, die beispielsweise schwierigen Abwägungen mit einem Gesichtsausdruck unterstreichen", erklärt Hillje. Auch die Orte würden bewusst gewählt, um den Eindruck zu erwecken, Menschen teilhaben zu lassen. Der Kommunikationsexperte nennt in diesem Zusammenhang das Video von Robert Habeck aus Katar.
Das Video hatte das Wirtschaftsministerium im März auf Twitter gepostet. Habeck erklärt darin, weshalb eine Energiepartnerschaft mit dem Emirat bei der Unabhängigkeit von Russland helfen könnte – obwohl es dort Probleme mit Menschenrechtsverletzungen gibt.
Hillje führt aus:
Aber auch der Wirtschaftsminister mache Fehler in der Kommunikation – beispielsweise Anfang September im Talkformat von Sandra Maischberger in der ARD. Dort verstrickte sich Habeck in eine Debatte über den Begriff der Insolvenz.
Danach zog ein Shitstorm über den Grünen hinweg. Und das, obwohl seine Aussage zum Thema Insolvenzen nicht falsch war. Diverse Wirtschaftsexpert:innen haben sich mittlerweile in die Twitter-Debatte eingemischt – und geben dem Minister recht.
Aus Sicht von Hillje hat Habeck zwar keinen inhaltlichen, aber zumindest einen psychologischen Fehler gemacht. Und zwar, indem er sich auf die Diskussion über den Begriff der Insolvenz mit Maischberger eingelassen hat. Darüber hinaus habe er nämlich vergessen, mitzuteilen, wie er eine Insolvenzwelle abwenden möchte.
Zwei Tage nach der Talkrunde hat Habeck nämlich ein Hilfsprogramm für den Mittelstand vorgestellt. "Wäre seine zentrale Botschaft schon in der Sendung das Hilfsprogramm gewesen, wäre ihm sicherlich eine Menge Ärger erspart geblieben", sagt der Kommunikationsexperte.
Ein weiteres kommunikatives Missgeschickt, mit riesigem Rattenschwanz: die Debatte um Atomkraftwerke. Hillje meint, dass diese nicht so groß geworden wäre, hätte sich der Wirtschaftsminister nicht schon im Frühjahr vorschnell gegen den Weiterbetrieb positioniert. "Mit dieser frühen Festlegung hat er politische Gegner und Atomkraftbefürworter mobilisiert", sagt Hillje. Die Debatte hätte weniger emotionalisiert stattfinden können, hätte sich der Minister von Anfang an ergebnisoffen gezeigt.