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Student mit Einser-Abitur in Irak abgeschoben – Anwalt erhebt Vorwürfe

Ramzi Awat Nabi
Ramzi Awat Nabi stand kurz vor dem Bachelorabschluss in Gebäude- und Energietechnik.Bild: change.org / Screenshot
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Student mit Einser-Abi und trotzdem abgeschoben: Anwalt erhebt schwere Vorwürfe

Er wollte ein Beispiel für gelungene Integration sein, jetzt sitzt er in Bagdad. Die Geschichte von Ramzi Awat Nabi zeigt, wie hart Deutschland aktuell bei Abschiebungen vorgeht und wie schnell jahrelange Integrationsarbeit beendet werden kann.
15.08.2025, 13:5215.08.2025, 13:52
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Es war mitten in der Nacht, als die Polizei vergangene Woche das Zimmer von Ramzi Awat Nabi im Studentenwohnheim Stuttgart-Vaihingen betrat. Wenige Stunden später saß der 24-Jährige im Flugzeug nach Bagdad. Der Grund: Die Ausländerbehörde Stuttgart zweifelt an seiner Identität, obwohl sein Reisepass gültig ist.

Ramzi Awat Nabi war seit sieben Jahren in Deutschland, hatte hier Abitur mit der Note 1,5 gemacht und kurz vor dem Bachelorabschluss in Gebäude- und Energietechnik gestanden. Er wollte ein Vorbild sein, mit gutem Beispiel für gelungene Integration vorangehen.

Student nach Irak abgeschoben: Anwalt erhebt Vorwürfe gegen Behörden

"Ich wollte versuchen, etwas Positives für dieses Land darzustellen", sagte er dem SWR. Doch das kann er jetzt nicht mehr. Die Behörden werfen ihm vor, seinen aktuellen – vom irakischen Konsulat als echt bestätigten – Reisepass womöglich mit einer gefälschten ID-Karte erhalten zu haben.

Sein Asylantrag war zuvor abgelehnt worden, sein Aufenthalt nur geduldet. Mehrere Anträge auf eine Aufenthaltserlaubnis scheiterten.

Sein Anwalt Stefan Weidner versuchte noch in letzter Minute per Eilantrag, die Abschiebung zu stoppen, vergeblich. Er nennt das Vorgehen "überhastet und voreilig" und kritisiert, dass man die Zweifel an der Identität in Ruhe hätte klären können: "Er ist kein Mann, der unbedingt jetzt wegmuss, weil er Straftäter oder eine problematische Person ist, die vielleicht auch gefährlich ist. Man hätte das in aller Ruhe noch klären können."

Laut Weidner werde inzwischen oft nicht nach der Person entschieden, sondern nach praktischen Erwägungen: Wer eine bekannte Adresse oder einen Arbeitsplatz habe, sei leichter zu finden und werde daher zuerst abgeschoben, so sein Vorwurf. Denn die Behörden legen seiner Meinung nach den Fokus auf die Abschiebezahlen.

Abschiebungen: Linie des Ministeriums verhärtet sich sichtbar

Die Zahlen unterstreichen den strikten Kurs: Allein von Januar bis Juni 2025 gab es in Baden-Württemberg 1841 Abschiebungen. Laut Bundesinnenministerium wurden bundesweit 11.807 Menschen abgeschoben, es ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (2024: ca. 9465 Fälle).

Das bad­en-württembergische Justizministerium betont laut SWR, man müsse geltendes Recht umsetzen. Wenn jemand vollziehbar ausreisepflichtig sei und keine Abschiebungshindernisse vorlägen, gebe es keinen Spielraum. Auch ein Job nach abgelehntem Asylantrag begründe kein Bleiberecht.

Ramzis Umfeld will sich jedoch nicht mit der Entscheidung abfinden. Freunde, sein Bruder und Kommilitonen organisieren für Samstag eine Demonstration in Stuttgart. Zudem läuft eine Petition für seine Rückkehr.

Dass Ramzi zurück nach Deutschland kommt, hält sein Anwalt für unwahrscheinlich. Möglich sei ein Antrag auf ein Studentenvisum. Auch der Versuch, die wegen der Abschiebung verhängte Einreisesperre von drei Jahren zu verkürzen, ist eine Möglichkeit. Die Kosten für die Abschiebung müsste Ramzi allerdings selbst tragen.

Umfeld des Studenten schockiert: Zweifel an Sinnhaftigkeit

Ein Freund des Abgeschobenen, Serzan Hayda, zeigt sich laut SWR schockiert: Ramzi habe noch versucht, seine Unterlagen zu zeigen, doch die Polizei habe offenbar nicht zuhören wollen.

Mahsuni Tas, der Mitbewohner, nennt die Abschiebung dem Bericht zufolge eine "totale Katastrophe": "Es gibt bestimmt Leute, die abgeschoben werden müssen, aber ich finde, ein Student, der sich hier ein Leben aufbaut, der Energietechnik studiert, in Baden-Württemberg dann später in der Energiebranche arbeiten könnte, würde auch dem Land einen erheblichen Beitrag zuführen."

Und tatsächlich stellt sich angesichts des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Abschiebung eines Studenten mit Einser-Abi. Ob das klug ist, sei dahingestellt.

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