Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat sich nach tagelangem Schweigen zum Vorwurf der Holocaustverharmlosung geäußert. Bild: dpa / Michael Kappeler
International
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat
nach tagelangem Schweigen den Vorwurf zurückgewiesen, er habe mit
seinen Äußerungen über den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera
den Holocaust verharmlost. "Jeder, der mich kennt, weiß: immer habe
ich den Holocaust auf das Schärfste verurteilt", schrieb Melnyk am
Dienstag auf Twitter. Die Vorwürfe gegen ihn seien "absurd".
Berichte über Abberufung von Melnyk aus Deutschland
Die "Bild" und die "Süddeutsche Zeitung" berichteten unter
Berufung auf ukrainische Quellen, Melnyk solle abberufen werden und
ins Außenministerium nach Kiew wechseln. Noch im Herbst könnte der
46-Jährige stellvertretender Außenminister werden, schrieb die
"Bild".
Melnyk ist seit Januar 2015 Botschafter in Deutschland - eine
außergewöhnlich lange Zeit für einen Diplomaten. Er hatte in den
vergangenen Monaten mit seiner scharfen Kritik an der Bundesregierung
für Aufsehen gesorgt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seinen Ministern
warf er unter anderem vor, zu zögerlich Waffen für den Kampf gegen
die russischen Angreifer in die Ukraine zu liefern.
Scharfe Kritik an Melnyk wegen Äußerungen zu Bandera
Vergangene Woche geriet er dann wegen seiner Äußerungen zu
Bandera selbst massiv in die Kritik. Bandera war während des Zweiten
Weltkriegs Anführer des radikalen Flügels der Organisation
Ukrainischer Nationalisten (OUN). Nationalistische Partisanen aus dem
Westen der Ukraine waren 1943 für ethnisch motivierte Vertreibungen
verantwortlich, bei denen Zehntausende polnische und jüdische
Zivilisten ermordet wurden.
Melnyk bestritt in einem Interview mit dem Journalisten Tilo
Jung, dass Bandera ein Massenmörder von Juden und Polen gewesen sei.
Der Nationalist sei gezielt von der Sowjetunion dämonisiert worden.
Die israelische Botschaft hatte dem Botschafter daraufhin "eine
Verzerrung der historischen Tatsachen, eine Verharmlosung des
Holocausts und eine Beleidigung derer, die von Bandera und seinen
Leuten ermordet wurden" vorgeworfen.
Melnyk hatte anschließend tagelang geschwiegen, reagierte nun
aber mit einem Tweet auf die Vorwürfe, den er ausdrücklich auch an
die "lieben jüdischen Mitbürger" adressierte. Die Nazi-Verbrechen des
Holocaust seien eine gemeinsame Tragödie der Ukraine und Israels,
schrieb er darin.
Auf die Berichte über eine geplante Abberufung reagierten die
Regierung in Kiew und Melnyk selbst zunächst nicht. Melnyk war am
Dienstag bei einem Termin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
mit rund 150 nach Deutschland entsandten Botschaftern und
hochrangigen Vertretern internationaler Organisationen in Franken
nicht dabei.
(and/dpa)
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