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Hitzewelle: Wie wir uns vor Hitze schützen können

Die Hitzewelle ist auch in Deutschland angekommen: Die Böden sind ausgetrocknet.
Die Hitzewelle ist auch in Deutschland angekommen: Die Böden sind ausgetrocknet. Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
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Hitzewelle in Deutschland: Was in den nächsten Jahren zu befürchten ist und wie wir uns schützen können

21.07.2022, 08:07
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Weite Teile Westeuropas leiden seit Tagen unter einer schweren Hitzeperiode: Das Wasser wird knapp, die Wälder brennen, die Erde ist trocken. Schon wieder. Bereits Mitte Juni ächzte der Kontinent unter extremen Temperaturen.

Diese Woche erreicht die Hitze nun auch Deutschland. Erwartet werden Temperaturen um die 37 Grad, besonders heiß wird es im Westen und Südwesten des Landes.

Normal sind Temperaturen wie diese für Deutschland nicht. Eigentlich. Oder müssen wir uns künftig – aufgrund der Erderwärmung – an eben solche Extremtemperaturen gewöhnen?

Watson hat mit Expertinnen und Experten darüber gesprochen, wie viel Klimakrise bereits in unseren Sommern steckt und worauf wir uns zukünftig einstellen müssen.

Klimawandel ist die Ursache für Hitzewellen

"Der Klimawandel ist die Ursache für diese Hitzewelle, so wie für jede andere Hitzewelle auch", erklärt Friederike Otto, leitende Dozentin für Klimawissenschaften am Grantham Institute des Imperial College London sowie Co-Leiterin der World Weather Attribution. "Die Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl führen dazu, dass Hitzewellen heißer werden, länger andauern und häufiger auftreten", betont die Expertin.

"Hitzewellen, die früher unmöglich waren, kommen jetzt vor und fordern Menschenleben."
Friederike Otto, Co-Leiterin der World Weather Attribution

Otto sagt: "Hitzewellen, die früher unmöglich waren, kommen jetzt vor und fordern Menschenleben." Das werde genauso lange schlimmer werden, bis die Treibhausgasemissionen gestoppt würden, schätzt die Dozentin für Klimawissenschaften ein.

Friederike Otto schreibt das vermehrte Auftreten von Hitzewellen der Klimakrise zu.
Friederike Otto schreibt das vermehrte Auftreten von Hitzewellen der Klimakrise zu. bild: picture alliance / SVENSKA DAGBLADET | Joakim Ståhl/SvD/TT

Otto fügt hinzu:

"Je länger die Welt braucht, um Klimaneutralität zu erreichen, desto heißer, gefährlicher und häufiger werden die Hitzewellen, und desto länger werden sie andauern. Der einzige Weg, um zu verhindern, dass immer wieder Hitzerekorde gebrochen werden, besteht darin, die Verbrennung fossiler Brennstoffe so schnell wie möglich zu beenden."

Rekord von 41,2 Grad wird früher oder später geknackt

Andreas Fink, Meteorologe am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), erklärt, dass die Frage, wie viel Klimakrise in den Hitzewellen stecke, nicht so einfach zu beantworten sei. Denn: Hitzewellen seien auch in einem Klima möglich, in das der Mensch nicht eingegriffen habe. Gegenüber watson betont er: "Aber durch die Erwärmung, die wir signifikant beobachten, wird es viel, viel wahrscheinlicher, dass solche Extreme vorkommen."

Aus diesem Grund müssten wir uns auch in Deutschland auf höhere Temperaturen einstellen, vor allem im Osten, Süden und Südwesten. Deutschlandweit hat sich die Anzahl heißer Tage (ab Temperaturen von 30 Grad) bereits verdoppelt bis verdreifacht. Lediglich im Norden sind die Temperaturen noch etwas gemäßigter.

Ende Juli 2019 wurde in Nordrhein-Westfalen mit 41,2 Grad der Temperaturrekord für Deutschland geknackt. "Es ist abzusehen, dass wir diese Temperaturen in den nächsten Jahren noch überschreiten werden", prognostiziert Fink. "Wir werden uns also an diese extremen Temperaturen gewöhnen und auch anpassen müssen."

In Brandenburg sind die Böden extrem trocken. Ganze Ernten sind in Gefahr.
In Brandenburg sind die Böden extrem trocken. Ganze Ernten sind in Gefahr. bild: picture alliance

Hitzewellen gehen oft mit Trockenheit einher

Die Botschaft, die Fink zufolge bei den Menschen ankommen sollte, lautet: "Die vermehrt auftretenden Hitzewellen, also keine einzelnen für sich betrachtet, sind eine Folge des Klimawandels."

"Die Vegetation und die Böden haben wenig Wasser, was die Temperaturen am Boden nochmal um ein, zwei Grad in die Höhe schraubt."
Andreas Fink, Meteorologe am KIT

Und nicht nur das: Eine Begleiterscheinung der Hitzewellen ist auch die Trockenheit. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen herrscht dann Dürre, wenn die Bodenfeuchte an einem Ort geringer ist, als es in 80 Prozent der Jahre im gleichen Zeitraum der Fall war. "Und auch da können wir eine Häufigkeitszunahme dem Klimawandel zuschreiben", sagt Fink.

"Derzeit haben wir wieder sehr trockene Verhältnisse in Deutschland. Die Vegetation und die Böden haben wenig Wasser, was die Temperaturen am Boden nochmal um ein, zwei Grad in die Höhe schraubt", betont Fink. Um diesen Prozess zu beschreiben, zieht Fink einen Vergleich zum Menschen: Das sei wie Wasser auf der Haut, wie etwa beim Schwitzen. Es würde verdunsten und die Menschen abkühlen. Genauso sei das mit den Böden: Ist die Vegetation trocken, läuft es bei gleicher Wetterkonstellation auf höhere Temperaturen hinaus. "Deswegen müssen wir die Trockenheit bei Hitzewellen unbedingt mitdenken", schlussfolgert der Experte.

Extremwetter in Deutschland noch immer unterschätzt

Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie an der Universität Leipzig erklärt gegenüber watson: "Wir unterschätzen leider gemeinschaftlich sämtliche Wettergefahren. Es geht einfach nicht ins Bewusstsein der Leute, dass Wettergefahren durchaus auch in westlichen Ländern real sind." Mitverantwortlich dafür seien vermutlich unsere Technologie-Gläubigkeit wie auch Selbstüberschätzung. "Den meisten ist nicht bekannt, wie schnell man bei nicht ausreichender Hydrierung einen Kreislaufzusammenbruch erleiden kann, auch, wenn man jünger ist", sagt Haustein.

"Todesfälle im Zusammenhang mit Hitze wären leicht vermeidbar, wenn Aufklärung und Vorsorge Bestandteil von politischer und medialer Kommunikation wären."
Karsten Haustein von der Universität Leipzig

Haustein schlägt deshalb vor, Wetter- und insbesondere Hitzegefahren schon in der Schule in die Lehrpläne zu integrieren. Er sagt: "Todesfälle im Zusammenhang mit Hitze wären leicht vermeidbar, wenn Aufklärung und Vorsorge Bestandteil von Erziehung beziehungsweise politischer und medialer Kommunikation wären." Außerdem empfiehlt er konkrete Maßnahmen zum gesundheitlichen Schutz der Menschen: ab 28 Grad hitzefrei, ab 34 Grad keine Durchführung mehr von Sportereignissen.

Auch Meteorologe Andreas Fink pocht auf eine Sensibilisierung der Gesellschaft für die gesundheitlichen Gefahren durch Hitzewellen – "sonst wird es in Zukunft immer wieder zu immer mehr Opfern kommen".

So müsse die Überhitzung von Städten bereits bei der Städteplanung mitgedacht werden: Die Städte müssten wieder grüner werden. Denn dort verdunstet das Wasser, wodurch es einen kühlenden Effekt gibt. Fink betont die Relevanz von Aufklärungskampagnen. "In den Vereinigten Staaten gibt es zum Beispiel jährlich einen Tag, wo über Hurrikane oder Tornados und ihre Folge aufgeklärt wird. Das sollte auch in Deutschland zum Beispiel für Hitzewellen oder Sturzfluten vermehrt gemacht werden."