Katar soll einer der neuen deutschen Gasversorger werden.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka
Deutschland
Es ist ein Schritt auf dem langen Weg zu "Putin-freiem"
Gas. Robert Habeck kommt gerade von einem Treffen mit dem Emir von
Katar - das seine Erwartungen offensichtlich übertroffen hat. Es sei
"großartigerweise" fest vereinbart worden, eine langfristige
Energiepartnerschaft einzugehen, sagte der Bundeswirtschaftsminister
am Sonntag in der katarischen Hauptstadt Doha. Die Unternehmen, die
ihn nach Katar begleitet haben, würden nun mit der katarischen Seite
tief in Vertragsverhandlungen einsteigen.
Und der Grünen-Politiker schickte noch eine Botschaft an den
russischen Kriegsherrn Wladimir Putin hinterher:
"Wenn wir vielleicht auch in diesem Jahr noch russisches Gas brauchen werden: In der Zukunft nicht mehr. Und das fängt ja jetzt erst an. Also wer Ohren hat, der höre."
Fieberhafte Suche nach neuen Gas- und Öllieferanten
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat eine Zeitenwende in
der deutschen Energiepolitik ausgelöst. Bisher liegt der Anteil
russischer Importe an fossilen Gasimporten nach Deutschland bei rund
55 Prozent. Deswegen hat Habeck ein Embargo russischer Lieferungen
vehement abgelehnt und vor schweren Schäden für die deutsche
Wirtschaft gewarnt.
Der Ausweg soll nun sein: die Lieferstruktur diversifizieren, also
auf eine breitere Basis stellen - und nicht nur vor allem auf eine
Karte setzen. "Der Weg besteht aus ganz vielen Meilensteinen", sagte
Habeck. Deswegen war der Minister schon in Norwegen, hat nach eigenen
Worten schon Gespräche mit Kanada geführt - und ist an diesem
Wochenende nach Katar gereist. Denn das Emirat ist einer der weltweit
größten Exporteure von Flüssigerdgas (LNG). Katar liefert bisher vor
allem nach Asien, will seine Kapazitäten in den kommenden Jahren aber
stark ausweiten.
Die Reise sei ausgelöst worden, weil ihm bekannt sei, dass deutsche
Firmen in Vertragsverhandlungen mit katarischen Unternehmen seien,
sagte Habeck. Diese Verhandlungen aber hätten noch einen
"motivatorischen Schubs" gebraucht.
Habeck sieht sich als "Türöffner" für die deutsche Wirtschaft - und
sein Programm in Doha kann sich sehen lassen. Er traf sich neben dem
Emir mit dem Wirtschaftsminister, dem Außenminister und dem
Energieminister. Als Zeichen der Wertschätzung wird das in der
deutschen Delegation bewertet - in der auch zahlreiche hochrangige
Manager vertreten sind: die Chefin von Thyssenkrupp etwa oder die
Chefs von Bayer und Siemens Energy. RWE-Chef Markus Krebber sagt, die
Region und Katar in ganz besonderem sei ein extrem wichtiger Standort
für Energielieferungen für die ganze Welt und damit auch für Europa:
"Da wir in Deutschland ja jetzt diversifizieren wollen, wird die
Bedeutung noch einmal zunehmen."
Eigenes LNG-Terminal
Katar ist ein Baustein in Habecks Strategie - die kurzfristige,
mittelfristige und langfristige Ziele umfasst. Kurzfristig sollen
LNG-Lieferungen auch aus Katar dabei helfen, für den kommenden Winter
die Gasversorgung in Deutschland zu sichern. Bisher sei dies nicht
der Fall, so Habeck. Mittelfristig soll auch LNG-Gas aus Katar an
geplanten deutschen LNG-Terminals etwa in Brunsbüttel anlanden - dazu
braucht es Lieferverträge mit deutschen Unternehmen.
Das LNG-Gas ist zwar teurer als russisches Pipeline-Gas - niemand
aber kann vorhersagen, wie es mit dem Krieg in der Ukraine weitergeht
und ob Putin nicht doch den Gashahn zudreht. Deswegen soll ein
eigenes LNG-Terminal auch eine Art Versicherung für eine stabile
Energieversorgung Deutschlands sein.
Der Weg zur Klimaneutralität
Langfristig aber, und das ist das größte Ziel, will Deutschland
komplett raus aus fossilen Energien. Bis 2045 soll die
Klimaneutralität erreicht werden. Hier kommen auch die Vereinigten
Arabischen Emirate ins Spiel, dort will Habeck am Montag Gespräche
führen. Es geht um grünen Wasserstoff, der ohne CO2-Emissionen auf
Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird und die Dekarbonisierung
etwa in der Stahl- und Chemieindustrie ermöglichen soll.
Aber auch die Energiepartnerschaft mit Katar solle nicht nur
LNG-Lieferungen umfassen, sagte Habeck nach seinem Treffen mit dem
Emir Tamim bin Hamad Al Thani - sondern auch den Ausbau von
erneuerbaren Energien sowie Maßnahmen zur Energieeffizienz. Auch
Katar, das bisher vor allem auf sein Gas setzt, wolle sich wandeln.
"Der Tag hat eine starke Dynamik bekommen", so Habeck. Die
Unterstützung des Emirs sei über die Maßen stark gewesen und stärker
als erwartet.
Umstrittene Partnerschaft
Eine einfache Reise aber ist es nicht für den deutschen Wirtschafts-
und Klimaschutzminister. Habeck selbst spricht von einem diplomatisch
"schwankenden Boden". Seit der umstrittenen Vergabe der
Fußball-Weltmeisterschaft steht vor allem die Menschenrechtslage in
dem autokratisch geführten Emirat im Fokus. Überall in Doha wird
derzeit gebaut und gewerkelt, die Hauptstadt rüstet sich für die WM
Ende des Jahres.
Es sind Bauarbeiter vor allem aus Indien, Bangladesch, Nepal und
Pakistan - deren schwierige Arbeitsbedingungen Habeck nach eigenen
Worten bei seinem Treffen mit den Scheichs ansprach. Die katarische
Seite habe gesagt, sie wisse, was zu tun sei: "Es ist inakzeptabel,
dass Menschen hier in Armut leben und ausgebeutet werden." Katar sei
das erste arabische Land, das einen Mindestlohn eingeführt habe,
Arbeitnehmer müssten nicht mehr in der prallen Mittagshitze in der
Hitze arbeiten. Die Frage aber ist, wie solche Reformen umgesetzt
werden.
(abd / dpa)