Die Mitglieder des Netzwerkes "SPD.Klima.Gerecht" sind allesamt Jusos, die auch bei "Fridays for Future" aktiv sind. Sie organisieren Demos wie beispielsweise diese in Frankfurt (Symbolbild).Bild: dpa / Hannes P. Albert
Analyse
19.10.2021, 19:1923.10.2021, 16:09
Soziale Gerechtigkeit unter Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Das ist das Anliegen von "SPD.Klima.Gerecht" – einem Netzwerk bestehend aus Jusos, die bei "Fridays for Future" (FFF) aktiv sind. Einer der Gründer dieser Vereinigung ist Tim Vollert, ein 20-jähriger Juso aus Nordrhein-Westfalen.
Gemeinsam mit zwei anderen hatte Vollert im Mai dieses Jahres herumgefragt, ob noch andere FFF-Aktivisten, die ebenfalls Teil der SPD-Jugendorganisation sind, Interesse hätten, Teil des Netzwerkes zu sein. 80 Genossinnen und Genossen habe die Truppe zusammentrommeln können, viele von ihnen mit Expertise und Fachwissen. "Natürlich studieren manche etwas in diese Richtung, andere haben sich aber auch so wie ich einfach viel Fachwissen angelesen", sagt Vollert gegenüber watson.
"Aber der Elefant im Raum bleibt die Kohle"
Tim Vollert, Gründungsmitglied von "SPD.Klima.Gerecht"
Gemeinsam haben die Klimaschützer einen 50-seitigen Fahrplan entwickelt, in dem sie einen Weg beschreiben, wie das 1,5-Grad-Ziel unter sozialen Gesichtspunkten zu erreichen ist. "Der Anspruch des Klimafahrplans ist es, die öffentliche Debatte endlich auf konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz zu lenken", heißt es in dem Papier. Gleichzeitig stellen die Netzwerker aber auch klar, dass es sich bei dem Fahrplan um eine erste Version handele, die später um weitere Maßnahmen ergänzt werden solle.
Behandelt werden in dem Papier aber auch jetzt schon Themen, die beim 1,5-Grad-Ziel eine Rolle spielen dürften: Bauen, Landwirtschaft, Binnenschifffahrt. Gerade bei letzterer könne aus Sicht von Vollert viel CO2 eingespart werden, gebe es endlich strengere Regeln. "Aber der Elefant im Raum bleibt die Kohle", fasst er zusammen. Auch sei es nicht immer einfach, den Klimaschutz und soziale Gesichtspunkte unter einen Hut zu bringen: "Das liegt auch daran, dass sich der Bedarf an sozialen Leistungen nicht zu hundert Prozent genau berechnen lässt", sagt Vollert.
Warum ein Juso-Netzwerk fürs Klima?
Auf Bundesebene gibt es von der SPD bisher keinen Arbeitskreis, der sich mit dem Klima auseinandersetzt. Dafür sind auf der Homepage der Partei beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen, der Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten oder das Geschichtsforum der SPD gelistet.
"Ist ein Arbeitskreis erstmal ins Leben gerufen,
kann man ihn nicht mehr so schnell loswerden"
Tim Vollert, Gründungsmitglied von "SPD.Klima.Gerecht"
Warum nicht also auch ein Arbeitskreis fürs Klima? Vollert schätzt, dass das auch viel mit einer Art Romantisierung der Kohle einiger älterer Genossinnen und Genossen zu tun habe. Das zumindest könnte der Grund sein, warum ein solcher Arbeitskreis bisher noch nicht existiert. Und natürlich auch damit, dass Arbeitskreise Geld kosten, da sie ein Anrecht auf Finanzierung haben. "Ist ein Arbeitskreis erstmal ins Leben gerufen, kann man ihn nicht mehr so schnell loswerden", sagt der Juso.
Tim Vollert ist Mitglied im Juso-Kreisverband Höxter in Nordrhein-Westfahlen. Foto: privat
Auf Kommunal- und auf Länderebene seien solche Arbeitskreise allerdings schon geschaffen. "Wir von 'SPD.Klima.Gerecht' haben uns mit einigen von ihnen vernetzt, ebenso mit dem SPD-Vorstand", sagt Vollert. Gemeinsam wolle man eine größere Sprengkraft erzielen. Was genau sie erreichen wollen? "Im Grunde kann man uns als eine Lobbyplattform verstehen", sagt Vollert.
Und auch auf Bundesebene tue sich mittlerweile etwas: Da habe sich nun ein Klimaforum zusammengetan, dem 300 bis 400 Genossinnen und Genossen angehörten – auch darunter sehr viele mit Expertise, wie Vollert sagt. Dieses Forum sei nun auch auf dem besten Weg, ein Arbeitskreis zu werden; oder zumindest ein Online-Themen-Forum. Der Unterschied: der Anspruch auf das liebe Geld.
Von Selbstverpflichtungen
zu konkreten Verträgen
"Jetzt setzt sich auf jeden Fall viel in Bewegung, auch auf Initiative der Vorsitzenden im Willy-Brandt-Haus", sagt Vollert. Also unter anderem durch die Initative der SPD-Doppelspitze aus Saskia Esken und Norbert-Walter Borjans. Dass es dazu kam, daran habe auch das Klimanetzwerk der Jusos einen entscheidenden Anteil. Während des Wahlkampfs hätten sich die klimainteressierten Jusos mit der SPD-Vorsitzenden Esken getroffen, um zu erfragen, wie sie helfen könnten.
Ergebnis dieses Gespräch sei der sogenannte "Climate Pledge", also ein Klimaversprechen, gewesen. "Dabei handelte es sich um ein mehrseitiges Dokument, das festgehalten hat, was passieren muss, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Das ist natürlich wesentlich grober, als ein Klimafahrplan", sagt Vollert. Dieses Dokument sei an alle kandidierenden Genossen für die Bundestagswahl geschickt worden. Das Ziel: Sie sollten zeigen, dass sie sich nach der Wahl für die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles einsetzen würden.
Von einer extremen Schlagkraft kann in diesem Wahlkampf noch nicht gesprochen werden: Von den nur 15 Unterzeichnenden haben es wiederum nur acht ins Parlament geschafft. Tim Vollert zeigt sich dennoch nicht enttäuscht.
Was das Klimaforum und "SPD.Klima.Gerecht" wollen, sei vor allen Dingen erst einmal netzwerken: "Erstmal geht es natürlich darum, Anträge zu schreiben, Programme zu formulieren, bekannt zu werden und Unterstützerkreise zu finden, sehr gerne auch innerhalb der neuen Fraktion", erklärt Vollert.
Aber nicht nur auf Bundesebene, auch auf Länderebene will die junge Gruppierung um Vollert mehr Einfluss nehmen.
Kleine Ziele setzen
"Unser Lobby-Auftrag ist es, das 1,5-Grad-Ziel mehr in das Zentrum der politischen Arbeit der SPD zu bringen, ein Anliegen, das an der Basis durchaus viel Unterstützung hat", sagt Vollert. Das Netzwerk nehme beispielsweise sehr aktiv an den Zukunftskonferenzen der SPD Nordrhein-Westfalen teil, auf denen das Wahlprogramm für die kommende Wahl erarbeitet werden soll.
Den Jusos sei aber auch klar, dass sie die "fetten Themen", die "Elefanten im Raum", wie eben den Kohleausstieg, nicht so stark beeinflussen können. Aus diesem Grund fokussierten sie sich auch auf die kleineren Themen, die nicht jeder auf dem Zettel habe – wie beispielsweise die Binnenschifffahrt. "Da kann man bei einer Landtagswahl über eine kleine Lobbygruppe wie unserer eine ganze Menge bewegen, indem man die richtigen Anträge einbringt", sagt Vollert. So wolle sich das Netzwerk hocharbeiten, um irgendwann mehr Mitspracherecht zu bekommen.
Vollert geht allerdings nicht davon aus, dass die Juso-Gruppe auf das Koalitionspapier Einfluss nehmen wird. Ebenso wenig das SPD-Klimaforum. "Wir sind schließlich beide noch komplett neugeborene Gruppierungen", sagt er. Optimistischer schaut er da auf künftige Wahlen, sowohl auf Länder-, als auch auf Bundesebene.