Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) liefert sich in der Generaldebatte im Bundestag einen Schlagabtausch mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Bild: dpa / Michael Kappeler
Analyse
Es ist Haushaltswoche im Deutschen Bundestag. Direkt nach der Sommerpause starten die Parlamentarier:innen also in ein Themenfeld, das naturgemäß zu Streit führt. Denn auch der Staat kann nicht beliebig viel Geld ausgeben. Die Regierungskoalition hat außerdem erst kürzlich ein drittes Entlastungspaket vorgestellt.
Doch in der Generaldebatte ging es nicht nur ums Geld, sondern vor allen Dingen um die bisherige Arbeit der Ampel – und um den andauernden russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Generaldebatte hat watson für euch zusammengefasst.
Scholz ungewöhnlich unscholzig
Nachdem sich Kanzler Olaf Scholz (SPD), sowie sein Vize, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), massiv von CDU-Chef Friedrich Merz angegriffen wurden, holte Scholz zum Gegenschlag aus. Und das so gar nicht in Scholz-Manier. Statt von seinem Zettel abzulesen, sprach der Kanzler nahezu frei. Statt vage Aussagen zu machen, aus denen am Ende niemand schlau wird, ging er hart mit dem Oppositionsführer ins Gericht.
CDU-Chef Friedrich Merz (rechts) arbeitet sich in seiner Rede sowohl an Kanzler Scholz, als auch an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ab.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Merz hatte die Ampelregierung – allen voran Scholz und Habeck – wegen des Umgangs mit der Energiekrise kritisiert. Insgesamt, meinte Merz, zeichne sich die Koalition durch schlechte Kompromisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner aus. Was es nun aber brauche, seien Maßnahmen, die die Energiekrise im Winter abwenden könnten – und die Menschen entlasten.
Der CDU-Chef plädierte dafür, vom aktuellen Abschalt-Plan für die Atomkraftwerke abzurücken und den Streckbetrieb zuzulassen. "Keiner will zurück zur alten Kernenergie", sagte er. Gleichzeitig stellte er aber auch klar, dass die aktuelle Ignoranz ein falscher Kompromiss sei. "Stoppen Sie diesen Irrsinn", forderte Merz von Scholz. Notfalls werde seine Partei sich mit allen anderen im Parlament dafür einsetzen, dass der Ampel-Plan nicht umgesetzt wird.
Kanzler Olaf Scholz kritisiert die Unions-Partei in seiner Rede während der Generaldebatte scharf.Bild: IMAGO/Political-Moments
Scholz warf Merz hingegen mehrfach vor, sich nur auf Probleme zu stürzen, die die Regierung bereits gelöst hätte. Es seien Entscheidungen getroffen und weitreichend schon umgesetzt worden, betonte Scholz. In diesem Zusammenhang nannte der Kanzler die Umstellung auf Flüssiggas (LNG). Hierfür werden aktuell LNG-Terminals an den deutschen Küsten errichtet.
Scholz bekräftigte seinen Optimismus, dass Deutschland trotz der drastisch gedrosselten Gas-Lieferungen aus Russland über den Winter komme.
Er sagte:
"Weil wir so früh angefangen haben, als noch gar kein so großes Problembewusstsein in Deutschland da war, darum sind wir jetzt in der Lage, dass wir tapfer und mutig in diesen Winter hineingehen können."
Deutschland werde trotz aller Anspannungen durch diesen Winter kommen.
Kein Ampelkrach trotz Provokation durch die Union
Dass innerhalb der Ampel nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, ist mittlerweile mehr als bekannt.
Mehr als einmal hat die FDP gegen ihre beiden Koalitionspartner gestichelt. Zuletzt stand der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck wegen der Gasumlage in der Kritik der anderen beiden Ampelparteien. Trotzdem haben es die Koalitionsfraktionen geschafft, sich während der Generaldebatte nicht gegenseitig anzugehen.
Und das, obwohl die Union keine Möglichkeit verstreichen ließ, gerade die Liberalen anzupieksen. Alexander Dobrindt von der CSU beispielsweise fragte die FDP: "Was machen Sie in dieser links-minigelben Koalition?" Er warf unter anderem FDP-Fraktionschef Christian Dürr vor, die Anliegen der Liberalen zu verraten. Dürr selbst hatte in seiner Rede davon gesprochen, ein anderes Verhältnis zur Kernkraft zu haben, als Grüne und SPD.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigt die Pläne der Regierung.Bild: IMAGO/Political-Moments
Ähnlich kritisch äußerte sich CDU-Politiker Johann Wadephul. Er warf der FDP vor, ein doppeltes Spiel zu treiben:
- Auf Bundesebene koalitionskonform für den Reservebetrieb der Atomkraftwerke, statt des Streckbetriebs.
- Auf niedersächsischer Landesebene im Wahlkampfmodus, pro Laufzeitverlängerungen.
Statt sich aber provozieren zu lassen, arbeiteten sich die Ampelparteien am Oppositionsführer ab. Vor allem kritisierte man das Verhältnis der Unionsfraktion zu ihrer eigenen Rolle in puncto Abhängigkeit von Russland.
Munteres Schuldzuweisen zu allen Seiten
Denn Einsicht zeigt die CDU-Fraktion, die in den vergangenen 16 Jahren die Kanzlerin gestellt hat, kaum. Stattdessen erklärte Merz, die Regierung sei nicht allein für die Abhängigkeit von Russland verantwortlich. Scholz wiederum, dessen Partei ebenfalls in den vergangenen acht Jahren mit in der Regierung saß, gibt der Union die Schuld.
Während CDU-geführte Ministerien es nicht problematisch gefunden hätten, dass die Gasspeicher im letzten Jahr leer gewesen seien, habe die Ampel dafür gesorgt, dass sich das ändere. An Merz gewandt sagte Scholz: "Sie reden einfach am Thema und an den Problemen dieses Landes vorbei. Und das ist wirklich ein ganz, ganz großes Problem."
Er ergänzte:
"Und wenn andere die Probleme lösen, die Sie noch nicht mal erkannt haben, dann reden Sie auch noch drumrum."
Der Kanzler warf dem vorherigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier außerdem Mogelei vor. Dieser habe den Bundestag über den errechneten Strombedarf bis zum Ende dieses Jahrzehntes im Unklaren gelassen – und das Papier erst zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause im vergangenen Jahr veröffentlicht. Trotzdem hätten es CDU und CSU verhindert, dass Deutschland den Einstieg in die erneuerbaren Energien schaffe.
Ähnlich sieht es auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann. Die Christdemokraten hätten den Ausbau der Erneuerbaren verschleppt. Es sei zudem eine faktenfreie Debatte, wenn der ehemalige Verkehrsminister Andreas Scheuer nun davon spreche, neue Atomkraftwerke könnten zur Krisenbewältigung beitragen.
"Wissen Sie, wie lange der Bau eines Atomkraftwerkes dauert?", fragte sie in Richtung der Unions-Fraktion. Haßelmann beantwortet sich die Frage selbst: "Offensichtlich nicht." Neue Atomkraftwerke könnten nicht zur Bewältigung der aktuellen Krise beitragen.
Für Britta Haßelmann ist klar: Längere Laufzeiten für Atomenergie sind nicht die Lösung der Krise.Bild: dpa / Michael Kappeler
FDP-Fraktionsvorsitzender Dürr stellte zudem noch einmal klar: "Diese Regierung stellt sich der Verantwortung, aber sie ist nicht schuld an der Situation." Es gebe in Deutschland einen massiven Reformstau, der in der aktuellen Situation besonders sichtbar werde.
Den Parlamentarier:innen ist also klar: Dass Deutschland gerade in eine Energiekrise rutscht, ist in Teilen ein hausgemachtes Problem.
Daran Schuld sein will allerdings niemand.
(Mit Material von dpa)