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Nancy Faeser: Wie ihr die Personalie Schönbohm zum Verhängnis werden könnte

Berlin, Deutschland, 20.09.2023: Sitzungswoche im Deutschen Bundestag Nancy Faeser, SPD. *** Berlin, Germany, 20 09 2023 Session week in the German Bundestag Nancy Faeser, SPD Copyright: xdtsxNachrich ...
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kämpft aktuell um das Ministerpräsidentinnen-Amt in Hessen.Bild: imago images / dts Nachrichtenagentur
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Nancy Faeser: Innenministerin und Wahlkämpferin – gelingt ihr der Spagat?

Sie ist Innenministerin in Berlin und betreibt Wahlkampf in Hessen. Die Chancen standen nicht schlecht. Bis die Personalie Arne Schönbohm wieder hochkochte. Jetzt wird sogar ihr Rücktritt gefordert.
22.09.2023, 18:36
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Nancy Faeser (SPD) hatte sich viel vorgenommen. Nach rund zwei Jahren als Bundesinnenministerin will die Hessin back to the roots. Zurück in ihr Bundesland. Kommunalpolitik mitgestalten. Und nach fast 25 Jahren CDU-Herrschaft eine neue sozialdemokratische Ära einläuten.

Doch statt, als Spitzenkandidatin, ihre Themen zu bespielen, hetzt Faeser zwischen ihrem Innenministerinnen-Amt in Berlin und dem Wahlkampf in Hessen hin und her. Muss immer wieder auf neue Vorwürfe gegen sie reagieren. Sie wirkt längst nicht mehr wie eine, die den Takt vorgibt. Sondern wie eine Getriebene.

Da wäre etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der nun, ebenfalls im Wahlkampf, spitze, zielgerichtete Vorwürfe gegen Faeser formuliert. Die Bundesregierung hätte ihre Migrationspolitik völlig verfehlt, meint er etwa. Ein Frontalangriff auf Faeser in ihrer Funktion als Innenministerin.

Und dann natürlich die Personalie Arne Schönbohm. Faeser war mehrfach vorgeworfen worden, den damaligen Bundessicherheits-Chef (BSI) Schönbohm im Herbst 2022 nach einem kritischen Fernsehbeitrag in der ZDF-Sendung "Magazin Royale" ohne triftigen Grund von seinen Aufgaben entbunden zu haben.

ARCHIV - 08.08.2022, Nordrhein-Westfalen, Bonn: Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), steht bei einem Besuch der Bundesinnenministerin. Bundesinnen ...
Damals war er noch BSI-Chef: Arne Schönbohm.Bild: dpa / Rolf Vennenbernd

Das Ministerium begründete den Schritt damit, dass das "notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt" sei. Schönbohm wurde deshalb in die Leitung der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung versetzt.

Wird ausgerechnet Arne Schönbohm Nancy Faeser nun zum Verhängnis?

Für Faeser sieht es in Hessen aktuell nicht gut aus

Je nach Umfrage erreicht die SPD in Hessen aktuell zwischen 18 und 20 Prozent. Damit liegt sie weit abgeschlagen hinter der CDU mit 29 bis 31 Prozent und fast gleichauf mit Grünen (zwischen 17 und 20 Prozent) und AfD (15 bis 17,5 Prozent).

Eine schlechte Momentaufnahme kurz vor der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober, wollte Faeser doch Ministerpräsidentin werden. Anscheinend kämpft die Innenministerin auch schon gar nicht mehr um ihre eigenen Anliegen in Hessen. Denn sie sagte bereits vor Kurzem, es gehe ihr jetzt nur noch um "das bestmögliche Ergebnis für die SPD".

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Am Mittwoch erklärte Faeser dann, dass sie sich auf die weitere Zusammenarbeit mit den Bundestagsabgeordneten freue. Ein kleiner Nebensatz, jedoch mit großer Bedeutung, einer zweifachen sogar. Denn damit gibt die Innenministerin Hessen indirekt schon auf. Und dem Bund macht Faeser damit zugleich eine Ansage.

Nach der Blamage um die Reform des Ausländerwahlrechts ist in Hessen alles möglich. Auch ein komplettes Abschmieren Faesers Partei auf Platz drei oder gar Platz vier – und damit hinter die AfD.

Ein Fehler, der Faeser auf die Füße fallen könnte: Die Wahlrechtsreform

Am Dienstagmorgen erfuhr die "Bild", dass die Hessen-SPD um Nancy Faeser das Wahlrecht massiv ändern will. Künftig sollen auch Nicht-EU-Ausländer auf kommunaler Ebene in Deutschland wählen dürfen. Konkret hieß es:

"Wir wollen uns auf Bundesebene und im Bundesrat mit Nachdruck dafür einsetzen, dass alle Menschen, die länger als sechs Monate in hessischen Kommunen leben, ein kommunales Wahlrecht erhalten."

Daran gab es sofort heftige Kritik. Denn das würde bedeuten, dass auch anerkannte Asylanwärter:innen aus Nicht-EU-Ländern, die länger als sechs Monate in Hessen leben, mitwählen dürfen.

Am Dienstagnachmittag folgte dann prompt die Kehrtwende. Es handelte sich laut einem Parteisprecher lediglich um ein "politisches Fernziel". Mit den Möglichkeiten des Landesgesetzgebers wäre diese Forderung gar nicht zu erreichen.

Stattdessen sollte es sich dann laut "Bild" plötzlich um sechs Jahre statt um sechs Monate handeln. "Die Recherchen und Nachfragen waren Anlass, die Genese des inkriminierten Satzes aus dem Wahlprogramm noch einmal in allen Einzelheiten nachzuvollziehen", teilte ein SPD-Sprecher der "Bild" mit.

Es stellte sich heraus, "dass die wahre Wurzel des Problems aber in einem echten, saublöden Fehler liegt". Inzwischen wurde der Fehler in dem Wahlprogramm auf der Homepage der SPD Hessen korrigiert und mit einem Disclaimer transparent gemacht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken bei einem gemeinsamen Besuch im Windpark Stiftswald bei Kaufungen in Nordhessen
Mit SPD-Chefin Saskia Esken (r.) war Faeser bereits im August bei einigen Wahlkampfterminen.Bild: watson / rebecca sawicki

Ein Fehler, der Faeser teuer zu stehen kommen könnte. Zumindest in Summe. Denn eins ist sicher: Aktuell wird kein gutes Haar an ihr gelassen. Vor allem die "Bild"-Zeitung hat sich auf die Ministerin eingeschossen. Beinahe täglich wird eine Negativschlagzeile mit Faesers Konterfei veröffentlicht. Zuerst der Fall Schönbohm, dann abgesagte Wahlkampftermine – nun das Ausländerwahlrecht.

Und Faeser? Sie lässt es über sich ergehen. Als Getriebene, die das Rampenlicht zunehmend scheut. Starr hält sich Faeser inzwischen meist an ihre Redezettel, meidet anscheinend öffentliche Auftritte. Wie etwa eben zweimal die Befragungen im Innenausschuss zum Fall Schönbohm. Die Erklärungen dafür: fadenscheinig.

Sie hängt Faeser immer noch nach: Die Causa Schönbohm

Doch am Mittwoch hat sie ihr Schweigen dazu gebrochen und stellte sich nicht nur dem Innenausschuss, sondern direkt danach auch noch der Regierungsbefragung im Parlament.

Rund drei Stunden beantwortete die Ministerin die Fragen der Abgeordneten. Bezeichnete den Vorwurf der Opposition, sie habe den Verfassungsschutz instrumentalisiert, um Erkundungen über den zwangsversetzten Behördenchef Arne Schönbohm anstellen zu lassen, als "unverschämt" und "infam". Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang unterstützte Faeser.

Bereits 2019 haben Recherchen des ARD-Politikmagazins "Kontraste" und der "Zeit" belegt, dass der damalige BSI-Chef Schönbohm Kontakte nach Russland pflegte. Das bestätigte ZDF-Moderator Jan Böhmermann im Oktober 2022 in seinem "Magazin Royale". Der Unterschied zu früheren Recherchen: Zu diesem Zeitpunkt ist Russland bereits völkerrechtswidrig in die Ukraine einmarschiert.

Vor dem Ausschuss erklärte Faeser, dass es bereits vor ihrem Amtsantritt Beanstandungen an Schönbohm gegeben habe. "Zeit"-Recherchen ergaben, dass er sich unter anderem über Dienstanweisungen hinweggesetzt haben und Frauen nicht so wie Männer behandelt haben soll.

20.09.2023, Berlin: Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), äußert sich nach der Teilnahme von Bundesinnenministerin Faeser an der Sitzung des Innenausschusses im Deut ...
Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang verteidigt Nancy Faeser im Fall Schönbohm.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka

Dass sie den damaligen BSI-Chef beim Verfassungsschutz habe abfragen lassen, stimme nicht. Bis auf eine Regelanfrage im Oktober 2022. Auch das bestätigte der Leiter des Verfassungsschutzes.

Schönbohm hat inzwischen das Ministerium verklagt und geht auch gegen die ZDF-Sendung von Jan Böhmermann vor. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für Nancy Faeser, so kurz vor der Wahl in Hessen.

Im Zuge dieser ganzen Vorwürfe gegen sie wurden sogar Rücktrittsforderungen laut. Die AfD strengte im Bundestag sogar eine namentliche Abstimmung zu genau dieser Forderung an: erfolglos.

Ob Faeser bleiben kann, hängt nun allerdings zum einen vom Wahlergebnis ihrer Partei in Hessen ab – und zum anderen vom Rückhalt des Bundeskanzlers. Der braucht aktuell vor allem wegen der Migrationsfrage eine starke Ministerin an seiner Seite.

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