In der Münchner Innenstadt shoppen die Menschen trotz steigender Preise.Bild: IMAGO / Wolfgang Maria Weber
Analyse
26.08.2022, 08:3326.08.2022, 19:22
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist überraschend gewachsen – trotz Krieg in der Ukraine, trotz Inflation, trotz drohender Energiekrise. Das BIP misst den Wert der in Deutschland produzierten Waren. Weniger Überraschungen hat allerdings der Geschäftsklimabericht des ifo-Instituts gebracht: Wie der Sprecher des Wirtschaftsinstituts am Donnerstag in einer Konferenz mitteilte, ist die Erwartungshaltung an das dritte Quartal gesunken.
Es fiel im Monatsvergleich um 0,2 Punkte auf 88,5 Zähler. Es ist der dritte Monat in Folge, in dem die Stimmung in der Wirtschaft sich verschlechtert hat. Sie ist jetzt so schlecht wie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr.
Das Ifo-Geschäftsklima gilt als Deutschlands wichtigster konjunktureller Frühindikator und basiert auf einer Umfrage unter etwa 9000 Unternehmen.
Energieunsicherheit belastet die Unternehmen
Der Leiter der Befragungen, Klaus Wohlrabe, blickt pessimistisch auf den Herbst – er stellt im Gespräch mit watson aber klar, dass diese Sicht der Dinge vor allem mit den großen Planungsunsicherheiten zusammenhängen.
Vor allem Gastronomie und Handel rechnen mit Umsatzeinbrüchen.Bild: Getty Images Europe / Sean Gallup
Der Geschäftsklimaindex, stellt Wohlrabe klar, hat nichts mit dem steigenden Bruttoinlandsprodukt zu tun. Denn:
"Das Bruttoinlandsprodukt bezieht sich auf das zweite Quartal. Das ging bis Ende Juni. Beim Geschäftsklimaindex geht es darum: Wie wird es weitergehen?"
Es werde davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal schrumpfen wird. Die aktuelle Umfrage zur Erwartungshaltung der Unternehmen für den Herbst hat ergeben, dass vor allem Handel und Gastronomie mit Sorgen auf den Herbst blicken. Das Dilemma: Die steigenden Preise schreckten Kund:innen ab, gleichzeitig müssten sie aber die gestiegenen Kosten wieder reinholen.
"Die Konsumenten werden weniger einkaufen, dadurch wird der Konsum insgesamt zurückgehen", sagt Wohlrabe und fügt an:
"Das ist teilweise durch die stark gestiegenen Preise zu erklären. Die Leute müssen mehr Geld für Energie ausgeben. Auf der anderen Seite haben sie weniger Geld, um dann einkaufen oder schön Abendessen zu gehen."
Anders als in den vergangenen Jahren hängt die pessimistische Erwartungshaltung im Gastgewerbe diesmal nicht mit der Coronapandemie zusammen. "Die steht gerade nicht im Fokus der Konsumenten", sagt Wohlrabe. Die Zurückhaltung gehe ganz klar auf die Inflation und die Energiekrise zurück. "Das führt dazu, dass der eine oder andere Kauf nicht getätigt wird, weil das Geld anderweitig gebraucht wird", sagt der Experte.
Durch steigende Preise könnten die Menschen im Herbst seltener verreisen.Bild: Getty Images/iStockphoto / RossHelen
Auftragslage in der Industrie bleibt hoch
Insgesamt bliebe durch die Teuerung und die gestiegenen Energiepreise weniger Geld übrig, um neue Produkte zu kaufen. Das könnte in einer fernen Zukunft auch dazu führen, dass insgesamt weniger produziert werden würde. Aber: All diese Prognosen hätten viel mit Unsicherheiten zu tun, denn niemand könne einschätzen, wie sich die Energiekrise entwickle.
Wohlrabe sagt:
"Die Sensibilität und auch die Sorge der Konsumenten ist schon zu spüren. Wenn möglich, legen einige schon jetzt Geld auf die Seite, um mögliche Energienachzahlungen leisten zu können. Dafür verzichten sie dann auf das verlängerte Wochenende oder Essengehen."
Sollte Russland die Gaslieferungen einstellen, könnte die Industrie Probleme bekommen.Bild: Getty Images Europe / Sean Gallup
Und zwar nicht nur bei Betrieben, die direkt mit Kund:innen zusammentreffen. Auch das verarbeitende Gewerbe berichtete laut ifo-Institut von rückläufigen Aufträgen. Wohlrabe räumt in diesem Zusammenhang ein: "Die Rückgänge befinden sich auf einem sehr hohen Niveau, denn die Auftragsbücher sind nach wie vor gut gefüllt." Manchmal sogar zu gut: Da nach wie vor Teile – beispielsweise Computerchips – fehlen würden, könnten manche Unternehmen ihre Aufträge gar nicht erfüllen.
Aber natürlich gelte auch und besonders in diesem Bereich: Die weitere Entwicklung hängt ganz eng zusammen mit der Entwicklung der Gasversorgung. Wohlrabe sagt: "Für Unternehmen, die Planungen machen müssen, ist das gerade eine ganz schwierige Situation." Sollte im Oktober der Gasfluss aus Russland versiegen, würde das trotz gefüllter Gasspeicher eine ganz eigene Dynamik auslösen.
(Mit Material von dpa)
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