Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist überraschend gewachsen – trotz Krieg in der Ukraine, trotz Inflation, trotz drohender Energiekrise. Das BIP misst den Wert der in Deutschland produzierten Waren. Weniger Überraschungen hat allerdings der Geschäftsklimabericht des ifo-Instituts gebracht: Wie der Sprecher des Wirtschaftsinstituts am Donnerstag in einer Konferenz mitteilte, ist die Erwartungshaltung an das dritte Quartal gesunken.
Es fiel im Monatsvergleich um 0,2 Punkte auf 88,5 Zähler. Es ist der dritte Monat in Folge, in dem die Stimmung in der Wirtschaft sich verschlechtert hat. Sie ist jetzt so schlecht wie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr.
Das Ifo-Geschäftsklima gilt als Deutschlands wichtigster konjunktureller Frühindikator und basiert auf einer Umfrage unter etwa 9000 Unternehmen.
Der Leiter der Befragungen, Klaus Wohlrabe, blickt pessimistisch auf den Herbst – er stellt im Gespräch mit watson aber klar, dass diese Sicht der Dinge vor allem mit den großen Planungsunsicherheiten zusammenhängen.
Der Geschäftsklimaindex, stellt Wohlrabe klar, hat nichts mit dem steigenden Bruttoinlandsprodukt zu tun. Denn:
Es werde davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal schrumpfen wird. Die aktuelle Umfrage zur Erwartungshaltung der Unternehmen für den Herbst hat ergeben, dass vor allem Handel und Gastronomie mit Sorgen auf den Herbst blicken. Das Dilemma: Die steigenden Preise schreckten Kund:innen ab, gleichzeitig müssten sie aber die gestiegenen Kosten wieder reinholen.
"Die Konsumenten werden weniger einkaufen, dadurch wird der Konsum insgesamt zurückgehen", sagt Wohlrabe und fügt an:
Anders als in den vergangenen Jahren hängt die pessimistische Erwartungshaltung im Gastgewerbe diesmal nicht mit der Coronapandemie zusammen. "Die steht gerade nicht im Fokus der Konsumenten", sagt Wohlrabe. Die Zurückhaltung gehe ganz klar auf die Inflation und die Energiekrise zurück. "Das führt dazu, dass der eine oder andere Kauf nicht getätigt wird, weil das Geld anderweitig gebraucht wird", sagt der Experte.
Insgesamt bliebe durch die Teuerung und die gestiegenen Energiepreise weniger Geld übrig, um neue Produkte zu kaufen. Das könnte in einer fernen Zukunft auch dazu führen, dass insgesamt weniger produziert werden würde. Aber: All diese Prognosen hätten viel mit Unsicherheiten zu tun, denn niemand könne einschätzen, wie sich die Energiekrise entwickle.
Wohlrabe sagt:
Und zwar nicht nur bei Betrieben, die direkt mit Kund:innen zusammentreffen. Auch das verarbeitende Gewerbe berichtete laut ifo-Institut von rückläufigen Aufträgen. Wohlrabe räumt in diesem Zusammenhang ein: "Die Rückgänge befinden sich auf einem sehr hohen Niveau, denn die Auftragsbücher sind nach wie vor gut gefüllt." Manchmal sogar zu gut: Da nach wie vor Teile – beispielsweise Computerchips – fehlen würden, könnten manche Unternehmen ihre Aufträge gar nicht erfüllen.
Aber natürlich gelte auch und besonders in diesem Bereich: Die weitere Entwicklung hängt ganz eng zusammen mit der Entwicklung der Gasversorgung. Wohlrabe sagt: "Für Unternehmen, die Planungen machen müssen, ist das gerade eine ganz schwierige Situation." Sollte im Oktober der Gasfluss aus Russland versiegen, würde das trotz gefüllter Gasspeicher eine ganz eigene Dynamik auslösen.
(Mit Material von dpa)