Mit der FDP wird es keine Steuererhöhungen geben, das ist das Credo der Partei. Damit sind die Liberalen in die Koalitionsverhandlungen gegangen. Und sie nutzen es für ihre Argumentation im Haushaltsstreit der Ampel.
Kürzlich ist ein Briefwechsel von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an die Öffentlichkeit gelangt. Darin streiten sich die beiden Kabinettspartner auch im Namen ihrer jeweiligen Parteien um die Einhaltung der Schuldenbremse.
Im Kern geht es um die Frage, ob und wie mehr Einnahmen geschaffen werden können und welche Vorhaben Priorität haben sollen. Die Ressorts haben zusätzliche Wünsche in Milliardenhöhe. Lindner selbst hat sich für geringere Belastungen für die Wirtschaft ausgesprochen und ein "steuerliches Wachstumspaket" angekündigt.
Streit gibt es zum Beispiel mit Blick auf die Kindergrundsicherung; ein weiteres festes Vorhaben der Ampel. Die Grünen forderten die FDP auf, den nötigen Haushaltsmitteln nicht im Weg zu stehen. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Christian Dürr, wiederum beharrt darauf, dass es kein neues Steuergeld, sondern die Entbürokratisierung brauche.
Statt höhere Steuern will die FDP die Steuern senken. Wohl zumindest die von Unternehmen. Wie das "Handelsblatt" aus einem Positionspapier der FDP-Bundestagsfraktion zitiert, will die Partei so Unternehmen stärken. Die Steueranpassung wäre nur eine von mehreren Maßnahmen. Dazu sollen auch bessere Einwanderungsmöglichkeiten als Reaktion auf den Fachkräftemangel, sowie der Abbau von Bürokratie gehören.
Das Papier ist eine Reaktion auf den "Inflation Reduction Act" der USA. Das Paket subventioniert klimafreundliche Technologien, die in Nordamerika gefertigt werden. In seiner Rede zur Lage der Nation hat Präsident Joe Biden außerdem angekündigt, dass Infrastrukturprojekte künftig "Made in America" sein sollen – also von heimischen Unternehmen, mit heimischen Produkten.
Auch Deutschland muss die heimischen Unternehmen mehr unterstützen, stellt die FDP in dem Papier fest. Eine Absage sollen die Liberalen in ihrem Papier den Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck erteilen, erneuerbare Energien mehr zu fördern. Das "Handelsblatt" zitiert:
Stattdessen müsse über eine Körperschaftssteuer gesprochen werden. Diese Steuer von 15 Prozent wird auf das Einkommen juristischer Personen, also auch Unternehmen, erhoben. Die Gesamtbelastung aus Steuern, hohen Energiekosten und Fachkräftemangel sei zu hoch, meinen die Liberalen. Die FDP will also die Einkommenssteuer senken – so könne auch der Mittelstand entlastet werden, heißt es in dem Papier.
Weil aber dem Staat mit dieser Reform Einnahmen in Milliardenhöhe wegfallen würden, haben die Liberalen laut dem "Handelsblatt" auch einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung:
Im Umkehrschluss würde das bedeuten: Waren werden teurer. Denn bei indirekten Steuern wird die Steuer über den Warenpreis mitbezahlt. Und auch die Mehrwertsteuer rechnet sich auf jeden Einkauf obendrauf. Aktuell gibt es den normalen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent, und den ermäßigten von sieben Prozent. Darunter fallen viele Dinge des täglichen Bedarfs wie Gemüse, Obst oder Backwaren.
Eine solche Steueranpassung würde vor allem arme Menschen und Haushalte mit niedrigem Einkommen belasten – und mittlere und höhere Einkommen entlasten. Kein Wunder also, dass der Vorstoß für Ärger innerhalb der Koalition sorgt. Denn eine solche Form von Umverteilung liegt weniger im Naturell von SPD und Grünen. Wie das "Handelsblatt" berichtet, ließ der Gegenwind nicht lange auf sich warten.
Michael Schrodi, der finanzpolitische Sprecher der SPD, hält laut der Zeitung wenig von den Plänen. Sie seien sozial ungerecht und eine Umverteilung von unten nach oben. Ähnlich bewertet es auch der Fraktionsvize der Grünen, Andreas Audretsch. Er wirbt für eine faire Verteilung von Kosten bei der Finanzierung von Gerechtigkeit und Klimaschutz. Menschen, mit mehr Geld könnten aus seiner Sicht einen größeren Beitrag leisten.
Bisher sind die Gerüchte aber vor allem eins: Zukunftsmusik. Auf watson-Anfrage erklärt der Vize-Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer, dass es sich bei dem Papier um eine Entwurfsfassung handele. Nach einer entsprechenden Beschlussfassung werde es die Position der Fraktion wiedergeben. Es gebe aber keine konkreten Pläne, Steuern zu erhöhen.
Klar ist, dass die Liberalen in den vergangenen Jahren häufiger die Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer kritisiert haben. Zum Beispiel bei Hotelübernachtungen. Eine Ausnahme, die von schwarz-gelb eingeführt wurde. Und auch Ökonomen halten die bisherige Ausnahmeregelung in vielen Fällen für nicht schlüssig.
Ein Beispiel für diesen Kritikpunkt: Ein Latte Macchiato wird mit sieben Prozent Mehrwertsteuer besteuert, weil es sich um ein Milchmischgetränk handelt – währenddessen wird ein Kaffee mit einem Schuss Milch mit 19 Prozent besteuert. Der frühere Wirtschaftsweise Lars Feld erachtet den Vorstoß der Liberalen in ihrem Papier für sinnvoll. Er sagt:
Mit den verzerrenden Subventionen meint Feld unter anderem den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Hotelübernachtungen oder die Gastronomie.
(Mit Material von dpa)