Eine lange Tafel bei Kerzenschein, irgendwo in Berlin. Die Stimmung ist besinnlich, im Hintergrund läuft leise arabische Loungemusik, Horst Seehofer faltet die Servietten. Irgendwo in der Nachbarschaft lacht leise ein Kind. Die Zeichen stehen auf Versöhnung.
Und dann das: Blutwurst.
Die Zutaten? Speck, Schweineblut und Schweinefleisch.
Symbolbild:
Bild: iStockphoto
Ausgerechnet auf einer Islamkonferenz, zu der Seehofer verschiedene Vertreter der Islamverbände, Imame und andere Vertreter der muslimischen Gesellschaft geladen hatte. Der Verzehr von Schweinefleisch ist schließlich im Islam verboten.
Eine lange Tafel und arabische Loungemusik gab es wohl nicht – Blutwurst aber schon. Und zwar am Buffet der Islamkonferenz.
Nichts Neues an sich, die Journalistin Ferda Ataman schreibt vor einigen Tagen im Spiegel, dass bereits 2006 auf der Islamkonferenz Schweinefleisch in Form von Schinkenschnittchen serviert wurde.
Das finden nicht alle gut: Der WDR-Redakteur Tuncay Özdamar zum Beispiel kann das nicht nachvollziehen.
Auf Twitter schreibt er:
Er sei schockiert gewesen und dabei esse er selbst Schweinefleisch, sagt der 51-Jährige. "Außerdem wundert mich, dass das bisher keinen zu stören scheint. Meine Mutter würde Schweinefleisch nicht einmal berühren, damit ist sie nicht allein. Auf diese Menschen muss man auch Rücksicht nehmen auf einer Islamkonferenz."
Özdamar habe nichts dagegen, dass man in Schulen oder Kindergärten mit muslimischen Kindern auch Schweinefleisch anbietet. Das sei nun mal Deutschland. Und Deutschland sei ein Multikulti-Land, in dem manche Schweinefleisch essen und manche nicht.
"Aber wenn ich eine Islamkonferenz einberufe und Muslime dazu einlade, in den Dialog zu treten, die Probleme um die Religion, die im Alltag entstehen, lösen möchte: dann muss ich ein bisschen sensibel sein, Fingerspitzengefühl und Respekt zeigen", sagt Özdamar.
Das sagt ein Konferenz-Teilnehmer:
Das findet auch Ali Baş. Der 42-Jährige war Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Grüne Muslime in NRW und Vorsitzender der Alhambra-Gesellschaft. Mit der Alhambra-Gesellschaft setzt sich Baş auch auf der Islamkonferenz dafür ein, dass Deutsch- und Muslimsein nicht mehr als Widerspruch gesehen wird.
Das ist Ali Baş
Bild: privat
Nach verschiedenen Podiumsdiskussionen bei der Auftaktveranstaltung gab es abends einen Empfang, berichtet der Vereins-Vorsitzende. Kellnerinnen und Kellner, die Häppchen gereicht haben neben Getränken. Außerdem noch ein Buffet, an dem es Fisch, Huhn und Vegetarisches gab.
Unter den Häppchen, die gereicht wurden, befanden sich auch besagte Blutwurst-Häppchen. Die hätten bei vielen Teilnehmern für Irritationen gesorgt, berichtet Baş.
Horst Seehofer neben Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime bei der Auftaktveranstaltung der 4. DIKBild: imago stock&people
Auch er habe sich über die Häppchenauswahl gewundert, einige Gäste hätten schon unwissend zugreifen wollen, da habe Baş beim Personal nachgefragt und herausgefunden, dass es sich um Blutwurst handelt: "Das Fingerfood war nicht gekennzeichnet und bei den schlechten Lichtverhältnissen schwer zu erkennen."
Dass nicht sensibel genug mit den Essgewohnheiten umgegangen wird, war schließlich am Abend unter den Gästen ein Thema, erzählt Baş. "Das hätte man schon so machen können, dass sich alle mitgenommen fühlen."
Und was sagt das Bundesinnenministerium?
Auf Anfrage von watson.de schreibt eine Sprecherin des Bundesinnenministerium:
"Die Speisenauswahl der Abendveranstaltung erfolgte mit Blick auf die religiös-plurale Zusammensetzung der DIK. Dabei wurde auf ein ausgewogenes Angebot, bestehend aus insgesamt 13 verschiedenen Speisen (sowohl halal und vegetarisch, als auch Speisen mit Fleisch und Fisch), und Getränken geachtet. Sollten sich einzelne Personen durch die Auswahl in ihren religiösen Gefühlen gekränkt gesehen haben, bedauern wir das."
Bundesinnenministerium
Ein doofes Fettnäpfchen also, in das das Heimatministerium seit Jahren tappt?
Immerhin, das Innenministerium habe sich einsichtig gezeigt und Besserung gelobt, sagt Baş. Auch das Buffet sei am zweiten Tag frei von Schweinefleisch gewesen. Der Konferenzteilnehmer glaubt daher, dass bei der Planung mit dem Catering dieses Detail einfach untergegangen ist.
Tuncay Özdamar sieht das anders: "Ich vermute dahinter Absicht vom Innenministerium, dass man damit vermitteln will: 'Wir sind die Herren im Land, wir haben das Sagen und hier wird nach unseren Spielregeln gespielt.'"
Die Teilnehmer wussten sich im Übrigen zu helfen. Bekannte hätten Özdamar geschrieben, dass sie im Anschluss an die Konferenz nach Berlin-Kreuzberg gefahren sind, um eine gute Portion İşkembe Çorbası, also Pansensuppe, zu essen.