Deutschland
24.06.2018, 11:5924.06.2018, 14:08
Die Angst vor Skandalen beschert der
Versicherungsbranche ein neues Geschäft: Schutz gegen den Shitstorm.
Nach der Munich Re und großen US-Versicherern steigt nun auch der
europäische Marktführer Allianz mit einer Anti-Skandal-Versicherung
in das Geschäft mit dem "Reputationsschutz" ein.
Die Policen decken
Umsatzverluste ab, die Firmen durch rufschädigende Krisen erleiden.
Außerdem enthalten: professionelle Beratung für das Krisenmanagement. "Wir wollen unsere Kunden vor, während und nach der Krise unterstützen", sagt Martin Zschech von der Allianz-Gesellschaft AGCS, die großen Firmenkunden des Münchner Konzerns betreut.
Die Angst vor dem Skandal steigt offensichtlich in den Chefetagen
rund um den Globus: Laut alljährlichem "Risikobarometer" der Allianz
hatte 2013 gut jedes zehnte Unternehmen Sorgen vor "Reputationsschäden", 2018 war es bereits fast jedes achte. In die
alljährliche Umfrage fließen die Einschätzungen von gut 1900
Risikoexperten aus 80 Ländern ein.
In früheren Jahrzehnten waren es in der Regel Ermittler oder
Journalisten, die Skandale ans Tageslicht brachten. Inzwischen bricht
sich häufig in den sozialen Netzwerken Empörung Bahn, bevor Medien -
oder Staatsanwälte - ein Thema aufgreifen. Zudem machen es die
sozialen Netzwerke nahezu unmöglich, kompromittierende Nachrichten
unter der Decke zu halten.
"Fast 70 Prozent der Krisen verbreiten sich innerhalb von 24 Stunden international"
Natali Brandes, eine auf Unternehmenskrisen spezialisierte Fachfrau bei CNC Communications
Doch Versicherungen nehmen die Wörter "Skandal" oder "Shitstorm" ungern in den Mund. Die Branche bevorzugt
weniger schmerzliche Begriffe: "Medienereignis" etwa, oder "negative
Berichterstattung".
Auch das ZDF könnte sich versichern:
Die Munich Re bietet ihre Reputations-Policen seit 2012 an "Zunächst
waren aber Cyberrisiken das beherrschende Thema, eine gesteigerte
Nachfrage nach dem Reputationsschutz gibt es vor allem seit 2015/16",
sagt Managerin Ulrike Raible. "Mit einer steigenden Zahl von
reputationsrelevanten Ereignissen steigt auch die Nachfrage nach
entsprechenden Versicherungslösungen."
So kann man einem Shitstorm natürlich auch entgegen treten
bild: giphy
Nicht versicherbar sind allerdings Straftaten in der Chefetage: "Wenn
jemand straffällig geworden ist, werden wir das nicht abdecken",
sagt Allianz-Manager Zschech. Zum VW-Dieselskandal schweigt die
Versicherungsbranche.
Die Folgen eines Skandals können über Umsatzverluste weit hinaus
gehen. Dazu zählen etwa sinkender Unternehmenswert, fallender
Börsenkurs oder die Abwanderung von Top-Managern. Das sagt Martin
Vollbracht von Media Tenor International, einer auf Medienanalysen
spezialisierten Schweizer Unternehmensberatung, mit der die Allianz
kooperiert. Zu den typischen Gefahren für den guten Ruf zählen
Hackerangriffe oder Datenschutzverstöße.
Manchmal hat ein Shitstorm sogar was Gutes:
Doch wie bewertet man den guten Ruf eines Unternehmens in Euro und
Cent? "Für unsere Versicherungslösung messen wir vor allem die
Auswirkungen auf den jeweiligen Umsatz", heißt es von der Munich
Re. "Da gibt es häufig einen direkten Zusammenhang: Wenn es einen
Skandal gibt, bricht der Umsatz ein - und dann greift unsere
Versicherung." Ähnlich handhabt es auch die Allianz.
Wegen steigender Nachfrage werden in Zukunft wohl noch mehr
Versicherer Skandal-Policen anbieten. Weniger Skandale sind
jedenfalls nicht zu erwarten. Ein Indiz: Medienwissenschaftler haben
mittlerweile das neue Forschungsgebiet "Skandalogie" erfunden.
(pbl/dpa)