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Wie Brian Krebs der Deutschen Krebshilfe eine Spendenflut verschaffte.

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Wie ein Shitstorm der deutschen Krebshilfe zugute kam

28.03.2018, 18:4828.03.2018, 19:00
Montage Brian Krebs Krebshilfe
Bild: Montage-t-online.de
Lars Wienand
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Eine Kampagne gegen den Sicherheitsexperten Brian Krebs hat im Netz eine verrückte Wendung genommen: Die Abneigung gegen Brian Krebs brachte die Seite der Deutschen Krebshilfe zum Absturz, als Tausende Nutzer auf einmal für den "Kampf gegen Krebs" spenden wollten.

Mehrere Tauend Nutzer überwiesen Geld, um "eines der größten Probleme unserer Zeit" (Krebs) zu bekämpfen. Versehen sind viele Zahlungen mit Botschaften wie "Krebs ist scheiße".

Warum Krebs "scheiße" ist

Gemünzt ist das auch auf Brian Krebs, der die Identität von pr0gramm-Machern öffentlich gemacht und sich damit deren Zorn auf sich gezogen hat. pr0gramm ist ein Image Board, dort werden Bilder und Videos gepostet und kommentiert.

Und genau dort waren bald fast nur noch Screenshots von Überweisungen für die Krebshilfe zu sehen. Google Trends zeigte, dass auch die Suchanfragen um mehrere Tausend Prozent in die Höhe schnellten.

Google Trend
Bild: trends.google.de

Als die Seite der Deutschen Krebshilfe schließlich unter dem plötzlichen Ansturm zusammenbrach, kamen auch andere Organisationen in den Genuss von Spenden. Die Deutsche Krebshilfe teilte mit, es seien 4100 Spenden mit einem Betrag von 103.000 Euro eingegangen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum berichtete von 74 Spenden.

Die DKMS twitterte: "Wir können unseren Augen kaum trauen und freuen uns sehr über die sehr sehr zahlreichen Geldspenden."

Ihre Abneigung gegen Krebs hatten die Nutzer auch schon vor der Spendenaktion deutlich gemacht – mit fiesen Bildern, die gegen den Journalisten Brian Krebs gerichtet sind.

Nach seinem Bericht vom Montag mit Name und Wohnorten von pr0gramm-Verantwortlichen fürchten viele in der Community das Aus für die Seite.

"Wenn pr0gramm runtergefahren wird wegen des Berichts, dann verlieren Hunderttausende Kellerkinder ihren Lebensinhalt", schrieb ein Nutzer halbironisch auf Twitter an Krebs. Der US-Journalist antwortete: "Die Kellerbewohner müssten also etwas anderes tun, als anonym Hassbilder und Todesdrohungen gegen Journalisten zu posten? Wäre ja echt eine Schande!"

Krebs ist hartgesotten, ihm wurde auch schon Heroin ins Haus geschickt, um ihm etwas anzuhängen. Was nach seinem aktuellen Artikel passierte, war da vergleichsweise harmlos. Es folgten – schnell verworfene und aussichtslose – Überlegungen, seine Seite mit massenhaften Zugriffen über Bot-Netze zu stören.

Es hagelte außerdem Memes, in denen Krebs oft auch verletzend angegangen wurde. Ein Administrator postete eine Mahnung: Jegliche Vergeltungsaktionen würden nur pr0gramm schaden. "Bleibt sachlich und höflich", so die Bitte.

Am Abend änderte sich die Auseinandersetzung dann, nachdem Nutzer "BassT87" einen Screenshot als Beleg für eine 25-Euro-Spende an die Krebshilfe postete. "Ich habe den Rummel um Herrn Krebs mal zum Anlass genommen, meinen Teil gegen Krebs beizutragen. Vielleicht macht der ein oder andere es ja (statt dem drölftausendsten Meme) ja nach...".

Ein Shitstorm wird zum Lovestorm

Bereits frühmorgens hatte ein Nutzer "Xari" die Idee auch gepostet, aber ein Posting um 5.03 Uhr findet selbst bei pr0gramm-Nutzern wenig Beachtung. "BassT87" trat dann die Welle los – und lässt manche Nutzer beinahe glückselig staunen, zu was die Community in der Lage ist.

Den Unmut hat sich Brian Krebs zugezogen mit einem Text zu Coinhive. Das ist eine Software, die Seitenbetreiber einsetzen können, um die Rechner nichtsahnender Besucher zum "Schürfen" nach Kryptowährung einzusetzen. Mehr als eine Milliarde Nutzer im Monat stellen den "Crypto-Jackern" unfreiwillig Rechnerleistung zur Verfügung.

Krebs enthüllte, dass der pr0gramm-Gründer Dominic Szablewski Coinhive entwickelt hat. Was die Nutzer nun so empört: Krebs machte auch Informationen von aktuellen Beteiligten an pr0gramm öffentlich – und Anonymität und Datenschutz sind den Nutzern und Betreibern heilig.

Zwei Administratoren schreiben in einem Statement, dass man versucht habe, nach massiven Drohungen die Identität der Mitarbeiter bestmöglich zu schützen. Mit Coinhive habe man nichts zu tun – das war aber die Rechtfertigung von Krebs, die Identitäten öffentlich zu machen.

Nutzer hoffen, dass die Spenden gegen Krebs Eindruck machen. Die Stiftung Deutsche Krebshilfe wusste gar nicht, wie ihr geschah: Die vorläufige Auswertung der Flut von Spenden zog sich bis in den frühen Abend.

Vorstandsvorsitzender Gerd Nettekoven dankte "allen Spenderinnen und Spendern für ihre Unterstützung im Rahmen dieser außergewöhnlichen Initiative. Sie alle helfen uns, die Versorgung krebskranker Menschen weiter zu verbessern und die Krebsforschung voranzubringen."

Dieser Artikel erschien zuerst auf t-online.de

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