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Heftige Worte aus der CDU zu Merz: "Alter weißer Mann, der regelmäßig verloren hat"

Die Wuppertalerin Caroline Lünenschloss will ihre Partei grundlegend erneuern.
Die Wuppertalerin Caroline Lünenschloss will ihre Partei grundlegend erneuern. caroline lünenschloss
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Junge-Union-Politikerin Caroline Lünenschloss zu Friedrich Merz: "Aufbruch sehe ich nicht in einem alten weißen Mann, der regelmäßig verloren hat"

23.10.2021, 11:4025.10.2021, 11:42
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Wie geht es nach der verpatzten Bundestagswahl nun weiter mit der Union? Die CDU-Politikerin Caroline Lünenschloss aus Wuppertal hat da ein paar Ideen. Und die klingen für eine Partei, die auf großer Bühne mit weißen Sneakers kokettiert, in ihrem Online-Shop aber doch nur schwarze Flip-Flops anbietet, durchaus ein bisschen nach Punk.

Die Geschichte mit den Sneakers war eine Momentaufnahme während des "Deutschlandtags" der Jungen Union am vergangenen Wochenende in Münster. Caroline Lünenschloss, vorige Bundestagskandidatin, war als Delegierte dort.

Watson: Frau Lünenschloss, Armin Laschet hat bei seiner Rede auf dem Deutschlandtag die alleinige Verantwortung für die Wahlschlappe übernommen. Wie fanden Sie seinen Auftritt?

Caroline Lünenschloss: Ich finde es sehr positiv, wenn man den Mut hat, Fehler zuzugeben. Gerade als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat. Die Rede wurde auch von den anderen Gästen auf dem Parteitag gut angenommen. Im Wahlkampf hat er oft keine gute Figur gemacht.

Wie aufrichtig war die Unterstützung von ihm durch den Parteinachwuchs?

Es war nicht immer jeder von ihm begeistert. Ich war von Anfang an ein Laschet-Fan, auch im Streit um den Parteivorsitz. Als dann ein Fehler auf den anderen folgte, nahm das immer mehr ab. Und dann fragt man sich irgendwann, ob er die richtige Person ist.

"Man hat im Wahlkampf deutlich gemerkt, dass viele eher an ihrem Ego festgehalten haben statt für das Team zu kämpfen"

Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, hat dem Nachrichtenportal t-online gesagt, „die fehlende Geschlossenheit“ zwischen CDU und CSU habe eine große Rolle bei der Wahlniederlage gespielt. Hat er recht?

In manchen Punkten ist die Zusammenarbeit schon schwierig. In Bayern weiß man oft nicht, wie es in Nordrhein-Westfalen läuft und umgekehrt. Man hat im Wahlkampf deutlich gemerkt, dass viele eher an ihrem Ego festgehalten haben, statt für das Team zu kämpfen. Das hat uns sehr viele Stimmen gekostet.

Kuban sagte weiter, Friedrich Merz spiele „natürlich auch selbst eine wesentliche Rolle bei der Neuaufstellung der Partei." Ist Merz der Richtige, um die CDU wieder erfolgreich zu machen?

Ich kann das ehrlich gesagt nicht mehr hören. Wenn man zweimal im Wettkampf um den Parteivorsitz unterlegen ist, warum wird man dann im dritten Versuch so hochgelobt? Vielleicht sollten die Merz-Anhänger jetzt mal erkennen, dass er verloren hat und wir nun wirklich einen Aufbruch brauchen. Und den Aufbruch sehe ich eben nicht in einem alten weißen Mann, der regelmäßig verloren hat. Wir brauchen neue Köpfe, und das kann Friedrich Merz in meinen Augen nicht sein.

Aktuell macht Merz Schlagzeilen als Unterstützer von "The Republic". Die von einem CSU-Mitglied gegründete Agentur soll laut "Welt" ein "Gegengewicht zu Akteuren wie Fridays for Future, der Deutschen Umwelthilfe, Greenpeace oder der Amadeu-Antonio-Stiftung" sein. Was halten Sie davon?

Ich glaube „The Republic“ stellt das Gegenteil dessen dar, was die CDU aktuell braucht, während sie gleichzeitig ein aktuelles Problem der Partei benennen: Ja, es mangelt der CDU an einer Kampagnenstrategie und der richtigen Form der Kommunikation. Dafür eine neue Organisation aufzubauen, die gefühlt rechts neben der Werteunion zu finden ist, ist aber der falsche Weg.

Wir brauchen erst eine thematische Neuorganisation zur Mitte hin und müssen darauf eine neue Kommunikationsstrategie anpassen. The Republic schaffen mehr Probleme, als sie lösen und rücken die CDU in die nächste negative mediale Betrachtung.

"Es kann nicht sein, dass unter fünf Menschen im Gespräch für die Spitzenkandidatur keine Frau dabei ist"

Zurück zum Aufbruch. Muss sich auch in Sachen Frauenförderung etwas tun?

Frauen müssen sich jetzt in der CDU viel stärker einbringen. Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl können wir nicht zufrieden sein – 24 Prozent Frauen in der CDU-Fraktion. Es kann nicht sein, dass unter fünf Menschen im Gespräch für die Spitzenkandidatur keine Frau dabei ist.

Daran müssen wir arbeiten und auch über Quoten sprechen. Und über die Frage, wie Wahlkreise besetzt werden. Damit können wir nicht zu lange warten, weil wir sonst die Gesellschaft nicht vernünftig abbilden um wieder gute Stimmergebnisse zu erzielen.

Hat Angela Merkel genug für Frauenförderung in Ihrer Partei getan?

Ich glaube schon. Sie hat vielen Frauen gedanklich den Weg geöffnet, überhaupt in die Politik zu gehen. Man muss das im Verhältnis sehen: In welcher Partei ist jemand und wieviel hat er erreicht? Da kann Merkel sehr stolz sein auf das, was sie für Frauen erreicht hat.

Bundespolitisch steuert Deutschland erstmals auf eine Ampel-Koalition zu, auf der Oppositionsbank säße dann Ihre Partei zusammen mit der Linken und AfD. Muss sich die CDU künftig auch in Sachen Partnerwahl neu erfinden?

Für die CDU sollte weiter gelten, dass wir weder mit Links noch mit Rechts kooperieren. Da müssen wir in der Opposition sehr stark drauf achten, das wird eine große Herausforderung. Beide Parteien sind mit unseren Grundsätzen nicht vereinbar.

Mit Parteien, in denen Terroristen und Nazis sitzen, oder die das akzeptieren, dass sie mit ihnen kooperieren wollen, wollen wir nichts zu tun haben. Das ist wichtig.

"Wir müssen ein Verständnis für die Großstädte entwickeln, oder für sozialpolitische Themen, etwa mentale Gesundheit und Wohnungsnot"

Was muss die CDU inhaltlich besser machen?

Wir müssen uns vor allem thematisch und medial erneuern. Und neue Wege finden, mit den Menschen in Kontakt zu treten und unsere Inhalte zu erklären. Und da müssen wir uns breiter aufstellen: Es darf nicht sein, dass wir nur als Wirtschaftspartei wahrgenommen werden.

Wir müssen zum Beispiel ein Verständnis für die Großstädte entwickeln, oder für sozialpolitische Themen, etwa mentale Gesundheit und Wohnungsnot. Auch im Klimaschutz müssen wir uns mehr mit Experten auseinandersetzen und dann auch bessere Lösungen finden als die, die wir im Wahlkampf anbieten konnten.

Zählt dazu auch eine Annäherung an Fridays For Future?

Ich denke in Teilen schon. Ich war im Wahlkampf selbst auf einem Podium von Fridays For Future. Und wenn einen dort Menschen anschreien, wir sollten jetzt die Kohlekraftwerke abschalten, muss aber auch klar sagen: so funktioniert das nicht. Da muss man Grenzen ziehen und realistisch sagen, dass wir nicht die Hälfte aller Lichter ausschalten und die Industrie lahmlegen können.

Sie machen sich auch stark für das Thema mentale Gesundheit.

Gerade durch die Pandemie wurde deutlich, dass viele Menschen in unserem Land leiden. Und dass sie nicht genug gesehen werden. Auch gibt es oft nicht die richtigen Behandlungsmethoden und zu wenig Therapeutinnen und Therapeuten. Probleme mit der mentalen Gesundheit sind in unserer Gesellschaft immer noch sehr große Stigmata.

Das auf die politische Agenda zu packen, ist noch ein weiter Weg. Auch im CDU-Parteiprogramm kommt es nicht vor, obwohl es viele Menschen betrifft. Wir müssen uns dafür viel stärker einsetzen.

"Home Office ist an sich gut. Aber wenn Arbeitszeit und Freizeit immer mehr verschwimmen, ist das für die Psyche belastend"

Muss die Politik die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen?

Das ist ein wichtiger Ansatz. Die Politik kann da gewisse Dinge verstärken. Arbeitnehmer haben zum Beispiel Anspruch auf Bildungsurlaub. Ich fände es gut, wenn man diesen für verschiedene Anwendungen im Bereich mentale Gesundheit um einige Tage verlängern könnte. Aber auch Arbeitsbedingungen müssen sich ändern. Vor allem Pflegerinnen und Pfleger sind davon betroffen.

Auch andere Berufsgruppen leiden unter zu großer Belastung. Die müssen deutlich mehr vom Arbeitgeber geschützt werden. Der Staat muss sicherstellen, dass die Bereiche des neuen Arbeitens nicht Überhand nehmen. Home Office ist an sich gut. Aber wenn Arbeitszeit und Freizeit immer mehr verschwimmen, ist das für die Psyche belastend. Das kann nicht so bleiben.

USA: Unternehmen kündigen Preisanstiege wegen Donald Trump an

Am Ende haben nicht Abtreibungen, der Klimawandel oder die Außenpolitik die US-Präsidentschaftswahl entschieden. Wichtigstes Thema waren die Inflation und die Preise. Für 34 Prozent der republikanischen Wähler:innen war es laut einer Umfrage von YouGov ausschlaggebend für die Wahlentscheidung.

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