Nachdem in allen Bundesländern nach und nach die Corona-Beschränkungen fallen, lässt Deutschland den bisherigen Pandemie-Verlauf allmählich Revue passieren. War der Lockdown wirklich notwendig? Müssen wir weiterhin einen Mund-Nase-Schutz tragen? Und was ist mit den Schulen? Diese Fragen dürften momentan viele Menschen beschäftigen.
Aussagen des Virologen Hendrik Streeck zu diesem Thema stoßen nun bei einigen Kollegen auf Kritik und Unverständnis. Streeck hatte in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" gesagt, Deutschland sei "zu schnell in den Lockdown gegangen", weil neben der Sorge um die Kapazität der Krankenhäuser "ein gewisser Druck in der Öffentlichkeit" bestanden habe.
Außerdem sehe er den Einsatz von Atemmasken im Alltag wegen der oft falschen Anwendung skeptisch. "Die Leute knüllen die Masken in die Hosentasche, fassen sie ständig an und schnallen sie sich zwei Wochen lang immer wieder vor den Mund, wahrscheinlich ungewaschen", sagte Streeck. Das sei ein "wunderbarer Nährboden für Bakterien und Pilze", so der Direktor des Instituts für Virologie der Universitätsklinik Bonn.
Einer, der die Aussagen Streecks heftig kritisiert, ist der Hygienearzt Klaus-Dieter Zastrow. In einem Interview mit der "Welt" sagt er: "Wir wussten zwar wenig über Corona, aber wir kennen die Hygiene, und die kennen wir seit 2000 Jahren." Zastrow kritisiert, in der Corona-Krise seien nicht die Hygieniker gefragt worden, sondern nur die, die davon keine Ahnung haben.
Damit meint er die Virologen und das Robert-Koch-Institut (RKI), die "wochenlang den Sinn und Zweck des Mund-Nase-Schutz infrage gestellt" hätten. Das sei eine üble Nachricht gewesen, denn "umso schwerer hat man es heute, die Maske den Bürgern zu verkaufen", so Zastrow.
"In der gesamten Infektiologie wird bei ansteckungsfähigen Kranken immer ein Mund-Nase-Schutz getragen." Auch im Krankenhaus würde der über mehrere Stunden getragen, so der Mediziner. "Wenn dann erzählt wird, dass die Leute davon krank werden, ist das kompletter Unsinn." Virologen seien auf ihrem Gebiet hervorragende Fachleute, aber hätten von Hygiene "nicht die blasseste Ahnung", so das harte Urteil des Hygienearztes.
Zastrow betont, auch von einer zerknüllten Maske in der Hosentasche gehe keine Gefahr aus, denn die Bakterien auf der Maske würden auch in der Hosentasche absterben. "Wenn sie nicht eine gewisse Feuchtigkeit haben und eine Temperatur von mindestens 37 Grad, passiert da überhaupt nichts", so der Hygieniker. Damit widerspricht er dem Virologen Streeck, der vor wiederverwendeten und ungewaschenen Masken gewarnt hatte.
Auch die Aussage Streecks, der Lockdown sei nicht nötig gewesen, weil durch das Verbot von Großveranstaltungen die Infektionszahlen bereits gesunken seien, kritisiert Zastrow. Da sei zwar etwas dran, aber "hinterher ist man immer schlauer", so der Mediziner.
Mit Blick auf die bestehende Schulöffnung nach den Sommerferien zeigte sich Zastrow zuversichtlich. Der reguläre Präsenzunterricht sei "überhaupt kein Problem", man müsse nur richtig vorgehen. Lehrer bräuchten einen Mund-Nase-Schutz und Schüler sollten ihn auch tragen, wenn sie sprechen. Wenn das eingehalten werde, "kann definitiv nichts passieren", so Zastrow.
(lau/mit Material von dpa und afp)