Um den Islamismus-Experten Ahmad Mansour wird es nicht ruhig – nun äußert sich James Jackson exklusiv bei watson.Bild: IMAGO images/serienlicht
Interview
07.07.2023, 19:2007.07.2023, 19:23
James Jackson ist der Journalist, der in einer investigativen Recherche schwere Vorwürfe gegen den Islamismus-Experten Ahmad Mansour erhebt. Konkret geht es dabei um Mansours Ausbildung in Tel Aviv und die Radikalisierung, die er nach eigenen Angaben als junger Mensch durchgemacht hat. Mansour nannte die Recherche antisemitisch und sprach von einer Rache-Aktion.
Ein Vorwurf, dem sich Jackson entschieden entgegenstellt. Im Gespräch mit watson bezieht er Stellung.
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Watson: Herr Jackson, Ihre Recherche zu Ahmad Mansour schlägt große Wellen. Wie geht es Ihnen damit?
James Jackson: Gut. Es war natürlich stressig, weil ich auf Twitter viel getrollt wurde. Aber ich bekomme auch viel Unterstützung von allen Seiten der Politik. Ich lasse mich nicht unterdrücken – auch nicht wegen meines 'sehr gebrochenem Deutsch'.
Der Journalist James Jackson hat mit seiner Recherche Zweifel an der Vita von Ahmad Mansour gesät.Bild: privat
Sie selbst haben bei der Deutschen Welle gearbeitet. Das Medium, bei dem Mansour in einer Kommission zum Thema Antisemitismus saß. Er meint, Rache sei der Grund für Ihre Recherche. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?
Das ist eine Verschwörungstheorie. Am Anfang hat er noch gesagt, dass Antisemiten hinter der Recherche stecken – und einen solchen Vorwurf nehme ich sehr ernst. Ich bin Religionswissenschaftler und habe auch Antisemitismus studiert. Natürlich ist das ein komplexes Thema, aber es droht in Deutschland eine billige Ausrede zu werden.
Es ist gerechtfertigt, Kritik an Ahmad Mansour zu äußern. Er ist ein Mensch, der in der Öffentlichkeit steht und der immer wieder staatliches Geld und große Preise bekommt. Seine Arbeit bei der Deutschen Welle war nach Angaben der Betroffenen schwierig, aber ich kann klarstellen: Es war kein Racheakt. Es war mir auch unangenehm über meine ehemaligen Arbeitgeber, wo ich noch viele Freunde habe, zu schreiben – aber es war halt Teil der Geschichte.
Was hat Sie zu Ihrer Recherche bewogen?
Ich habe zunächst zu dem jüdischen Künstler Adam Broomberg recherchiert. Er ist pro-palästinensisch eingestellt und wurde wie viele israel-kritische Juden in Deutschland schon bedroht. Dabei habe ich mitbekommen, dass der arabisch-israelische Experte Mansour "ACAB" (Anm. d. Red.: polizeikritisches Kürzel, das für "All Cops are Bastards" steht) als rassistisch bezeichnete. Auch wegen seines Tweets über die marokkanischen Fußballspieler. Ich habe mich dann gefragt, ob dieser Experte wirklich der ist, der er vorgibt zu sein.
Und dann?
Ich habe angefangen, seine Bücher zu lesen, seine Interviews zu schauen, mit Leuten aus seiner Vergangenheit zu sprechen – und habe festgestellt: Da gibt es etliche Widersprüche. Und die habe ich an die Öffentlichkeit gebracht.
Warum haben Sie in der Recherche primär Kritiker:innen von Mansour zu Wort kommen lassen? Zum Beispiel die Menschen von der Deutschen Welle. Da hätte man auch andere aus der Expertenkommission anfragen können, wie etwa Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Ich habe mit Leuten mit ganz verschiedenen Meinungen und politischen Einstellungen gesprochen. Wir haben auch an die Deutsche Welle geschrieben, ob sie uns ein Statement geben kann. Sie haben nicht geantwortet. Laut Angaben der Betroffenen und der Journalisten hat Frau Leutheusser-Schnarrenberger wenig gesagt. Auch, weil viele der Interviews auf Arabisch geführt wurden.
Die Recherche ist aber nicht einseitig. Wir haben Herrn Mansour viermal – nicht einmal, wie er behauptet – angefragt. Per E-Mail und über die sozialen Medien.
Im watson-Interview erklärte Mansour sie hätten auch nicht dazu geschrieben, für wen Sie arbeiten, was ihn wohl auch stutzig gemacht habe.
Ich habe die Recherchen als freier Journalist gestartet. Als ich ihn das erste Mal angeschrieben habe, war noch nicht klar, wo ich veröffentlichen werde. Auf Twitter hat Herr Mansour im Übrigen erklärt, er antworte keinen Antisemiten. Er hatte nur meinen Namen, warum wirft er mir Antisemitismus vor? Das ist billig. Er hätte meinen Namen googeln können, dann hätte er gesehen, dass ich für Qualitätsmedien arbeite – darunter eine große jüdische Zeitung in England.
Man bekommt den Eindruck, Mansour zu kritisieren sei Antisemitismus. Zumal Ahmad Mansour selbst Antisemitismus verbreitet hat.
Die Recherche kann den Anschein erwecken, dass primär Kritiker:innen zu Wort kommen, die wegen möglicher antisemitischer Äußerungen in der Vergangenheit Grund für den Einsatz der Kommission waren.
Ich habe in meiner Recherche nicht heruntergespielt, dass es schweren Antisemitismus bei der DW gab – die drastischsten Fälle habe ich auch genannt. Außerdem waren die Mehrheit meiner Interviewpartner Juden. Ich habe auch mit pro-palästinensischen Juden gesprochen. Und genau das ist ein großer Punkt in dieser Recherche: Es geht nicht nur um Ahmad Mansour.
Sondern?
Es geht auch darum, wie Deutschland – deutsche Medien und der Staat – mit Antisemitismus, Israel, Palästina und dem ganzen Konflikt umgehen.
"Ich finde es beschämend, dass Juden in Deutschland wegen ihrer linken Einstellung attackiert werden."
Wie meinen Sie das?
Ich habe mit Adam Broomberg gesprochen, der in Deutschland immer wieder bedroht wird. Es gab auch eine Demo von der jüdischen Stimme für Frieden. Dort wurde er gewalttätig festgenommen. Ich finde es beschämend, dass Juden in Deutschland wegen ihrer linken Einstellung attackiert werden.
Kritik an der Arbeit der Deutschen-Welle-Kommission und Herrn Mansour kam auch von Moshe Zuckermann. Ein Jude und Nachfahre von Holocaust-Überlebenden. Ich habe viele Juden zu Wort kommen lassen. Dass man mir Antisemitismus vorwirft, ist für mich absolut unverständlich.
Sie haben antisemitische Äußerungen von Mansour erwähnt. Er hat nie bestritten, dass er früher antisemitisch gedacht und gelebt hat. Er sagte, dass er sich in dieser Moschee radikalisiert hat. Auf der einen Seite sagen Sie, er habe sich nicht radikalisiert. Auf der anderen Seite werfen Sie ihm Antisemitismus vor.
Nach seinen eigenen Angaben war er islamistisch-radikal, eine Person in der Nähe der Muslimbruderschaft. Aber, dass jemand Antisemitismus verbreitet, heißt nicht, dass er islamistisch sein muss – die Aussagen, die er da getätigt hat, waren seine eigene Meinung und das viele Jahre nachdem er sich angeblich entradikalisiert hat.
Mansours Zitat, die Juden seien die "die unverschämtesten Menschen in der Geschichte der Menschheit", auf das Sie sich in Ihrem Tweet beziehen, stammt aus dem Jahr 2002. Eine Zeit, zu der Mansour noch in Tel Aviv war.
Er hat bereits im Jahr 2000 seinen Abschluss in der Verhaltenswissenschaft gemacht. Er hat immer behauptet, dass er durch Psychologie und seinen Umzug nach Tel Aviv gelernt hat, nicht mehr Antisemit zu sein. 2002 hat er aber noch Antisemitismus verbreitet. Diese Tatsachen widersprechen ganz klar seiner eigenen Geschichte.
Sie sind nach Israel gefahren und haben das Dorf und die Moschee von Mansour besucht. Der wirft Ihnen nun vor, dass Sie dadurch seine Familie mit hineingezogen haben. War Ihnen die Möglichkeit solcher Folgen bewusst?
Er hat Jahre vorher dem israelischen Leitmedium "Haaretz" ein Interview gegeben, in dem er sich als einen der führenden Köpfe gegen Islamismus und den politischen Islam in Deutschland präsentiert. Wenn seine Familie also Probleme bekommen haben sollte, dann wegen dieses Artikels.
Sie meinen also, dass er durch seine kritische Haltung gegenüber dem politischen Islam dort ohnehin schon unbeliebt ist?
Und auch wegen seiner Rolle in der Deutsche-Welle-Kommission – denn dadurch wurden seine islam-kritischen Aussagen auch auf Arabisch übersetzt. Als ich dort war, kannten manche seinen Namen.
In der Recherche finden sich aber auch Zweifel über seinen Bachelor in Tel Aviv – und dem Krankenpflegestudium, das diesem vorangegangen sein soll. Warum ist es Ihnen so wichtig zu betonen, dass er dieses Erststudium nicht erwähnt?
Ahmad Mansour hat eindeutig mehrfach Unwahrheiten über sich selbst verbreitet. Er hat gesagt, er hat mit Psychologie an der Universität in Tel Aviv angefangen. Das hat er nicht. Er hat Krankenpflege an der Uni angefangen und ist dann zu einem anderen College gewechselt. Dort hat er nicht Psychologie studiert, sondern Verhaltenswissenschaften. Das ist eine Beschönigung der eigenen Vita.
Ich bin froh, dass sich Herr Mansour nach den Vorwürfen erklärt hat – aber seine neue Wahrheit entspricht nicht seinen früheren Aussagen.
Sie meinen, er verwickelt sich durch seine Rechtfertigungen und Erklärungsversuche noch mehr in Widersprüchlichkeiten?
Genau. Auch die Aussage mit den beiden Imams hat er in seinem Buch so nicht getroffen. Dort hat er nur von einem Imam gesprochen – der war laut den Menschen, mit denen ich vor Ort gesprochen habe, außerdem nicht radikal.
Hätten Sie gedacht, dass die Recherche so viel Aufmerksamkeit bekommt?
Ich wusste, dass sie Wellen schlagen würde. Manche der Vorwürfe lassen sich nicht bestreiten. Und Herr Mansour ist schon länger eine sehr umstrittene Person in Deutschland. Und trotz seiner kontroversen Rolle ist er in Deutschland Experte für alle Themen, die mit dem Islam, Migration oder Gewalt zu tun haben. Ich stelle nicht seine Expertise in allen Bereichen in Frage – aber niemand kann Experte für alles sein.
"Mir ist wichtig, dass auch Juden das Recht haben, Israel zu kritisieren und trotzdem sicher und willkommen in Deutschland zu sein."
Was sollte sich Ihrer Meinung nach in der deutschen Medien- und Politiklandschaft ändern?
Deutschland braucht bessere Experten und die Expertise muss besser hinterfragt werden. Mansour hat sich ganz klar mehrfach widersprochen. Nicht nur mit seinem Studium, sondern auch mit seiner Vita. Und seine Geschichte ist letztlich Teil seiner Expertise.
Eine Recherche von "Übermedien" kam zu dem Schluss, dass Herr Mansour mehr als doppelt so häufig in Texten zur Kölner Moschee vorkam, als die am zweithäufigsten befragte Expertin. Herr Mansour nimmt also den Status des Kronzeugen ein, der sehr islam-kritisch ist. Warum nicht auch andere Stimmen? Mir ist wichtig, dass auch Juden das Recht haben, Israel zu kritisieren und trotzdem sicher und willkommen in Deutschland zu sein. Das ist momentan nicht immer so.