Ihr Ex übergoss sie mit Säure – jetzt erzählt Vanessa Münstermann über ihr Leben danach
18.02.2019, 10:3518.02.2019, 10:36
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Das linke Auge zerstört, ein Ohr weggeätzt, die
Hälfte von Gesicht und Hals starr und rot entzündet.
In den ersten
Wochen nach der Säure-Attacke ihres Ex-Freundes glaubte Vanessa
Münstermann nicht, dass sie jemals wieder mit einem Mann
Zärtlichkeiten austauschen würde. Im August 2016 hatte ihr Exfreund die heute 29-Jährige mit einer ätzenden Flüssigkeit übergossen.
Heute ist Münstermann Mutter einer acht Monate alten Tochter. Im Herbst will sie ihre
Jugendliebe heiraten. Am Dienstag erscheint im Rowohlt
Taschenbuch Verlag ihr Buch "Ich will mich nicht verstecken".
In dem Buch beschreibt die Kosmetikerin die Vorgeschichte des Verbrechens, für das ihr Ex-Freund eine zwölfjährige Haftstrafe wegen schwerer Körperverletzung verbüßt. (NDR.de)
Münstermann erzählt von Alpträumen, dem ersten Blick in den Spiegel, der Reha, dem Gerichtsprozess und Beziehungen zu Männern.
"Ich habe meine Tagebücher abgegeben, ohne sie vorher
noch einmal zu lesen", sagt die Frau mit den widerspenstigen dunklen
Locken. "Da stehen Sachen drin, worüber ich noch gar nicht reden
kann. Ich wollte nicht larifari machen. Ich wollte echt sein."
Mit Angst und Anspannung erwarte sie jetzt die Reaktionen, erzählt
die junge Frau in einem
Café in der Nähe von Hannover. Vor dem Interview hat sie eine Frau
besucht, die sie seit längerem betreut. Ein Jahr nach dem Anschlag
gründete Vanessa den Verein "AusGezeichnet", um Brandopfern und
anderen Entstellten zu helfen.
Das 288-seitige Buch verfasste sie mit Regina Carstensen, die laut
Verlag zuvor mit Autoren wie Torwart Oliver Kahn und Schauspielerin
Allegra Curtis gearbeitet hat. In Telefonaten und bei Treffen
rekonstruierten beide den Gerichtsprozess, der in den Tagebüchern
fehlt. Zudem beschrieb die junge Mutter, wie es ihr mittlerweile
geht: "super-glücklich, aber chronisch übermüdet". Ghostwriterin
Carstensen sagt: "Mich hat beeindruckt, wie selbstbestimmt sie eigene
Entscheidungen trifft und dass sie ein großes Herz für andere hat."
Ihr eigenes körperliches und psychisches Leiden spielt Vanessa eher
herunter. Schlafstörungen und Ängste hat sie seit dem Anschlag,
Dutzende Operationen musste sie über sich ergehen lassen, weitere
werden folgen. Das Buch sei in erster Linie an ihre Tochter
gerichtet, betont die Autorin. Noch immer hat Vanessa Angst davor,
dass der Täter sie umbringt, wenn er eines Tages aus dem Gefängnis
kommt. Er schrieb ihr aus der Haft beleidigende Briefe. Im Herbst
erstritt Münstermann vor dem Landgericht Hannover in einem
Zivilprozess 250.000 Schmerzensgeld. Allerdings ist der heute
37-Jährige nach Angaben seines Anwalts pleite.
"Mein Tag war von Äußerlichkeiten bestimmt."
Vanessa Münstermann
Vanessa stellt sich in dem Buch selbst infrage. Sie wirft sich vor,
in der sechsmonatigen Beziehung zu dem Täter nicht früher die
Notbremse gezogen zu haben. "Ich bin lachend in die Kreissäge
gelaufen", sagt sie. Der Mann habe sie mit morgens heimlich in die
Brotbox gesteckten Liebesbotschaften eingelullt und später mit
Selbstmorddrohungen unter Druck gesetzt. Erst im Gerichtssaal erfuhr
sie von seinen 27 Vorstrafen und seiner von Gewalt geprägten
Vergangenheit.
"Mein Tag war von Äußerlichkeiten bestimmt", kritisiert Münstermann
ihr früheres Ich. "Meine Wimpern wurden länger und bunter, mein Haar
konnte nicht rot und wild genug sein, mein Make-up kleisterte
jegliche Mimik zu. Zum Schluss erkannte ich mich selbst nicht
wieder." Insofern sei die Zerstörung ihres hübschen Gesichts auch
eine Befreiung gewesen: "Ab heute darfst du hässlich sein."