Imoan Kinshasa ist ein deutsches "Madl", geboren am Chiemsee, aufgewachsen im Achsental in Bayern. Trachtenkleider? Sind Teil ihrer Kultur.
"Ich trage Dirndl, wann immer es geht. Ich hatte eins bei meiner Einschulung an und bei meiner Arbeit als Kellnerin", erzählt die 25-Jährige watson.de. "Ein Dirndl passt einfach immer und wirklich jede Frau sieht wie die Kaiserin darin aus!"
Ihre ersten Kleider hat ihre Oma sogar selbst genäht. "Im Trachtenverein war ich der Star", berichtet sie. So weit, so normal. Nur: Imoan ist schwarz. Und dass es auch schwarze Deutsche gibt, – jaaa sogar Dirndl-Trägerinnen – das scheint bis heute für einige unvorstellbar zu sein.
"Ich werde ständig angestarrt, egal was ich anhabe", sagt Imoan. Der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, fiel aber letztes Wochenende: Die IT-Trainerin lebt derzeit in Wien. Dort wollte sie mit ihrem Freund, einem Kollegen und einem anderen Pärchen aufs Traiskirchener Weinfest gehen...
"Voll motiviert haben wir Mädels uns in die Tracht geworfen. Ich habe mich wunderschön und stark gefühlt, als ich heimkam war ich den Tränen nahe", sagt sie. "Als wir in Traiskirchen aussteigen, kommen wir keine zehn Meter ohne den ersten rassistischen Vorfall."
Imoan fühlt sich kalt erwischt. Eben war die Stimmung noch ausgelassen, jetzt fühlt sie sich in der Defensive. "Man ist jedesmal wieder überrascht, weil man einfach nicht glauben will, dass Menschen grundlos versuchen, einen zu entwürdigen. Man kann sich oft kaum wehren", sagt sie. Doch dieses Mal reagiert sie sofort: Sie fragt die Jungs, ob sie ein Foto haben wollen, damit man ihnen ihre "Sichtung" auch glaube. Die Pöbler sollen peinlich berührt abgehauen sein.
Doch es geht weiter. Beim Fest selbst wird sie unfreiwillig zur Attraktion. Die Anderen starren und tuscheln ungeniert, erinnert Imoan. "Ich höre die Leute reden. ,Eine Schwarze im Dirndl! Ich fühle mich wie eine Aussätzige, als wäre ich hier verboten.'“
Auf der Toilette kassiert sie dann noch einen missbilligenden Blick einer älteren Dame, die sich kurz zuvor noch über die Lederhosen von Imoans blonder Freundin freute.
Was sie solchen Leuten gerne sagen würde? "Ich bin kein Zootier, ich werde nicht dafür bezahlt, hier gibt es nichts zu sehen! Mal ehrlich, wer will überall evaluiert werden? Also ich nicht." Traurig geht sie an diesem Tag nach Hause und verfasst einen Beitrag auf Facebook. Darüber, dass es sie tief verletzt, dass sie die Traditionen ihres Heimatlandes nicht so unbeschwert ausleben kann, wie andere.
"DAS ist meine Kultur. Ich kenne nur Bayern und Österreich. Lederhosen und Bier. Ich fühle ich mich meiner selbst beraubt", schreibt sie.
Ihr Eintrag bekommt viel Zuspruch. Von Freunden und Fremden, aber auch von anderen Menschen, die das Gefühl des Ausgestoßen-Seins kennen. "Es ist schön zu wissen, dass wir nicht alleine sind", sagt Imoan. "Viele erzählen mir von Ihren Erlebnissen, zum Beispiel eine Mutter mit einem Kind im Elektrorollstuhl, die sich auch angestarrt fühlt."
Das Absurde: Dieser Beitrag wurde schon am Tag danach von Facebook gelöscht, mit der Begründung, er verstoße gegen die "Hate-Speech"-Richtlinien...
Warum es vielen Menschen so unheimlich schwer fällt, Schwarze schlichtweg normal zu behandeln, versteht sie nicht. "Dieser Vorfall war nicht der Erste und nicht der Schlimmste. Es war einfach nur ein Ausschnitt aus dem Alltag eines Menschen mit dunkler Haut", erzählt sie.
Kurioserweise hätten viele andere Nationen weniger Probleme damit: "Asiatische Reisegruppen in den Hotels, in denen ich gearbeitet habe, fanden mich im Dirndl nicht ansatzweise komisch."
Sie glaubt, dass die Stimmung derzeit kippt, erlebt immer feindseligere Momente: "Mein Freund und ich kennen viele Menschen mit Migrationshintergrund."
Ihrer Meinung nach tragen auch politische Diskussionen dazu bei, dass der Ton rauer wird. "Wenn von oben herab Hetze betrieben wird, sinkt die Hemmschwelle für rassistisches Verhalten. Wenn dies auch noch kaum rechtliche oder gesellschaftliche Konsequenzen hat, wird Rassismus geduldet."
Gerade von der bayerischen Regierung ist sie derzeit enttäuscht. "Ich schäme mich für Seehofer und Söder, wo ist eure gmiadlicheid zefix? Ihr zwingt jeden Menschen mit klarem Verstand dazu diese ,Leitkultur' abzulehnen."
Imoan würde sich wünschen, dass Mitmenschen häufiger eingreifen, wenn sie Diskriminierungen erleben, dass sie offen gegen Rassismus einstehen. Für sie persönlich war das letzte Erlebnis Grund genug, um sich von den heimeligen Traditionen, mit denen sie groß wurde, Stück für Stück zu verabschieden.
"Ich bin tief verletzt und werde in Zukunft gezielt auf Veranstaltungen gehen, wo wir mit weniger Anfeindung zu rechnen haben. Ich fühle mich ausgeschlossen und eingeschränkt. Strache und Co. haben recht, es gibt No-Go Areas", sagt sie – "für mich."