Wenn es weiter so läuft, können wir uns die Mobilitätswende abschminken.
Als wäre es nicht sowieso schon schwer genug. Als hätten wir nicht genug andere Probleme, die die Verkehrswende nahezu unmöglich machen. Nun wird in Deutschland auch noch ein Aspekt verschlafen, der sich ebenfalls negativ auf die Mobilitätswende auswirkt: die Digitalisierung.
Versucht man etwa, im ICE von Berlin nach Frankfurt zu fahren – was in den meisten Fällen sowieso schon eine Herausforderung ist – und das WLAN ist mal wieder überlastet oder gar nicht erst vorhanden, kann man meist auch den Hotspot per Smartphone für den Laptop knicken. Denn Internet entlang einer Strecke quer durch Deutschland zu erwischen, um zu arbeiten, ist wie Roulette: ein Glücksspiel mit regelmäßig schlechtem Ende.
"Fahr' Zug", haben sie gesagt. "Da kannst du wenigstens noch arbeiten", haben sie gesagt.
Nee, danke, so wirklich nicht.
Unter diesen Voraussetzungen überlegen sich nicht nur Geschäftsleute dreimal, ob sie nicht lieber stattdessen Zeit sparen und fliegen – oder auf freie Straßen spekulieren und Auto fahren.
Denn mal ehrlich: Was soll bei dem Zustand der Bahn (Unpünktlichkeit, horrende Ticket-Preise, ... um nur ein paar zu nennen) das Argument sein, um Menschen zu überzeugen, mehr Zug zu fahren, wenn es nicht einmal Internet gibt?
Nicht jede:r fährt Bahn des Umweltschutzes wegen. Es soll sie auch geben: Die Menschen, deren Vorhaben es einfach nur ist, entspannt ans Ziel zu kommen. Doch das ist in Deutschland eine Utopie.
Soll der Zug wirklich eine ernstzunehmende Alternative zu Flügen oder dem Auto werden, hängt das unmittelbar mit einem funktionierenden Mobilfunknetz auf der Fahrt zusammen. (Funktionierendes WLAN in ICEs wäre ein Anfang, aber das ist ein anderes Thema.)
Wer sichergehen will, Informationen auf der Zugfahrt auch wirklich lesen zu können, muss sie sich in Papierform besorgen, denn: Auch Datenvolumen auf dem Handy hilft nur, wenn Netz verfügbar ist. Digitalisierung lässt grüßen. In Deutschland wird das Internet noch ausgedruckt!
Und nein, es ist kein Argument, dass man das Handy mal für ein paar Stunden beiseitelegen könne. Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Das können sich manche nicht leisten. Und andere wollen es nicht.
Die Sparmaßnahmen, die die Bundesregierung derzeit treffen muss, spielt diesem Vorhaben sicher nicht in die Hände: Nur 0,2 Prozent des Gesamthaushaltes entfallen auf digitale Infrastruktur. Das ist bezeichnend.
Derzeit nutzen 95 Prozent der Deutschen das Internet, Tendenz weiter steigend. Das liegt deutlich über dem weltweiten Durchschnitt (rund 68 Prozent im vergangenen Jahr). Zeitgleich befindet sich Deutschland in quasi allen Statistiken zum Netzausbau und zur Schnelligkeit des Netzes weit abgeschlagen im unteren Drittel. Bulgarien etwa hat im EU-weiten Vergleich eine durchschnittliche Verbindungsgeschwindigkeit von 128.83 Mbit/s – Deutschland nicht einmal die Hälfte.
Oder, um es anders zu formulieren: Einige der abgelegensten Forschungsstationen in der Antarktis haben eine bessere Internetanbindung als viele Teile Deutschlands.
Es ist eine vernichtende Bilanz. Deutschlands Internetprobleme sind eine Dauerbaustelle. Und das fehlende Netz während Zugfahrten ist nur ein Symptom eines viel größeren Problems.
Während einsame Waldhütten auf Bergen mit modernem Breitband über diverse Förderprogramme angeschlossen werden, ist schnelles – oder überhaupt – mobiles Internet in so mancher Stadt Fehlanzeige. Eine Misswirtschaft der Fördergelder tut sich da auf. Und dabei muss man bedenken: Ein stabiler Internetzugang sollte heutzutage wirklich kein Luxus mehr sein, sondern ist absolute Grundvoraussetzung für nahezu alle Berufe und meist auch das Privatleben.
Es ist traurig, dass ein technologisch doch sehr fortschrittliches Land immer noch mit solch grundlegenden Infrastrukturproblemen zu kämpfen hat. So wird das nichts mit dem Wirtschaftsstandort. Das zeigt auch das World Competitiveness Ranking 2023: Deutschland ist erneut abgeschmiert und steht aktuell nur noch auf Platz 22.
Für die Digitalisierung in Deutschland gibt es nur ein treffendes Wort: bedauerlich.
Es ist jetzt wirklich an der Zeit, dass Deutschland den Ausbau seiner digitalen Infrastruktur ernsthaft angeht. Für die Zukunftsfähigkeit des Standortes, aber auch den nachhaltigen Verkehr, für den es eben nicht reicht, nur die Schiene weiter auszubauen.
Frustrierend, das im Jahr 2024 immer noch fordern zu müssen.
Herr Wissing, falls Sie es vergessen haben sollten: Sie sind nicht nur Verkehrsminister. Werden Sie Ihrem Job endlich gerecht und setzen Sie sich nicht nur mit leeren Worten für die Digitalisierung in Deutschland ein. Sonst fällt Ihnen das gleich doppelt auf die Füße – im Digitalen und im Verkehrssektor.
Und wenn wir das geschafft haben, bleibt nur zu hoffen, dass die Bundesregierung schon einmal über Künstliche Intelligenz nachgedacht hat ...