Wann Bubatz legal und wann Deutsche Bahn pünktlich? Das sind nur zwei Baustellen, mit denen sich die derzeitige Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) auseinandersetzen muss.
Doch nicht nur das – ihre Wähler:innen wollen auch Antworten auf die Fragen. Und zwar lieber gestern als morgen.
Beschäftigt man sich mit der Deutschen Bahn, gibt die Berichterstattung der letzten Monate einen guten Aufschluss darüber, in welchem Zustand sie ist. Es finden sich Schlagzeilen, wie "Deutsche Bahn: Dieser Zug ist abgefahren", "Wie die Deutsche Bahn zu einem Witz wurde" oder "Was bremst die Bahn?" Letzteres würden die meisten vermutlich eher mit einem "Wer" beantworten: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Denn die DB befindet sich zu 100 Prozent im Besitz des Bundes. Unter der Verantwortung des jeweiligen Verkehrsministers.
Vor rund einem Monat stellte Wissing sein neues Infrastrukturkonzept für die Schiene vor. Es verspricht Besserung – zumindest auf dem Blatt Papier. Baustellen an 40 Streckenabschnitten in rund sieben Jahren. Bis 2030 soll die Bahn besser werden. Doch was bedeutet das konkret – und bringt das wirklich was?
Das Erbe, das die neue Bundesregierung vor rund zwei Jahren angetreten hat, ist kein leichtes. Jahrelang wurde die Deutsche Bahn vom Bund kaputt gespart. Jetzt soll es Wissing retten. Vermutlich kaum ein Konzern ist so viel Unmut durch die Bevölkerung ausgesetzt wie die Deutsche Bahn. Kein Wunder – schließlich kommt beinahe jeder dritte Zug im Fernverkehr zu spät. So schlecht waren die Werte noch nie in den vergangenen zehn Jahren.
In kleinen Schritten – so hatte es Wissing angekündigt – soll es Veränderung geben. Mehr ein Reförmchen, als eine Reform. Doch das Infrastrukturprogramm klingt mit der Generalsanierung schon nach einem Wumms.
"Mit Verbesserungen im eigentlichen Sinn ist zu rechnen, es wird aber eben nur besser werden können, aber noch lange nicht gut", urteilt Karl-Peter Naumann, Vorstandsmitglied des Fahrgastverbandes Pro Bahn, auf Anfrage von watson scharf. Seit den 50er Jahren wird das Schienennetz in Deutschland bereits kontinuierlich zurückgebaut – von damals mehr als 53.000 Kilometern auf heute knapp 38.000.
Damit soll nun offenbar Schluss sein. Zumindest die noch vorhandene Infrastruktur soll im Rahmen der Generalsanierung zuverlässiger werden. Bis 2030. Das sieht Naumann eher kritisch. Bis dahin werde man mit den Sanierungen weitergekommen sein. Aber: "Neu- und Ausbauten, die die Engpässe und Kapazitätsprobleme deutlich reduzieren, können dann noch nicht fertiggestellt sein."
Zudem wurde nun erst einmal der Plan veröffentlicht. Vieles darin steht noch zur Debatte und unter Vorbehalt in den Papieren. Trotzdem will der Bund bis zu 40 Milliarden Euro mehr in den kommenden Jahren sinnvoll verbauen.
Alle paar Wochen steht Wissing auch deshalb unter anderem mit Bahnchef Richard Lutz und dem Rest des Vorstandes der Deutschen Bahn in Kontakt. Warum es keine Currywurst im ICE gibt, will er dann zum Beispiel wissen, oder warum so viele Toiletten so oft gesperrt sind.
Vom Bundesrechnungshof gab es vor einigen Monaten einen argwöhnischen Prüfbericht zur "Dauerkrise" der Bahn. Was die Bundesregierung bislang angestoßen habe, um "die Probleme grundlegend zu lösen" reiche nicht aus, heißt es darin. Inzwischen hat Wissing seinen Bahnvorstand Lutz an die kurze Leine genommen. Eine sehr kurze. Dazu zählen auch Telefonate, selbst am Wochenende, und zahlreiche Arbeitsaufträge.
Wissings Vorgänger, Andreas Scheuer (CSU), präsentierte 2020 einen verträumt klingenden "Deutschlandtakt" für die Bahn. Eine Vision für fast 50 Milliarden Euro. Alle 30 Minuten sollte immer um dieselbe Zeit in Deutschlands Großstädten ein Fernverkehrszug ankommen. Davon zu sehen heute: oft gähnende Leere an Bahnsteigen und alleingelassene Fahrgäste.
Die Vision: gekappt. Erst soll saniert werden. Im Sinne des Gemeinwohls.
Mit dem staatlichen Schienennetz sollen die DB-Manager ab dem kommenden Jahr keine Gewinne mehr erzielen müssen.
Für die Kund:innen bedeutet das alles aber auch: anstrengende Jahre. Und zwar vermutlich mehr als sieben. Schließlich sollen aller Voraussicht nach demnächst 40 Hauptstrecken für jeweils rund fünf Monate gesperrt werden. Nach dem Finale der Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2024 soll es losgehen. Ab 2026 sollen dann pro Jahr sechs bis neun Hauptstrecken gesperrt werden. Das genaue Verkehrskonzept wird noch erarbeitet.
Dass das positiv zur Verkehrswende beitragen würde, bezweifeln bereits einige. So sagte etwa Kerstin Haarmann, Präsidentin des Verkehrsclubs Deutschland, beim Schienengipfel im September: "Ich befürchte, dass die Menschen nach fünf Monaten Vollsperrung aufs Auto umgestiegen sind und nicht wiederkommen."
Was jedoch wohl auch nach der Sanierung bleiben wird: eine quasi Monopolstellung der Deutschen Bahn. Zwar gibt es im Fernverkehr noch Flixtrain, dieser hat aber ein noch schlechteres Image als die Deutsche Bahn. Eine wirkliche Wahl haben Fahrgäste meist also nicht. "Konkurrenz belebt das Geschäft", meint Karl-Peter Naumann dazu.
Er sieht zwei Szenarien, die eine wirkliche Verbesserung für Fahrgäste bringen würden:
"Beides führt zu mehr Konkurrenz und günstigeren Preisen durch den Wettbewerb. Beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile", schließt Naumann. Insbesondere das zweite erfordere aber ausreichend Kapazitäten im Netz.
Es bleibt abzuwarten, was Wissing wirklich umsetzen kann – und vor allem bis wann. Einschränkungen für die Fahrgäste wird es ohnehin mit sich ziehen. Das Ausmaß in den Verkehrsplänen ist nun entscheidend. Aber: So viel schlimmer kann es wohl kaum werden.