Ursprünglich sollte das Gesetz zur Cannabisfreigabe bereits Mitte November im Bundestag beschlossen werden – mit Ach und Krach wäre so womöglich der Zeitplan eingehalten worden, die Entkriminalisierung zu Beginn des neuen Jahres durchzusetzen. Viel Konjunktiv. Denn die Abstimmung und Verabschiedung des Gesetzes wurde verschoben. Vor dem Frühjahr 2024 wird das so nichts mit der Freigabe.
Schlechte Nachrichten für viele Konsument:innen, die der Freigabe seit dem "Bubatz-Legal-Versprechen" der Ampel entgegenfiebern. Und für Menschen, die sich mit der Vorstellung der Eckpunkte im Frühjahr auf den Weg gemacht haben, die für den Konsum und Anbau geforderten Cannabis-Social-Clubs (CSC) zu gründen.
Zwei dieser Cannabis-Social-Club-Pioniere sind Felix Merkel und Christoph Polstorff aus Berlin. So locker und entspannt der Name Cannabis-Social-Club-Prenzlauer-Berg-Berlin (CSC-PBB) auch klingt, die Gründung ist es sicher nicht, wie die Gründer im Gespräch mit watson berichten. Die Probleme sind mannigfaltig – über allem hängt aber die Wolke der deutschen Bürokratie.
Der Gesetzentwurf sieht bislang vor, dass besagte CSCs maximal 500 Mitglieder haben und maximal 50 Gramm Cannabis pro Mitglied im Monat für einen geringen Betrag abgeben dürfen. Wichtig ist wohl, dass der Preis für Gras und Hasch unter den Schwarzmarktpreisen liegt (grob 10 Euro pro Gramm).
Außerdem sollen die CSCs Abstand von Kindergärten und Spielplätzen einhalten müssen und vor Ort darf wohl nicht konsumiert werden. Wie sich die Regeln am Ende tatsächlich gestalten werden, ist bislang unklar, da das finale Gesetz noch nicht öffentlich und abgestimmt ist.
Wie Felix und Christoph auf die Idee gekommen sind, einen solchen Verein gründen zu wollen? Und das auch noch, bevor der rechtliche Rahmen, in dem sie das tun, feststeht? "Ich habe bis Februar ein Erasmussemester in Amsterdam verbracht, die Stadt ist auch für ihre Coffeeshops bekannt. Als ich zurückkam, kam die News, dass die Cannabisfreigabe mit den Social-Clubs auch hier bald kommen soll", sagt Felix. Er hätte direkt Interesse gehabt, ein Teil dieser Entwicklung zu sein und ein Freund habe ihn dann an Christoph vermittelt.
Christoph ist Diplom-Landwirt. Ihn interessierte es, Genussmittel zu kultivieren. Ob nun Hopfen oder Cannabis angebaut würde, mache am Ende keinen großen Unterschied, erklärt er. Jetzt, da der Gesetzgeber die Möglichkeit bieten will, eine jahrelang kriminalisierte Pflanze aus der Schmuddelecke zu holen und zu kultivieren, will Christoph dabei sein. Und zwar von Anfang an.
Ihnen sei von Beginn an klar gewesen, dass der Weg zur Freigabe weit ist. Dass es dauern könnte, bis alle Rahmenbedingungen geklärt wären. Trotzdem: "Wir dachten uns, dass es schlau wäre, zu gründen, bevor die Legalität geschaffen ist, weil es sein kann, dass die Anzahl der Cannabis Social Clubs begrenzt wird", stellt Felix klar. Natürlich stünde in der Satzung, dass der CSC-PBB mit dem Cannabis-Anbau aktuell noch nichts zu tun hat. Zunächst handele es sich um einen Verein, der sich für die Freigabe von Cannabis als Genussmittel einsetzt.
Anbauen wird erst ein Thema, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Und dann wird es wohl mindestens sechs Monate bis zur ersten Ernte dauern. Felix und Christoph hoffen, dass bis dahin die ganzen Formalien geklärt sind.
Denn aktuell steht ihr Verein vor Problemen, die sicherlich auch Karnevals- oder Trachtenvereine kennen: deutsche Bürokratie.
Konkret gehe es gerade darum, dass das zuständige Finanzamt dem gegründeten Verein die Gemeinnützigkeit zusprechen soll. Weil die Rahmenbedingungen bislang fehlen, geht es hier aber nicht so recht voran. Laut Gesetzentwurf müssen CSCs gemeinnützig orientiert sein.
Das bedeutet unter anderem später einmal, dass der CSC nicht gewinnorientiert sein darf – sie dürfen kostendeckend arbeiten, aber keinen Gewinn abwerfen. Bislang bleibt Felix als Schatzmeister des CSC-PBB auf den Kosten für die Vereinsgründung sitzen. Denn nicht nur der Status der Gemeinnützigkeit lässt auf sich warten. Auch ein Konto konnte der Verein bisher nicht eröffnen.
"Ohne Konto kann ich keine Mitgliedsbeiträge einziehen", meint Felix. Das Problem: Für die Eröffnung eines Kontos brauchen Vereine eine Steuernummer und einen Auszug aus dem Transparenzregister. Die Steuernummer haben Felix und Christoph schon, nun warten sie seit vier Wochen auf die Nummer des Transparenzregisters. Und damit auf die Eröffnung ihres Kontos.
Bislang sei noch nicht klar, ob ihr CSC tatsächlich Cannabis anbauen dürfen wird. Denn dafür braucht es wohl Lizenzen, die an Rahmenbedingungen geknüpft sein werden. Auch hier fehlt bislang natürlich die finale gesetzliche Grundlage. Einige Bedingungen seien aber schon klar: Abstand zu Kitas, kein Anbau in der eigenen Wohnung.
Ob sie allein anbauen wollen, oder sich – falls rechtlich möglich – einem Growing-Hub anschließen, darüber sei sich der Verein noch nicht klar. Diese Debatte stehe aktuell aber auch nicht auf der Agenda. Aus Sicht der beiden Gründer macht es wenig Sinn über Möglichkeiten zu debattieren, wenn es noch kein Gesetz gibt, das den Rahmen absteckt.
Was ein Social-Club aber in jedem Fall braucht: Eine:n Jugendschutz- und Präventionsbeauftragte:n. Für CSC-PBB haben die beiden im Freundeskreis bereits die perfekte Personalie für den Posten gefunden. Für notwendig halten sie diese Verpflichtung allerdings nicht.
"Wir nehmen keine Menschen unter 21 Jahren auf", stellt Felix klar. Damit fallen Jugendschutz und Cannabisobergrenzen weg. Was die Prävention angeht, fühlen sich die beiden wohl etwas gegängelt. Alkohol werde schließlich auch kistenweise abgegeben, ohne dass das Kassenpersonal eingreifen müsse. "Wenn jemand mehr als die 50 Gramm im Monat kaufen will, werde ich aber natürlich auf unser Präventionsangebot hinweisen", sagt er.
Der CSC-PBB will sich zudem dem Berliner Dachverband für Cannabis-Social-Clubs anschließen, denn: "Man muss das Rad nicht neu erfinden", meint Christoph. Mit dem Verband könne ihr Verein auch auf Erfahrung zurückgreifen, die andere Vereine bereits gemacht hätten.
Was Felix und Christoph sauer aufstößt: Der Plan, dass in Social-Clubs nicht gemeinsam Cannabis konsumiert werden darf. Zumindest Stand jetzt. Die beiden finden die Vorstellung, dass die Vereinsmitglieder nur zum Clubhaus kommen, um sich ihr Gras abzuholen, wenig charmant. Wie ein Vereinsleben nach ihrem Geschmack aussehen würde?
"Ich fände es toll, wenn wir ein richtiges Kulturzentrum schaffen könnten", meint Felix. Eines der Mitglieder sei eine Opernsängerin, eine andere könne gut skaten. All diese Talente könne man für den Verein nutzen, meint Felix. Und so einen Ort der Begegnung schaffen, wo Menschen zusammen Gras rauchen und dabei Operngesang lauschen könnten.
Was der CSC-PBB aber sicher plant, sind zwei verschiedene Mitgliedschaften: Fördermitglieder, die tatsächlich nur dabei sind, um ihr Cannabis einzukaufen und aktive Mitglieder, die einen geringeren Beitrag zahlen, sich dafür aber aktiv ins Vereinsleben einbringen.
Was Felix und Christoph nun bräuchten, um richtig durchzustarten? Geld, denn sobald der Anbau möglich wird, würden viele Investitionen notwendig. Sowohl für die Pflanzen und ihre Trocknung, als auch für etwaige Mietzahlungen für die Vereinsräumlichkeiten. Dafür muss aber natürlich erst einmal das Gesetz verabschiedet werden, damit sie wissen, auf welche Rahmenbedingungen sie sich einstellen müssen.