Bis Ende des Jahres will die Regierung die erste Cannabis-Freigabe an den Start bringen.Bild: pexels / Brandon Nickerson
Analyse
Es ist wohl weniger, als sich die meisten erhofft hätten: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) haben die neuen Eckpunkte für die Cannabis-Legalisierung vorgestellt. Eine stark abgespeckte Version der Bestrebungen, mit denen die Ampelvertreter:innen im vergangenen Winter nach Brüssel gefahren sind.
"Die Gespräche waren gut und vertrauensvoll", wiederholt Lauterbach bei der Vorstellung der neuen Eckpunkte immer wieder. Am Ende aber haben sie aber offensichtlich nicht das Ergebnis gebracht, das sich die Ampel gewünscht hätte. Die geplanten Fachgeschäfte, in denen Gras frei verkäuflich erworben werden kann, wird es erstmal nicht geben.
Sind sich in vielen Dingen einig: Cem Özdemir (links) und Karl Lauterbach.Bild: dpa / Britta Pedersen
Nun heißt es aufstehen, Krone richten, weitergehen. Und wie SPD, FDP und Grüne das machen wollen, erklären Özdemir und Lauterbach bei der Pressekonferenz.
Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update!
Hier findest du unseren
Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne
hier auch auf Instagram.
Lauterbach und Özdemir bekräftigen die Argumentation der Regierung, wonach der Schwarzmarkt zurückgedrängt und der Kriminalität der Boden entzogen werden solle. "Niemand soll mehr bei Dealern kaufen müssen, ohne zu wissen, was man sich da einhandelt", sagt Özdemir. Lauterbach sprach von einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene "in klaren Grenzen (...) flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche". Die bisherige Cannabis-Politik sei gescheitert.
Säule 1: Cannabis-Clubs und Eigenanbau
Konkret gehe es nun darum, die Freigabe auf zwei Säulen zu stellen: eine schnelle und eine langsame. Unter der schnellen Lösung, Säule 1, verstehen die Autor:innen des Eckpunktepapiers die Einführung von "Cannabis Clubs". So zumindest nennt Lauterbach sie.
Die Idee dahinter: In einer Vereinsstruktur mit maximal 500 Personen dürfen die Mitglieder selbst und füreinander Gras anbauen und untereinander zum Selbstkostenpreis verkaufen. Einschränkungen: Unter 18-Jährige bekommen nichts, unter 21-Jährige maximal 25 Gramm im Monat. Alle anderen dürften bis zu 50 Gramm im Monat einkaufen.
In Vereinen soll der Anbau von Cannabis legal werden.Bild: dpa / David Pichler
Diese Clubs sollen durch die Landesbehörden überwacht werden – unter anderem wegen der Reinheit des Cannabis, als auch wegen der Abgabebedingungen. Was dem Gesundheitsminister außerdem wichtig zu betonen ist: Es soll sich nicht wie in den Niederlanden um Social Clubs handeln. Also Treffpunkte, an denen sich Kiffer:innen zum gemeinsamen Konsum treffen können. Vielmehr gehe es um den gemeinsamen Anbau und den privaten Konsum, macht er deutlich.
Aber auch außerhalb der "Cannabis Clubs" sollen die Zügel gelockert werden. So beinhaltet Säule 1 auch die Entkriminalisierung. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Marihuana soll straffrei werden – allerdings soll der Handel und die Abgabe an Nicht-Mitglieder wohl verboten bleiben.
Was außerdem erlaubt werden soll: der Eigenanbau. Bis zu drei weibliche Hanfpflanzen dürfen Menschen dann zu Hause haben. Zumindest dann, wenn sie sicherstellen können, dass Kinder keinen Zugang zum Grünzeug haben.
Und auch für Menschen, die bereits wegen eines Cannabis-Deliktes verurteilt worden sind, besteht wohl Hoffnung auf Amnestie. Jugendliche, die mit Gras erwischt werden, sollen künftig aber ein verpflichtendes Frühinterventionsprogramm durchlaufen.
Für Erwachsene wird der Konsum von Cannabis wohl sehr bald legal.Bild: pexels / rodnae
Der Gesetzentwurf ist bis Ende April angekündigt. Özdemir und Lauterbach zeigen sich optimistisch, dass der erste Teil der Freigabe noch in diesem Jahr in Kraft treten soll. Vier Jahre später sollen die Effekte dann überprüft werden – gerade mit Blick auf Jugend- und Gesundheitsschutz, sowie das Zurückdrängen des Schwarzmarktes.
Säule 2: Modellregionen mit wissenschaftlicher Begleitung
Wenn es nach den Ampel-Partner:innen geht, bleibt es aber künftig nicht bei dieser Light Version der Cannabislegalisierung. Um die EU-Ebene doch noch überzeugen zu können, sollen mit Säule 2 Modellregionen geschaffen werden. Bei einem großangelegten und wissenschaftlichen Versuch über fünf Jahre sollen so evidenzbasierte Erkenntnisse gezogen werden.
Die Hoffnung der Minister: Deutschland könnte so Vorreiter für eine neue europäische Drogenpolitik werden. Sie betonen aber auch, dass natürlich ergebnisoffen an die ganze Sache herangegangen werde. Bisher ist noch nicht klar, wie die Modellregionen aussehen müssen und wie genau sich dieser Versuch gestalten wird.
An einem entsprechenden Gesetzentwurf wollen die beteiligten Fachressorts bis in den späten Sommer hinein arbeiten. Nach der Sommerpause sollen dann konkrete Vorhaben vorgestellt werden. Was Özdemir aber schon heute sagen kann: Die Ampel wird wohl versuchen, beide Gesetze so zu gestalten, dass sie nicht zustimmungspflichtig sind.
Das bedeutet, dass sie nicht auf den Segen des Bundesrates angewiesen sind. Denn dort hat die CDU, sofern die Koalition in Berlin klappt, wohl bald die Mehrheit. Und dann dürfte es die Ampel mit ihren Legalisierungsplänen schwer haben. Denn die Union will davon nichts hören.
(Mit Material der dpa)
In der SPD tobt derzeit die K-Frage, die Diskussion über den nächsten Kanzlerkandidaten. Kanzler Olaf Scholz zeigt sich entschlossen, erneut anzutreten. Doch die Umfragen sprechen eine andere Sprache, zumindest zum aktuellen Zeitpunkt.