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Verteidigung zulasten von Bildung? DIW-Chef macht Ansage zu Scholz-Vorstoß

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Ökonom Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.Bild: imago images / Jürgen Heinrich
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Verteidigung zulasten von Armen und Bildung? DIW-Chef macht Ansage zu Scholz-Vorstoß

20.02.2024, 16:09
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Die Richtung, in die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gehen will, ist klar: Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hat er sein Versprechen wiederholt, dass Deutschland mehr Geld für die Verteidigung ausgeben will. Spätestens 2028 dürfte das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht sein. Spätestens dann ist also fraglich, woher Scholz oder ein:e mögliche Nachfolger:in das Geld nehmen sollen.

Bei der "Süddeutschen Zeitung" wirbt Scholz für seinen Finanzierungsplan: Das Geld soll aus dem allgemeinen Haushalt kommen, dafür soll zur Not in anderen Bereichen gespart werden. Mit Blick auf die Streitereien für den Haushalt 2024 klingeln bei dieser Aussage wohl vielen die Ohren.

Zur Erinnerung: Nachdem das Verfassungsgericht in Karlsruhe die Umwidmung von Corona-Hilfen in den Klima- und Transformationsfonds gekippt hat, stand die Ampel vor einem Milliarden-Euro tiefen Haushaltsloch. Daraufhin brachen Streitereien aus, denn gespart werden musste das Geld in den Ministerien.

DIW-Chef Marcel Fratzscher stellt in diesem Zusammenhang eine klare Forderung an die Regierung. Denn eine Erhöhung des Wehretats könne nicht losgelöst von anderen Investitionen realisiert werden.

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DIW-Chef Fratzscher fordert Reform der Schuldenbremse

Scholz rechnet wohl nicht damit, dass mögliche finanzielle Engpässe bei sozialer Unterstützung, Bildung oder anderen Ausgaben für Unmut in der Bevölkerung sorgen würden. Er sagte der Zeitung: "Wenn wir zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben, um unsere Sicherheit zu bewahren, Frieden, Demokratie, Rechtsstaat und unseren Wohlstand zu sichern, verstehen das die allermeisten, davon bin ich überzeugt."

Laut "Spiegel" geht das Kanzleramt von 25 Millionen Euro aus, die woanders eingespart werden müssten – Haushalter aus dem Verteidigungsministerium rechnen hingegen wohl mit knapp 56 Milliarden Mehrausgaben. Ein großer Unterschied. Scholz' SPD zeigt sich entsprechend unzufrieden von dem Vorstoß ihres Kanzlers. Und auch die Grünen sind zerknirscht, dürfte doch Geld für Soziales, Bildung oder Gesundheit fehlen.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, schreibt zu diesem Dilemma auf Linkedin:

"Deutschland benötigt sehr hohe Zukunftsinvestitionen, zumindest über die nächsten 10-20 Jahre: Wir leben in einer neuen Weltordnung, in der auch kein Weg an zusätzlichen Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit vorbeigehen wird."

Das bedeute auch, dass Deutschland sein Nato-Versprechen, zwei Prozent des Bruttoinland-Produktes für die Verteidigung auszugeben, umsetzen müsse. Aber: "Genauso dringend sind zusätzliche öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Energie, Bildung und Innovation." Und das bedeute, dass Deutschland kurz- bis mittelfristig zusätzliche Schulden machen müsse.

Es handele sich hierbei laut Fratzscher um "gute Schulden" – ein Ausdruck, von dem zumindest die FDP nichts hören will. Sie und ihr Finanzminister Christian Lindner verteidigen die Schuldenbremse aufs Äußerste gegen Bestrebungen von SPD und Grünen, sie abzuschaffen oder zumindest aufzuweichen.

Fratzscher erklärt, warum er zu diesem Schluss kommt, damit, dass diese Schulden die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessern würden. So könne langfristig die Schuldenquote reduziert werden.

Was es daher brauche, sei eine baldige Reform der Schuldenbremse, ist der DIW-Chef überzeugt. Er schreibt: "Das wissen auch alle Politiker:innen." Die würden aber so lange nicht handeln, bis sich das öffentliche Bewusstsein verändert habe. Aktuell halten laut Fratzscher etwa 70 Prozent der Bürger:innen die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form für richtig. Der Ökonom plädiert:

"Solange wir diese Obsession über Schulden und Sparen haben, wird die Politik sich in unserer Demokratie in Bezug auf die Schuldenbremse nicht ändern."
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